[81] Hinsichtlich der Götter, fuhr ich fort, müßte, wie es scheint, etwa derartiges schon von Kindheit an hören und nicht hören, wer die Götter ehren soll und die Eltern, und die Freundschaft unter einander nicht für gering achten.
Und ich glaube, versetzte er, daß wir das Richtige getroffen haben.
Und wie dann? Wenn sie tapfer sein sollen, muß man nicht dasjenige sprechen und derartiges, was sie am wenigsten den Tod fürchten macht? Oder glaubst du, daß je einer tapfer sein werde, der diese Furcht in sich hat?
Nein, bei Gott, gewiß nicht, erwiderte er.
Wie nun? Meinst du, daß einer, der an die Dinge im Hades glaubt und sie für schrecklich hält, ohne Todesfurcht sein und in den Schlachten den Tod der Niederlage und Knechtschaft vorziehen werde?
Keineswegs.[81]
Wir müssen demnach, wie es scheint, auch diejenigen überwachen, welche über diese Märchen sprechen wollen, und sie bitten, nicht so ohne weiteres den Zustand im Hades zu schmähen, sondern vielmehr zu loben, da das, was sie reden, weder wahr sei noch zuträglich für solche, die streitbar werden sollen.
Das müssen wir allerdings, versetzte er.
Wir werden demnach, sagte ich, von folgendem epischen Verse an alles Derartige ausstreichen:
Lieber ja wär' ich ein Bauer, um Taglohn dienend bei einem
Anderen dürftigen Mann, [der selbst nur wenig besäße,]
Als der Beherrscher von allen dahingeschwundenen Toten;
ferner:
Und sein Haus vor den Menschen und Ewigen offen erschiene,
Finster und voll Entsetzen, wovor selbst grauet den Göttern;
und:
Wirklich, so ist denn also sogar in des Hades Behausung
Seel' und Schattengebild, doch fehlt die belebende Kraft ganz;
weiter:
Einzig Verstand zu besitzen, die anderen schwirren als Schatten;
ebenso:
Seinem Gebein entschwebte die Seele und ging zu dem Hades,
Um ihr Los wehklagend, die Jugend und Stärke verlassend;
auch:
und dem Rauch gleich eilte die Seele
Unter die Erde Mit Schwirren;
endlich:
Wie wenn Fledermäuse im Innern der mächtigen Höhle
Fliegen umher mit Geschwirre, sobald aus dem Klumpen am Felsen
Eine heruntergefallen, und fest an einander sich klammem:
Also gingen sie schwirrend zusammen.
In bezug auf dieses und alles Derartige weiden wir Homer und die anderen Dichter bitten, nicht böse zu sein, wenn wir es durchstreichen, nicht, weil es nicht dichterisch und für die Menge angenehm zu hören wäre, sondern weil, je dichterischer es ist, um so weniger es Kinder und Männer hören dürfen, die[82] frei sein müssen und die Knechtschaft mehr fürchten als den Tod.
Allerdings.
So muß man denn auch alle die schrecklichen und fürchterlichen Namen für diese Dinge verwerfen, den Wehestrom (Kokytos) und den Schauerfluß (Styx) und die Unterirdischen und Blutlosen und die andern Benennungen dieses Schlags alle, welche ja beim Anhören jedermann so manches Jahr schaudern machen. Und vielleicht ist es in anderer Beziehung gut: wir aber fürchten für die Wächter, sie möchten uns infolge dieses Schauders zu hitzig und zu weichlich werden.
Und mit Recht fürchten wir das, bemerkte er.
Muß man es also beseitigen?
Ja.
Das diesem entgegengesetzte Gepräge aber muß man sprechen und dichten?
Offenbar.
Auch das Wehklagen also und das Jammern um angesehene Männer werden wir abschaffen?
Notwendig, erwiderte er, so gut wie das Frühere.
Sieh einmal zu, fuhr ich fort, ob wir es mit Recht abschaffen werden oder nicht! Wir behaupten doch wohl, daß der brave Mann bei einem andern braven Manne, dessen Freund er ist, das Gestorbensein für nichts Schlimmes halten wird?
Allerdings.
Er wird also nicht über ihn jammern, als wäre ihm etwas Schlimmes begegnet?
Natürlich nicht.
Nun behaupten wir auch dies, daß ein solcher in besonderem Grade sich selbst genug ist hinsichtlich des gut Lebens und weniger als sonst jemand eines anderen bedarf?
Das ist wahr, antwortete er.
Für ihn ist es also am wenigsten hart, eines Sohnes beraubt zu werden oder eines Bruders oder des Vermögens oder sonst einer Sache dieser Art?
Allerdings.
Es wird also auch am wenigsten jammern und wird es höchst gelassen ertragen, wenn ihn ein Unglück dieser Art trifft?
Bei weitem.[83]
Mit Recht also werden wir die Klagelieder um berühmte Männer abschaffen und werden sie Weibern zuteilen, und zwar nicht einmal den achtbaren, und den erbärmlichen Männern, damit die, von denen wir sagen, daß wir sie zum Hüten des Landes erziehen, die Lust verlieren, es diesen gleich zu machen. Mit Recht, erwiderte er.
Wiederum denn werden wir den Homer bitten und die anderen Dichter, nicht den Göttersohn Achilleus darzustellen.
Bald auf die Seite sich legend, ein anderes Mal auf den Rücken,
Auf das Gesiebt alsdann,
bald aber vom Lager sich aufrichtend und
Schweifend verworrenen Geistes am öden Gestade des Meeres,
noch
Rußige Asche mit beiden Händen fassend und über das Haupt sie
Streuend,
noch sonst so viel und in solcher Weise weinend und jammernd, wie jener ihn dargestellt hat; noch auch den Priamos, der den Göttern nahe steht, flehentlich bittend und
umher sich wälzend im Staube,
Jeglichen Mann beim Namen mit jammernder Stimme benennend.
