Pâraskara's Gṛĭhya Sûtra schliesst sich eng an Kâtyâyana's Çrauta Sûtra an und wird in dem Grade als ein blosser Bestandteil desselben betrachtet, dass es öfter gradezu unter Kâtyâyana's Namen citirt wird. Der Text desselben ist mehr als der von anderen mir bekannten Hausregeln Einflüssen ausgesetzt gewesen, welche die Herstellung seiner ursprünglichen Gestalt erschweren und zum Theil unmöglich machen.
Der empfindlichste derselben erscheint in dem Verderbniss mehrerer Sprüche, mit welchen die vorgeschriebenen Handlungen begleitet werden. Die Sprüche stehen in dieser verdorbenen Gestalt in den Handschriften des Textes und der Leitfäden (paddhati). Die beiden mir zugänglichen Commentatoren haben sie schon ebenso vorgefunden und bemühen sich mit unglaublichen Kunstgriffen, ihnen einen Sinn abzugewinnen. Aeltere Commentare sind noch in Indien handschriftlich vorhanden; da aber Jayarâma und Râmakṛĭshṇa nach ihrer eigenen Aussage dieselben auch benutzt haben, ein Erfolg dieser Benutzung aber an den verdorbenen Stellen nicht zu ersehen ist, so lässt sich kaum hoffen, dass sie uns Hülfe gewähren werden. Man wird wohl nur annehmen können, dass die Verderbnisse schon in sehr alter Zeit stattgefunden haben und dass die Sprüche schon lange ohne alles Verständniss angewendet worden sind.[5]
Von geringerem Gewichte sind die verschiedenen Ergänzungen, welche Pâraskara's Hausregel durch spätere Hand erfahren hat. Sie finden sich in den Handschriften BC des Textes, in C zuweilen erst am Rande, fehlen aber in A und bei Jayarâma, und die darin erwähnten Gebräuche werden von Râmakṛĭshṇa meistens mit der Bemerkung begleitet, dass sie, obwohl sie von dem Verfasser des Sûtra nicht ausdrücklich vorgeschrieben seien, doch dem Herkommen gemäss beobachtet werden müssen. Es war also nicht schwer, Pâraskara's Text von diesen späteren Zusätzen zu befreien.
Ueber die drei Handschriften des Textes, welche ich in den kritischen Anmerkungen kurz erwähnt habe, bemerke ich noch Folgendes:
A. (Berlin, Msc. Chambers 373) ist Saṃvat saptadaça-navaviṃçativarshe, d.h. 1729 (1673 n.C.G.) geschrieben.
B. (Oxford, Bodl. Msc. Walker 181) enthält 9 verschiedene Werke (s. Aufrecht, Catal. p. 400), von welchen Pâraskara's Hausregel, geschrieben Saṃvat 1668 (1612 n.C.G.) das letzte ist.
C. (Oxford, Bodl. Msc. Wilson 451) ist geschrieben Saṃvat 1555 (1499 n.C.G.) Vgl. die krit. Anm. zu Ende.
Jayarâma's Commentar, in A enthalten, führt den Titel Sajjanavallabha. Der Verfasser nennt in den Versen, mit welchen er seinen Commentar beginnt und schliesst, seinen Vater Balabhadra, seinen Grossvater Dâmodara Âcârya aus dem Geschlechte Bharadvâja's, und seinen Lehrer Keçava. Wenn es sicher wäre, dass sein Vater Balabhadra das Hàyanaratna (Msc. Chambers 182) im Jahre Çâka 1577 (1655 n.C.G.) geschrieben (Ind. Stud. 2, 246), so dürfte Jayarâma's Commentar wohl nicht viel später abgefasst sein. Es ist eine Jugendarbeit des Verfassers, welche er mit Benutzung der Commentare von Karka und anderen ausführte,[6] um sich selbst zu belehren (svîyabodhâya). Er bittet daher die Kundigen, sie möchten etwaige Fehler seines Buches mit derselben Nachsicht beurtheilen, welche sie ihren eigenen Kindern schenken würden.
In der That bedarf er auch der Nachsicht in hohem Grade, namentlich bei seinen Erklärungen der mantras. Bei denjenigen Sprüchen und Versen, welche aus seiner eigenen ( Çâkhâ der Mâdhyandina-Çâkhâ, genommen und deshalb auch in Pâraskara's Text nur durch die Anfangsworte bezeichnet sind, giebt er nur die Verfasser, das Versmass, die Gottheit und die Anwendung an, weil dieselben, wie er sagt, schon von Ûvaṭta und anderen erklärt seien.