Noch viel weniger werden wir gar Götter jammernd darstellen und sprechend
Weh mir, o weh mir Armer, mir Unglücksmutter des Helden!
Und wenn überhaupt Götter, so werden wir jedenfalls den größten der Götter nicht wagen so unähnlich abzuschildern, daß er »Wehe« ausruft,
Wehe, gejagt um die Stadt seh' dort ich mit eigenen Augen
Den Mann, welchen ich liebe: es schmerzt mich bitter im Herzen;
und
Ach, ach, wenn das Geschick mir den liebsten der Männer, Sarpedon,
Von des Menoitios Sohne, Patrokles, lässet erschlagen!
Denn wenn uns, mein lieber Adeimantos, die Jünglinge dergleichen ernsthaft anhören und es nicht belachen als eine unwürdige Darstellung, so wird wohl schwerlich jemand es unter seiner Würde als Mensch finden und sich schelten, wenn es auch ihm beikommt, etwas Derartiges zu sagen oder zu tun;[84] vielmehr wird er, ohne irgend sich zu schämen und standhaft auszuharren, bei kleinen Leiden große Jammerlieder und Wehklagen anstimmen.
Du hast ganz recht, sagte er.
Das darf aber nicht sein, wie uns eben die Erörterung gezeigt hat; dieser müssen wir glauben, bis uns jemand mit einer anderen, besseren überzeugt.
Allerdings darf es nicht sein.
Aber auch nicht lachsüchtig soll man sein; denn wenn man sich heftigem Lachen überläßt, so zieht es gewöhnlich auch eine heftige Umwandlung nach sich.
Ich denke, erwiderte er.
Weder also, wenn jemand bedeutende Menschen vom Lachen überwältigt darstellt, darf man es gelten lassen, noch viel weniger aber, wenn er Götter so darstellt.
Allerdings, versetzte er.
So darf man also dem Homer auch Worte wie folgende nicht gelten lassen in bezug auf Götter:
Unauslöschliches Lachen befiel die unsterblichen Götter,
Als den Hephaistos sie sahen geschäftig das Haus durchschnaufen, –
nicht gelten lassen dürfen wir sie nach deiner Auseinandersetzung.
Allerdings nicht, wenn du sie als die meinige bezeichnen willst. Wir dürfen das nicht durchgehen lassen.
Ferner muß man auch die Wahrheit hochachten. Ist nämlich die Behauptung richtig, die wir soeben aufgestellt haben, und ist wirklich die Lüge für die Götter unnütz, für die Menschen aber als Heilmittel nützlich, so ist es klar, daß man dergleichen den Ärzten anheimgeben muß, Laien aber es nicht berühren lassen darf.
Das ist klar.
Wenn also irgend jemandem, so kommt es der Regierung des Gemeinwesens zu, der Feinde oder der Bürger wegen zu lügen zum Vorteil des Gemeinwesens, die andern alle aber dürfen sich damit nicht befassen; sondern solchen Regierenden gegenüber zu lügen werden wir bei einem Bürger als eine ebenso große oder noch größere Verfehlung bezeichnen als bei einem Kranken, wenn er dem Arzte, oder bei einem Turner, wenn er[85] dem Turnmeister in bezug auf seine Körperzustände nicht die Wahrheit sagt, oder wenn jemand dem Steuermann in betreff des Schiffes und der Mitfahrenden nicht den wirklichen Sachverhalt sagt, wie es bei ihm selbst oder einem der Mitfahrenden stehe.
Sehr wahr, bemerkte er.
Falls er also einen andern in dem Gemeinwesen über einer Lüge ertappt, einen von denen,
so Meister genannt sind,
Seher und Ärzte von Leiden und Zimm'rer von Balken und Holzwerk, –
so wird er ihn bestrafen, weil er ein Tun einführe, das einem Staate wie einem Schiffe Umsturz und Verderben bringt.
Wofern wenigstens, erwiderte er, geschieht, was vernünftigerweise geschehen sollte.
Und wie? Werden unsere Jünglinge nicht auch der Mäßigung bedürfen?
Freilich.
Ist in bezug auf die Mäßigung nicht – wenigstens für die Menge – das Wichtigste, daß man der Obrigkeit untertan sei und selbst in bezug auf die Genüsse des Trinkens, der Liebe und des Essens sich zu beherrschen wisse?
Ich glaube, ja.
So werden wir also, denke ich, sagen, daß derartiges gut gesprochen sei, wie bei Homer Diomedes spricht:
Setze dich still, mein Lieber, und folge du meiner Ermahnung!
und was darauf folgt:
Es zog mutatmend das Heer der Achaier
Schweigend aus Furcht vor den Führern,
und was sonst sich derartiges findet.
Richtig.
Wie aber? Das folgende:
Trunkener du, mit den Augen des Hunds und dem Mute des Hirsches!
und was daran sich anschließt, und überhaupt alles, was jemand in Erzählungen oder Gedichten je Bürger gegen Regierungen hat Übermütiges sagen lassen, – werden wir es schön finden?
Nein.
Denn es ist, glaube ich, hinsichtlich der Erziehung zur Mäßigung[86] für junge Leute nicht passend zu hören. Daß es aller sonst Vergnügen macht, ist kein Wunder. Oder wie kommt es dir vor?
Ebenso, erwiderte er.