Seine Erklärung beschränkt sich daher auf diejenigen mantras, welche aus einer anderen Çâkhâ genommen und deshalb auch in Pâraskara's Text vollständig wiedergegeben sind. Wenn er aber hier schon bei den in ganz richtiger Fassung erhaltenen Versen zeigt, dass er mit der Sprache der Vedas noch nicht vertraut war, so sehen wir aus seiner Behandlung der zahlreichen verdorbenen Verse, dass er dieselben schon in dieser Entstellung vorfand, und er versteigt sich in seinem Bemühen, dieselben zu erklären, zu solchen Unmöglichkeiten, dass er für die etwaige Verbesserung und das Verständniss derselben gar keine Hülfe gewährt.
Ueber Râmakṛĭshṇa's Commentar, welcher den Titel Saṃskâragaṇapati führt, kann ich nur nach Auszügen berichten, welche ich vor vielen Jahren im East India House aus demselben gemacht. Die benutzten Handschriften waren damals bezeichnet mit No. 440, No. 577 und No. 912. Die erste, No. 440, enthält Fol. 1–206, die zweite, No. 577, Fol. 207–416. Damit schliesst der Commentar zum ersten Buche des Sûtra. Die Handschrift No. 912 besteht aus zwei Theilen in einem Bande, und zwar I. Fol. 1–124 ohne[7] Schluss, II. Fol. 1–193, mit einem Schluss, Saṃvat 1850. Beide Theile sind aber unrichtig gebunden, und müssten so folgen: I Fol. 1–5. II Fol. 6–193. Damit schliesst der Commentar zum ersten Buche des Sûtra, welcher auch in den beiden vorher genannten Nummern enthalten ist. Dann: II. Fol. 1–5, I. Fol. 6–124 enthält den Commentar zum zweiten Buche des Sûtra bis in die letzte kaṇḍikâ, so dass nur wenig bis zum Schlusse des zweiten Buches fehlen kann.
Râmakṛĭshṇa selbst scheint aber seinen Commentar nicht einmal so weit vollendet zu haben. Sein Name erscheint noch auf Fol. 114, a (zu Pârask. 2, 12). Unter 2, 13 steht: iti çrî samrâṭ° dvitîyakâṇḍe trayodaçî kaṇḍikâ, und da unter 2, 14 steht: iti çrî samrâṭ vâmanâtmaja-gadâdharakṛĭte gṛĭhyasûtrabhâshye etc., welche Worte dann unter 2, 15 und 16 wiederkehren, so scheint der Schreiber den unvollendeten Commentar von Râmakṛĭshṇa durch Gadâdhara's Commentar ergänzt zu haben.
Râmakṛĭshṇa's Commentar ist im Ganzen bei weitem grossartiger angelegt, als der von Jayarâma und enthält reichen Stoff für die Darstellung der indischen Sitten und Gebräuche. Ich habe mich in seiner Benutzung auf dasjenige beschränken müssen, was zum Verständniss von Pâraskara's Sûtra dient. Eine Hinweisung auf einige andere von Râmakṛĭshṇa behandelte Gegenstände dürfte denen willkommen sein, welche einen weiteren Zweck verfolgen. Râmakṛĭshṇa schickt seinem Commentare werthvolle Mittheilungen über die verschiedenen Vedischen Schulen voraus. Auf die Erklärung von Pârask. 