Und wie? Den weisesten Mann sagen zu lassen, daß ihm das Allerschönste scheine, wenn die Tische alle beladen
Sind mit Brot und mit Fleisch, und der Mundschenk schöpft aus dem Mischkrug
Lauteren Wein und trägt ihn umher und füllet die Becher, –
scheint dir das für einen Jüngling in bezug auf Selbstbeherrschung geeignet zum Hören? Oder:
Hungers zu sterben jedoch ist wahrlich das kläglichste Schicksal, –
oder daß Zeus dasjenige, was er, während die andern Götter und die Menschen schlummern, als der allein Wachende beschlossen hat, das alles ohne Schwierigkeit vergißt aus Begierde nach Liebesgenuß, und daß er beim Anblick der Hera so außer sich gerät, daß er nicht einmal ins Gemach gehen mag, sondern gleich da auf dem Boden ihr beiwohnen will und sagt, daß er so voll Verlangens sei, wie er es sogar damals nicht gewesen, als sie das erstemal zusammenkamen
hinter dem Rücken der Eltern;
auch nicht die Fesselung des Ares und der Aphrodite durch Hephaistos wegen eines anderen ähnlichen Falles.
Nein, bei Zeus, erwiderte er: das scheint mir nicht passend. Aber wenn irgendwo, fuhr ich fort, angesehene Männer Ausdauer in aller Fährlichkeit durch Wort und Tat beweisen, da muß man zuschauen und zuhören, wie z.B.:
Aber er schlug an die Brust und redete scheltend sich selbst zu:
Dulde du nur, mein Herz; schon Schnöderes hast du erduldet!
Allerdings, bemerkte er.
Ferner darf man doch nicht zugeben, daß die Männer bestechlich seien und geldgierig.
Durchaus nicht.
So darf man ihnen auch nicht vorsingen:
Schenken gewinnet die Götter, gewinnt die erhabenen Herrscher;
noch auch darf man des Achilleus Erzieher Phoinix loben, daß er recht gesprochen habe, indem er jenem den Rat gab, wenn[87] er Geschenke bekomme, den Achaiern Hilfe zu leisten, ohne Geschenke aber sein Zürnen nicht aufzugeben. Auch von Achilleus selbst werden wir nicht für passend halten und nicht zugeben, daß er so geldgierig sei, daß er Geschenke von Agamemnon nehme und nur gegen Bezahlung einen Leichnam ausliefern wolle, sonst aber nicht.
Es ist allerdings nicht recht, versetzte er, dergleichen zu loben. Doch um Homers willen, bemerkte ich, nehme ich Anstand zu sagen, daß es sogar eine Sünde ist, solches gegen Achilleus auszusagen und anderen, die es behaupten, es zu glauben; ebenso, daß er zu Apollon gesagt habe:
Hast mir Schaden getan, Fernwirkender, Schlimmster der Götter!
Hätt' ich dazu die Gewalt, dann würd' ich's dir sicher vergelten!
und daß er gegen den Fluß, einen Gott, ungehorsam und mit ihm zu kämpfen bereit war; ferner, daß er in bezug auf das dem anderen Flußgott, dem Spercheios, geheiligte Haar gesagt:
Sei denn die Locke verlieh'n als Gabe dem Helden Patrokles,
der doch tot war, und daß er das ausgeführt habe, ist nicht zu glauben. Und dann das Schleppen des Hektor um das Grabmal des Patrokles und das Schlachten der Gefangenen an dem Scheiterhaufen, alles dies zusammen werden wir für nicht wahr gesprochen erklären, auch nicht zugeben, daß man die Unsern glauben mache, Achilleus, der Sohn der Göttin und des Peleus, des besonnensten Mannes, und eines Enkels von Zeus, der Zögling des weisen Cheiron, sei so zerrütteten Geistes gewesen, daß er in sich zwei einander entgegengesetzte Krankheiten hatte, niedrige Denkart nebst Geldgier, und andererseits Übermut gegenüber Göttern und Menschen.
Du hast recht, erwiderte er.
Also ja nicht, fuhr ich fort, wollen wir auch folgendes glauben und auch nicht zu sagen gestatten, daß Theseus, Poseidons Sohn, und Peirithoos, Zeus' Sohn, auf so wilden Raub ausgegangen seien, noch daß irgend ein anderer Göttersohn und Heros gewagt hätte, Schreckliches und Gottloses zu tun, dergleichen man ihnen jetzt verleumderisch beilegt; sondern wir wollen die Dichter nötigen, entweder es nicht als Werke von ihnen zu bezeichnen oder sie nicht als Göttersöhne; beides zusammen aber dürfen sie nicht behaupten, noch uns einen Versuch[88] machen, die jungen Leute zu bereden, daß die Götter Schlechtes erzeugten und Heroen um nichts besser seien als Menschen. Denn, wie wir früher ausgeführt haben, ist dies eine Sünde und eine Unwahrheit; denn wir haben ja gezeigt, daß von Göttern unmöglich Schlechtes kommen kann.
Natürlich.
Überdies ist es nachteilig für die, die es hören; denn jedermann wird sich's verzeihen, daß er schlecht ist, wenn er die Überzeugung hat, daß ja Ähnliches getan haben und noch tun
der Götter jüngste Saat,
Des Zeus Verwandte, denen auf des Ida Höh'n
Des väterlichen Zeus Altar im Äther steht,
Und noch verrann in ihnen nicht das Götterblut.
Darum muß man solchen Märchen ein Ende machen, damit sie uns nicht bei der Jugend die Schlechtigkeit zu etwas ganz Geläufigem machen.
Sehr wohl, bemerkte er.
Was wäre uns nun, begann ich wieder, noch für eine Art übrig bei der Bestimmung, welche Arten von Reden zulässig sind und welche nicht? Denn wie man von den Göttern zu sprechen habe, ist gesagt, ebenso wie von den Dämonen und den Heroen und der Unterwelt.
Allerdings.
Wäre nun nicht übrig, auch in bezug auf die Menschen es auszuführen?
Offenbar.
Aber, mein Lieber, das können wir ja unmöglich jetzt schon beurteilen.
Wieso?
Weil ich glaube, daß wir sagen werden, daß die Dichter und Erzähler in bezug auf die Menschen die wichtigsten Behauptungen fälschlich aufstellen, daß nämlich viele zwar ungerecht, aber glücklich seien, und Gerechte unglücklich, und daß das Unrechttun nütze, wenn es unentdeckt bleibe, und daß die Gerechtigkeit das Beste anderer und der eigene Nachteil sei; und ich glaube, wir werden verbieten, derartiges zu sagen, und werden vorschreiben, das Gegenteil davon zu singen und zu erzählen. Oder meinst du nicht?[89]
Ei, das weiß ich gewiß, antwortete er.
Falls du also zugibst, daß ich darin Recht habe, so werde ich sagen, du habest das zugegeben, wonach wir schon lange forschen?
Richtig vermutet, bemerkte er.
Also daß man in bezug auf die Menschen derartige Reden führen muß, darüber werden wir erst dann vollständig mit einander ins reine kommen, wenn wir gefunden haben, von welcher Art die Gerechtigkeit ist, und wie sie ihrem Wesen nach dem nützt, der sie hat, mag er nun gerecht zu sein scheinen oder nicht?
Sehr wahr, erwiderte er.
Damit sei denn die Erörterung über die Reden zu Ende; jetzt ist, denke ich, hiernach noch der Vortrag in Erwägung zu ziehen, und dann werden wir voll ständig untersucht haben, was und wie man reden muß.
Adeimantos versetzte: Das verstehe ich nicht, wie du es meinst.
Aber du solltest es doch, erwiderte ich. Vielleicht indessen wirst du auf folgende Weise es eher verstehen: Ist nicht alles, was von Märchenerzählern oder Dichtern gesprochen wird, Darstellung von Vergangenem oder Gegenwärtigem oder Zukünftigem?
Was sonst? versetzte er.
Bringen sie nun dabei nicht entweder einfache Erzählung zur Anwendung, oder durch Nachahmung erfolgende, oder beides zugleich?
Auch dies, antwortete er, wünschte ich noch deutlicher gesagt.
Ich scheine, bemerkte ich, ein lächerlicher und unverständlicher Lehrer zu sein. So will ich denn, wie solche, die nicht zu sprechen vermögen, nicht im ganzen reden, sondern einen Teil herausgreifen und versuchen, dir daran zu zeigen, was ich meine. Sage mir, kennst du den Anfang der Ilias, wo der Dichter sagt, Chryses habe den Agamemnon gebeten, seine Tochter freizugeben, dieser aber sei in Zorn geraten, und jener habe, als seine Bitte nicht erfüllt wurde, den Gott um Unheil für die Achaier angefleht?
Jawohl.[90]
Du weißt also, daß bis zu den Worten:
und er flehte zu allen Achaiern,
Aber zumeist den Atreiden, den zwei Heerführern der Völker,
der Dichter selbst spricht und keinen Versuch macht, unsere Gedanken anderswohin zu wenden, als spräche ein anderer denn er selbst; das Folgende aber spricht er, als wäre er selbst Chryses, und sucht uns möglichst glauben zu machen, daß nicht Homer der Sprechende sei, sondern der alte Priester. Und so ungefähr hat er die ganze übrige Erzählung eingerichtet von den Vorgängen in Ilion und den Erlebnissen auf Ithaka und in der ganzen Odyssee.
Freilich, erwiderte er.
Nun ist aber Erzählung sowohl, wenn er jedesmal das Gesprochene, als wenn er das zwischen dem Gesprochenen Liegende darstellt?
Natürlich.
Aber wenn er etwas Gesprochenes darstellt, als wäre er ein anderer, – werden wir dann nicht sagen, daß er alsdann seine Rede jedem, den er als sprechend ankündigt, möglichst ähnlich mache?
Natürlich werden wir das sagen.
Sich einem andern ähnlich machen in Stimme oder Gestalt heißt nun aber doch, den nachahmen, dem man sich ähnlich macht?
Sehr wohl.
In solchem Falle also, scheint es, erfolgt bei ihm und den andern Dichtern die Erzählung durch Nachahmung?
Allerdings.
Wenn aber der Dichter sich nirgends verbärge, so würde seine ganze Dichtung und Darstellung ohne Nachahmung erfolgen. Damit du aber nicht sagst, du verstehest es wieder nicht, wie dies stattfinde, will ich es sagen. Wenn nämlich Homer, nachdem er gesagt hat, daß Chryses kam mit Lösegeld für seine Tochter und um die Achaier anzuflehen, zumeist aber die Fürsten, alsdann nicht als Chryses spräche, sondern noch als Homer, so weißt du, daß es keine Nachahmung wäre, sondern einfache Erzählung und ungefähr so lauten würde ich will es in ungebundener Rede anführen, denn ich habe[91] keine Dichtergabe –: Angekommen wünschte der Priester ihnen, daß die Götter ihnen verleihen, Troia zu erobern und selbst ungefährdet davonzukommen, und daß sie seine Tochter freigeben gegen ein Lösegeld und aus Scheu vor dem Gotte. Als er so gesprochen, fühlten die anderen fromme Scheu und zeigten sich einverstanden, Agamemnon aber wurde wild und befahl ihm zu gehen und nicht wieder zu kommen, sonst würden ihm Szepter und die Binden des Gottes nichts helfen; ehe seine Tochter freigegeben werde, solle sie in Argos an seiner Seite alt werden. Dann hieß er ihn gehen und ihn nicht reizen, damit er ohne Schaden nach Hause komme. Wie das der Alte hörte, fürchtete er sich und entfernte sich schweigend; wie er aber aus dem Lager weg war, flehte er inständig zu Apollon, indem er den Gott bei seinen Beinamen anrief und ihn erinnerte und mahnte, wofern er je ihm durch Erbauung von Tempeln oder Schlachten von Opfern etwas Angenehmes geschenkt habe; um dessen willen, flehte er, möchten die Achaier für seine Tränen büßen durch des Gottes Pfeile. So, mein Freund, bemerkte ich, ist es einfache Erzählung ohne Nachahmung.