1, 1 lässt er eine deutliche Anweisung zur Vollziehung der dort erwähnten Handlungen (spashṭa prayoga) folgen. Im Verlaufe seines Commentars hat er überhaupt die Praxis seiner Zeit vor Augen und ergänzt das Sûtra durch Darstellung von zahlreichen Handlungen,[8] welche im Sûtra nicht erwähnt und zum grossen Theil offenbar erst später in Gebrauch gekommen sind. Nach Pâr. 1, 10 schiebt er das Airiṇî-pûjanam ein (vgl. Prayogaratna 74, b. 10. Samṣkâra-Kaustubha 227, b, 7). – Auf Pâr. 1, 17 folgen verschiedene andere Vorschriften, welche mit dem karṇavedha (Stechen der Ohrlöcher) und kanyâyâ nâsavedha (Durchstechen der Nase eines Mädchens1 schliessen. – Auf Pâr. 1, 19 folgt ein Abschnitt, welcher schliesst: iti kapilasaṃhitokta-çiçuraxâvidhânam, die Behütung der Kinder nach Kapila's Saṃhitâ. – Auf Pâr. 2, 1 folgt: bâlasyâxarârambhavidhânam, der erste Unterricht im Lesen; anupanîtadharmâḥ, die Verhältnisse derer, welche nicht zu einem Lehrer geführt worden sind; saṃskârâtipatti-prâyaçcittam, die Busse für die Unterlassung eines Sakramentes. – Hinter Pâr. 2, 8 wird unter anderem das ganze snânasûtra von Kâtyâyana (Msc. Chambers 645) eingeschoben. – Für die Erweiterung unserer Kenntniss der indischen Sitte wird daher dieser Commentar sehr werthvolle Ausbeute gewähren. Nicht minder schätzbar sind die vielen Citate aus der reichen, auf diesen Gegenstand bezüglichen Litteratur, welche er herbeizieht, im Gegensatz zu Jayarâma, welcher sich deren ganz enthält. In der Erklärung von Pâraskara's Text aber erscheint Râmakṛĭshṇa sehr wenig selbständig und seine Erklärung der Mantras zeigt, dass er mit der Sprache der Vedas ebenso wenig vertraut war wie Jayarâma, den er oft wörtlich abschreibt, ohne ihn zu nennen.
Ausser diesen beiden Commentaren habe ich zwei Paddhatis (Leitfäden) zu Pâraskara's Sûtra benutzen können, eine ältere von Vâsudeva und eine jüngere von Kâmadeva.[9]
Vâsudeva's Paddhati hat mir in zwei Handschriften vorgelegen:
A. Berlin, Msc. Chambers 331, in Stambhatîrtha geschrieben Saṃvat 1637, Çâka 1503 (1581 n.C.G.) 49 Blätter.
B. Oxford, Bodl. Msc. Wilson 476, unvollständig: Fol. 1–20 neuere Hand (geht bis A Fol. 19, a); dann Fol. 35–63, ältere Hand (von A Fol. 27, a bis zu. Ende), Saṃvat 1638 (1582 n.C.G.). Vâsudeva wird von Kâmadeva, Râmakṛĭshṇa und auch schon von Raghunandana citirt. Seine Paddhati enthält eine einfache, klare Darstellung der Vorschriften Pâraskara's, ohne alle Berufung auf andere Erklärer. Eine Randnote in A Fol. 6, b, in welcher Reṇuka's Kârikâ und Gadâdhara's Bhâshya erwähnt werden, fehlt in B. Bemerkenswert ist, dass Pâraskara's Vorschriften über die Umstände, unter welchen der Unterricht im Veda unterbrochen werden muss (anadhyâya, Pâr. 2, 11) von Vâsudeva gänzlich übergangen sind. Dass übrigens Vâsudeva die verdorbenen Sprüche schon in dieser Gestalt vorgefunden, ist aus meinen kritischen Anmerkungen zu entnehmen.
Kâmadeva's Paddhati, welche den Titel Karmapradîpikâ führt, ist enthalten in der Handschrift Chambers 457, d. Die Handschrift ist Saṃvat 1828 (1772 n.C.G.) Çrî Argapuragrâṇagare (so) geschrieben. Der Verfasser, dessen Vater Gopâla hiess, nennt in einer einleitenden Strophe als seine Quellen Karka's Bhâshya, Vâsudeva's Paddhati, Harihara's Bhâshya und Reṇuka's Kârikâ. Seine Paddhati beschränkt sich ebenfalls auf die von Pâraskara vorgeschriebenen Handlungen, geht aber in der Darstellung derselben oft weit über die Grenzen Pâraskara's hinaus und erweitert dieselben mit Berufung auf zahlreiche ältere Gesetzbücher und Purâṇas.