Ich verstehe, erwiderte er.
Nun, so verstehe auch, sagte ich, daß andrerseits das Gegenteil hiervon ist, wenn man die Worte des Dichters zwischen dem Gesprochenen wegnähme und nur die Wechselreden übrig ließe.
Auch das, antwortete er, verstehe ich: die Trauerspiele sind von dieser Art.
Getroffen, versetzte ich; und jetzt, glaube ich, ist dir klar, was ich vorher nicht klar machen konnte, daß von der Dichtung und Märchenerzählung eine Art ganz durch Nachahmung bewerkstelligt wird, das Trauerspiel und das Lustspiel, wie du sagst, eine andere durch Auftreten des Dichters selbst – du findest diese vorzugsweise in Dithyramben –, eine dritte Art durch beides, in dem erzählenden Gedicht und auch sonst oft, wofern du mich verstehst.
O, ich verstehe wohl, erwiderte er, was du vorhin sagen wolltest. Nun erinnere dich auch an das, was wir vorher gesagt haben: daß jetzt besprochen sei, was man reden müsse, und nun noch zu untersuchen sei, wie man es tun müsse.[92]
Ich erinnere mich wohl.
Nun, das eben war es, wovon ich meinte, daß wir uns darüber verständigen müssen, ob wir den Dichtern gestatten werden, ihre Darstellungen durch Nachahmung zu bewerkstelligen, oder das eine durch Nachahmung, anderes aber nicht, und welches allemal, oder ob sie gar nicht nachahmen dürfen.
Ich ahne, fiel er ein, du erwägst, ob wir das Trauerspiel und Lustspiel in unseren Staat aufnehmen sollen oder nicht.
Vielleicht, erwiderte ich, noch mehr als dies; denn ich weiß es noch nicht; sondern in welcher Richtung uns gleichsam der Wind der Rede treibt, in der müssen wir gehen.
Und du hast auch recht, versetzte er.
So sieh denn zu, Adeimantos, ob unsere Wächter im Nachahmen geschickt sein dürfen oder nicht; oder folgt auch dies aus dem früher Aufgestellten, daß jeder Einzelne nur eine einzige Beschäftigung gut betreiben könne, viele aber nicht, sondern daß ihm, wenn er dies versucht und mit vielem sich befaßt, alles mißlingt und er in nichts ausgezeichnet ist?
Wie sollte es nicht?
Also gilt auch von der Nachahmung derselbe Satz, daß der nämliche nicht imstande ist, vieles gut nachzuahmen wie ein Einziges?
Allerdings.
Schwerlich also wird er gleichzeitig eine der achtungswerten Beschäftigungen treiben und vieles nachahmen und ein geschickter Nachahmer sein, da ja nicht einmal die scheinbar nahe an einander grenzenden zwei Arten der Nachahmung dieselben Menschen gleichzeitig gut besorgen können, indem sie z.B. Lustspiele und Trauerspiele dichten. Oder hast du nicht vorhin diese beiden als Arten der Nachahmung bezeichnet?
O ja, und du hast recht, daß nicht dieselben es vermögen. Und ebensowenig ist man gleichzeitig Sänger und Schauspieler.
Allerdings.
Ja, nicht einmal zugleich Schauspieler für die Komödie und für die Tragödie; denn alles das sind Arten der Nachahmung; oder nicht?
Freilich.[93]
Und noch in kleinere Teile als diese scheint mir, Adeimantos, die menschliche Natur zerlegt zu sein, so daß sie unfähig ist, vieles gut nachzuahmen oder eben das zu tun, dessen Abbild die Nachahmung ist.
Ganz richtig, erwiderte er.
Wenn wir also unsern ersten Satz festhalten, daß uns die Wächter, von aller sonstigen Dienstleistung befreit, ganz vollkommene Diener der Unabhängigkeit des Staates sein müssen und nichts anderes treiben, was nicht darauf führt, so dürften sie nichts sonstiges tun noch nachahmen; falls sie aber nachahmen, so müssen sie schon von Kindheit an das darauf Bezügliche nachahmen: tapfere, besonnene, fromme, freie Männer und alles Derartige; das Unfreie aber dürfen sie weder tun noch nachzuahmen geschickt sein, ebensowenig sonst etwas Schimpfliches, damit sie nicht infolge des Nachahmens etwas davon wirklich werden. Oder hast du nicht bemerkt, daß die Nachahmungen, wenn man sie von Jugend an lange forttreibt, zu Gewohnheiten und zur Natur werden, sowohl in bezug auf den Leib und die Sprache als in bezug auf die Gesinnung?
O freilich, antwortete er.
Wir werden also, fuhr ich fort, denen, von welchen wir sagen, daß sie uns am Herzen liegen, und daß sie gute Männer werden müssen, nicht gestatten, als Männer eine Frau nachzuahmen, eine junge oder eine ältere, die auf ihren Mann schmäht oder Göttern gegenüber streitet und sich brüstet, weil sie sich für glücklich hält, oder die von Unglück und Trauer und Leid gedrückt ist; vollends aber eine kranke oder verliebte oder kreißende gar nicht.
Natürlich, erwiderte er.
Auch nicht Sklavinnen und Sklaven, wie sie alles tun, was Sklavensache ist.
Auch das nicht.
Auch nicht, wie es scheint, schlechte Männer, feige und solche, die das Gegenteil tun von dem, was wir eben gesagt, die einander verleumden und verhöhnen und schmutzige Reden führen, trunken oder auch nüchtern, und womit sonst noch solche in Worten und Handlungen sich gegen sich und andere verfehlen. Ich denke, auch Wahnsinnigen in Reden oder auch[94] in Handlungen sich ähnlich zu machen sollen sie sich nicht gewöhnen; kennenlernen müssen sie zwar Wahnsinnige und schlechte Männer und Frauen, selbst tun oder nachahmen aber nichts von diesen.
Sehr wahr, versetzte er.
Und weiter, sagte ich, sollen sie Schmiede oder sonstige Handwerker oder Trierënruderer oder deren Aufseher oder überhaupt etwas dieser Art nachahmen?
Wie sollten sie, erwiderte er, da ihnen ja nicht einmal gestattet sein wird, auf irgend etwas Derartiges zu achten?
Und dann das Wiehern von Pferden, das Brüllen von Stieren, das Rauschen von Flüssen und das Tosen des Meeres und den Donner und all das derartige, – werden sie es nachahmen?
Es ist ihnen ja verboten, erwiderte er, toll zu sein oder Tollen sich ähnlich zu machen.
Wenn ich also, fuhr ich fort, verstehe, was du meinst, so gibt es eine Art des Vertrags und der Darstellung, in der der wahrhaft Edle und Gute darstellen wird, wenn er etwas zu sprechen hat, und andererseits eine dieser unähnliche Art, an die der durch Natur und Erziehung jenem Entgegengesetzte sich immer halten und in der er darstellen wird.
Und worin bestehen diese? fragte er.
Ich denke, versetzte ich, der rechtschaffene Mann wird, wenn er in der Darstellung an eine Rede oder Tat eines guten Mannes kommt, gern es so vortragen, als wäre er selbst jener, und wird sich nicht solcher Nachahmung schämen und wird dabei am liebsten den Guten nachahmen, wie er sicher und verständig handelt, weniger und in geringerem Maße aber, wie er infolge von Krankheiten oder Verliebtheit strauchelt oder auch aus Trunkenheit oder wegen eines anderen Unfalls. Gelangt er aber an einen seiner Unwürdigen, so wird er nicht Lust haben, im Ernste sich dem Schlechteren ähnlich zu machen, außer etwa auf kurze Zeit, wenn dieser etwas Rechtschaffenes tut; sondern er wird sich schämen, teils, weil er ungeübt ist, derartige Leute nachzuahmen, teils auch, weil es ihm zu wider ist, sich in das Gepräge der Schlechteren zu formen und hineinzuversetzen, indem er es innerlich verachtet, außer etwa Scherzes halber.
Natürlich, sagte er.[95]
So wird er also eine Darstellung anwenden, wie wir sie kurz zuvor beschrieben haben in bezug auf die homerischen Gedichte, und sein Vortrag wird von beidem etwas an sich haben, von der Nachahmung wie von der andern Darstellung, der einfachen Erzählung, aber von der Nachahmung nur einen kleinen Teil in einer langen Dichtung; oder habe ich nicht recht?
O ja, erwiderte er; wie wenigstens notwendig das Gepräge eines solchen Redners beschaffen sein muß.
So wird denn also, fuhr ich fort, wer nicht von dieser Art ist, je schlechter er ist, um so eher alles darstellen und nichts für seiner unwürdig halten; daher wird er alles nachzuahmen versuchen, und zwar im Ernste und vor vielen, auch was wir soeben aufgezählt haben: den Donner und das Geräusch von Winden und von Schloßen und Wagenachsen und Flaschenzügen und die Töne von Trompeten und Flöten und Pfeifen und allen Instrumenten, und auch die Laute von Hunden und Schafen und Vögeln; und so wird sein Vortrag ganz in Nachahmung bestehen durch Stimme und Gebärden oder nur ein wenig von Erzählung an sich haben.
Auch das ist notwendig, versetzte er.
Das also, sagte ich, sind die beiden Arten des Vertrags, die ich meinte.
So ist's auch, antwortete er.
Von diesen beiden nun hat die eine wenig Abwechslung, und wenn man dem Vortrage die angemessene Harmonie und seinen Rhythmus gibt, so findet bei dem, der richtig spricht, das Sprechen immer fast nach derselben Art und in der nämlichen Harmonie statt – denn die Abwechslungen sind klein – und ebenso in einem ähnlichen Rhythmus.
Sehr wohl verhält es sich so, erwiderte er.
Dann aber die andere Art – bedarf sie nicht das Entgegengesetzte, wenn sie nach ihrer Eigentümlichkeit gesprochen werden soll, aller Harmonien und aller Rhythmen, weil sie mannigfaltige Formen der Abwechslung hat?
Freilich ist es so.
Bedienen sich nun nicht alle Dichter und jeder, der etwas spricht, entweder der einen von diesen Arten des Vertrags, oder der andern, oder einer aus beiden gemischten?[96]
Notwendig, versetzte er.
Was werden wir nun tun? fragte ich; werden wir in unsern Staat alle diese aufnehmen, oder nur die eine der ungemischten, oder die gemischte?