Reṇuka's metrische Bearbeitung (Kârikâ) unseres Sûtra[10] habe ich in der Handschrift des East India House Nr. 1665 benutzt. Sie ist ziemlich fehlerhaft auf 92 Blätter geschrieben: ich habe nur Auszüge aus derselben gemacht. Der Verfasser nennt sich selbst Reṇuka (Fol. 11, a yajvanâ reṇukena) oder Reṇukârya (Fol. 18, b reṇukâryeṇa yajvanâ). Raghunandana citirt ihn als Reṇukâcârya; Râmakṛĭshṇa nennt ihn Reṇu und Reṇudîxita. Sein Vater hiess Maheça, dessen Vater Someçvara, der Vater seiner Mutter Govardhana. Er schrieb die Kârikâ im Jahre Çâka 1288 (1366 n.C.G.). In der Reihenfolge der Handlungen weicht er oft von Pâraskara ab; so kommt er z.B. zur Darstellung der Hochzeit (Pârask. 1, 3–11) erst nachdem er die Rückkehr des jungen Mannes aus der Lehre und seine Pflichten als Snâtaka (Pârask. 2, 6–8) behandelt hat. Die in den Handschriften des Textes BC enthaltenen Zusätze hinter Pârask. 2, 1 und 2, 2, 10 hat er schon vorgefunden. Ausserdem aber fügt er noch manche andere Gegenstände hinzu. Bei der Wahl der Frau lehrt er, wie man die Merkmale derselben durch das Loos mit acht Erdklössen erkennen kann (Âçval. gṛĭ. 1, 5, 4. 5). Daran schliessen sich Vorschriften über das Alter des Mannes und des Mädchens, in welchem die Heirat stattfinden soll. Bei dem garbhâdhâna erwähnt er Vâtsyâyana, den Verfasser eines kâmaçâstra; in Betreff der Zeichen der Schwangerschaft verweist er auf Suçruta. Ausser den Gesetzbüchern beruft er sich öfter auf Karka, Trivikrama, Bhartṛĭyajna, Bhavanâga. Eine genauere Benutzung des Werkes erscheint mir wünschenswerth.
Meine Mittheilungen aus dem Gṛĭhyasangraha, dessen Verfasser sich als Sohn Gobhila's nennt, beruhen auf der Handschrift Bodl. Msc. Wilson 504. Die Handschrift ist ziemlich fehlerhaft, vielleicht auch nicht vollständig; wenigstens finde ich an verschiedenen Orten, besonders bei Raghunandana,[11] Citate aus einem so betitelten Werke, welche in dieser Handschrift fehlen.
Mit diesen Hülfsmitteln habe ich denn nun versucht, den Text des Sûtra zu gestalten und das Verständniss desselben anzubahnen. Auf die Mängel des Textes habe ich an den betreffenden Stellen aufmerksam gemacht; ich bezweifle, dass denselben durch die in Europa befindlichen Handschriften abgeholfen werden kann. Aus den von Bühler und Kielhorn herausgegebenen werthvollen Verzeichnissen sehe ich, dass im nördlichen Indien Handschriften von Pâraskara's Sûtra und von älteren Werken, welche zur Erklärung desselben dienen, noch gefunden werden. Ich mache namentlich aufmerksam auf die Commentare von Karka, Gadâdhara und Harihara, welche, so viel ich weiss, in Europa nicht zu finden sind. Die von Bühler (Catalogue of Mss. from Gujarât, No. 1. p. 180. No. 224) erwähnte Handschrift des Commentars von Râmakṛĭshṇa dürfte, nach dem geringen Umfange derselben (107 Blätter) zu schliessen, auch wohl nur einen Theil des Commentars enthalten. Dass es zweifelhaft ist, ob derselbe überhaupt vollendet worden, habe ich oben erwähnt. – Aus dem südlichen Indien dürfen wir kaum Hülfe erwarten, da dort, wie wir durch Burnell wissen, nur der Taittirîya-Veda in Gebrauch ist, die zur Vâjasaneyi-Saṃhitâ gehörigen Schriften aber ganz unbekannt sind.
Ich bemerke noch, dass im Texte p. 5 1. 5 pradakshiṇa und p. 6 1. 2 so statt sâ zu verbessern ist. Einige andere Fehler sind in den Anmerkungen zur Uebersetzung angegeben.
Breslau, den 9. Mai 1878.
A. F. Stenzler.
1 | In dem Çâradâ-tilaka erscheint ein Andhra-Mädchen mit einem Ringe in der Nase. S. Wilson's Analyse des Stückes im Hindu Theatre. |
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