Wenn es auf mich ankommt, die ungemischte, welche das Schickliche nachahmt.
Aber, mein Adeimantos, auch die gemischte ist angenehm: bei weitem die angenehmste aber für Kinder und deren Begleiter und für den größten Haufen ist die der von dir gewählten entgegengesetzte.
So ist's freilich.
Aber vielleicht, fuhr ich fort, behauptest du, daß sie nicht zu unserer Verfassung stimme, weil bei uns es keinen doppelten oder vielfältigen Mann gibt, da jeder nur eines treibt?
Allerdings stimmt sie nicht.
Daher werden wir nur in einem so eingerichteten Staate den Schuster als Schuster finden und nicht als Steuermann neben dem Schusterhandwerk, und den Landmann als Landmann und nicht als Richter neben dem Ackerbau, und den Krieger als Krieger und nicht als Geldspekulanten neben der Kriegskunst, und bei allen ebenso?
Du hast recht, erwiderte er.
Einen Mann also, scheint es, der infolge seiner Weisheit alles mögliche werden und alle Dinge nachahmen könnte, werden wir, wenn er in unseren Staat kommt samt seinen Kunstwerken in der Absicht sich zu zeigen, verehren als heilig und bewundernswert und angenehm, werden aber sagen, daß es einen solchen Mann in unserem Staat nicht gebe und nicht geben dürfe, und wir werden ihn in einen anderen Staat schicken, nachdem wir Salbe über sein Haupt gegossen und es mit Wolle bekränzt haben, und wir werden selbst uns des Vorteils wegen an den herberen und unangenehmeren Dichter und Märchenerzähler halten, der uns die Redeweise des Schicklichen nachahmt und das, was er spricht, in jenen Mustern spricht, die wir gleich anfangs als Gesetz aufgestellt haben, als wir die Krieger zu bilden unternahmen.
Allerdings werden wir es so machen, wenn es auf uns ankommt, erwiderte er.
Nunmehr, sagte ich, mein Freund, scheint es, daß wir den auf[97] Reden und Märchen bezüglichen Teil der Musenkunst vollständig erschöpft haben; denn was und wie man zu sprechen habe, ist erörtert.
Ich glaube selbst auch, bemerkte er.
Es ist nun also nach diesem, sagte ich, das die Gesangesweise und die Lieder Betreffende noch übrig?
Offenbar.
Werden nun nicht nachgerade alle finden können, was wir über jene zu sagen haben hinsichtlich der Beschaffenheit, die sie an sich tragen müssen, wofern wir mit dem vorher Gesagten in Übereinstimmung bleiben wollen?
Da sagte Glaukon unter Lachen: Nun, so scheine ich, o Sokrates, zu den »allen« nicht zu gehören; wenigstens bin ich im Augenblicke nicht imstande, mir zusammenzureimen, welche Beschaffenheit wir angeben müssen, ahne es jedoch.
Auf jeden Fall bist du aber doch wohl, versetzte ich, imstande, fürs erste das zu sagen, daß das Lied aus dreierlei zusammengesetzt ist: aus Rede (Text), Tonart (Harmonie) und Zeitmaß (Rhythmus).
Das allerdings, antwortete er.
Soviel nun daran Rede ist, unterscheidet sich doch wohl in nichts von der nicht gesungenen Rede, in der Beziehung daß es in dem gleichen Gepräge und der gleichen Weise gehalten sein muß, wie wir eben zuvor aufgestellt haben?
Das ist wahr, versetzte er.
Und die Tonart und das Zeitmaß muß sich doch an die Rede anschließen?
Natürlich.
Nun haben wir aber doch gesagt, daß wir Klagen und Jammer in den Reden nicht brauchen?
Allerdings nicht.
Welches sind nun klagende Tonarten? Sage es mir: denn du bist ein Musikverständiger.
Die gemischtlydische, erwiderte er, und die hochlydische und einige andere dieser Art.
Diese also, sprach ich, müssen beseitigt werden; denn sie sind unbrauchbar schon für Frauen, die wacker sein sollen, geschweige denn für Männer.
Allerdings.[98]
Ferner aber ist doch Trunkenheit für Wächter gewiß höchst unziemlich, sowie Weichlichkeit und Müßiggang?
Begreiflich.
Welche unter den Tonarten sind nun weichlich und für Trinkgelage geeignet?
Die ionische, war seine Antwort, und die lydische, welche schlaff genannt werden.
Wirst du nun diese, mein Lieber, bei kriegerischen Männern brauchen können?
Keineswegs, antwortete er, sondern es scheint, du behältst die dorische und die phrygische übrig.
Ich verstehe mich nicht auf die Tonarten, sagte ich; aber ich behalte diejenige Tonart übrig, die in angemessener Weise die Lautfärbung und Betonung eines Mannes nachahmen würde, der in kriegerischem Handeln und überhaupt gewaltsamer Tätigkeit begriffen ist und- vom Glücke im Stiche gelassen, in Wunden oder in den Tod gehend oder in irgend ein anderes Mißgeschick geraten, – in allen diesen Lagen wohlgerüstet und standhaft gegen das Schicksal sich zur Wehr setzt; und daneben eine andere für einen Mann, der in friedlicher und nicht gewaltsamer, sondern zwangloser Tätigkeit begriffen ist und entweder jemand zu etwas beredet und bittet, – entweder durch Flehen einen Gott oder durch Belehrung und Ermahnung einen Menschen, – oder umgekehrt einem andern, der bittet oder belehrt oder umzustimmen sucht, sein Ohr leiht und infolgedessen seine Wünsche erfüllt sieht und nicht übermütig sich benimmt, sondern besonnen und gemäßigt in allen diesen Lagen verfährt und mit dem, was kommt, zufrieden ist. Diese zwei Tonarten, die gewaltsame und die zwanglose, die der vom Glück Verfolgten und Begünstigten, der Besonnenen und Mannhaften Lautfärbung am schönsten nachahmen werden, – diese laß übrig!
Aber, versetzte er, damit wünschest du keine anderen übrig gelassen als die, die ich soeben genannt habe.
Nicht also, fuhr ich fort, werden wir Vielheit der Saiten oder auch Werkzeuge mit allen Tonarten brauchen bei den Gesängen und Liedern?
Es scheint mir nicht, erwiderte er.
Meister des Trigonons also und der Pektis und aller der Werkzeuge,[99] die viele Saiten und viele Tonarten haben, werden wir nicht ernähren?
Offenbar nicht.
Wie aber: Flötenmacher oder Flötenbläser – wirst du sie in das Gemeinwesen aufnehmen? Oder ist dieses Instrument nicht das umfangreichste, und sind eben die allstimmigen nicht gerade Nachahmungen der Flöte?
Das ist ja klar, erwiderte er.
Die Lyra bleibt dir also übrig, sagte ich, und die Kithara, und zwar als brauchbar in der Stadt; und dann auf dem Lande für die Hirten wäre eine Art Rohrpfeife brauchbar.
Darauf führt uns wenigstens, versetzte er, das Gesagte.
Da tun wir, fuhr ich fort, nichts Neues, mein Lieber, indem wir dem Apollon und den Instrumenten des Apollon den Vorzug zuerkennen vor Marsyas und dessen Instrumenten.
Beim Zeus, erwiderte er, wir tun es offenbar nicht.
Und beim Hunde, sprach ich, unvermerkt sind wir wieder daran, den Staat zu säubern, den wir eben erst in Üppigkeit fanden.
Das ist verständig von uns, bemerkte er.
Auf denn, sagte ich, so wollen wir auch das Übrige säubern! Denn das Nächste nach den Tonarten wird uns ja wohl sein das die Zeitmaße Betreffende, daß wir bei diesen nicht dem Bunten nachgehen oder auch allerlei Gangarten, sondern darauf sehen, welches das Maß eines geordneten und mannhaften Lebens ist; im Hinblick auf dieses muß man den Takt und die Melodie nötigen, sich nach der Rede eines solchen zu richten, nicht aber die Rede nach dem Takt und der Melodie. Welches nun diese Zeitmaße wären, das anzugeben ist deine Sache, wie bei den Tonarten.
Aber beim Zeus, entgegnete er, ich weiß es nicht zu sagen. Denn daß es ungefähr drei Arten sind, aus deren Verflechtung die Gangarten gebildet werden, wie bei den Tönen viererlei, woraus sämtliche Tonarten hervorgehen, das kann ich aus meiner Anschauung berichten; welches aber die Nachahmungen eines Lebens seien – und welchen Lebens –, das weiß ich nicht anzugeben.
Nun, dies, sagte ich, wollen wir noch mit Dämon beraten, welches die für Gemeinheit und Ausgelassenheit oder für Tollheit[100] und sonstige Schlechtigkeit angemessenen Gangarten sind, und welche Zeitmaße für das Entgegengesetzte übriggelassen werden müssen. Ich erinnere mich dunkel, gehört zu haben, wie er ein zusammengesetztes waffentanzartig nannte und ein daktylisches und besonders heroisches und es, ich weiß nicht wie, ordnete und oben und unten gleichstellte, indem es kurz und lang wurde, und auch einen Iambos, wie ich glaube, nannte und Trochaios einen anderen, und er fügte Längen und Kürzen an. Und an einigen von diesen, glaube ich, tadelte und lobte er die Haltung (das Tempo) des Versfußes nicht minder als die Maße selbst, oder auch etwas dies beides Umfassendes; denn ich weiß es nicht anzugeben. Aber dies soll, wie gesagt, für Dämon aufgespart sein; denn es ins reine zu bringen erfordert nicht wenig Worte; oder meinst du nicht auch?
Freilich, beim Zeus.
Aber das kannst du doch ins reine bringen, daß die Eigenschaft der Wohlanständigkeit abhängt von dem Wohlgemessenen und dem Schlechtgemessenen?
Natürlich.
Aber das Wohlgemessene und das Schlechtgemessene richtet sich doch wohl – jenes nach der schönen Rede, der es gleichgemacht ist, dieses nach der entgegengesetzten, und das Wohlgestimmte und Schlechtgestimmte der Tonart ebenso, wofern das Zeitmaß und die Tonart nach der Rede sich richtet, wie vorhin gesagt wurde, nicht aber die Rede sich nach diesen.
Freilich, sagte er, müssen diese von der Rede abhängen.
Wie ist es aber mit der Art und Weise des Redens, fragte ich, und dem Inhalte? Richten sie sich nicht nach dem sittlichen Charakter der Seele?
Natürlich.
Und das übrige richtet sich nach dem Reden?
Ja.
Wohlredenheit also und Wohlgestimmtheit und Wohlanständigkeit und Wohlgemessenheit hängt ab von der Wohlgesittetheit, nicht derjenigen, die in Wahrheit Unverstand ist und nur aus freundlicher Nachsicht von uns als Wohlgesittetheit bezeichnet wird, sondern der wahrhaft nach Sitte wohl und schön bestellten Gesinnung?
Allerdings, versetzte er.[101]
Müssen nun die Jünglinge nicht allenthalben diesem nachgehen, wenn sie ihre Pflicht tun wollen?
Freilich müssen sie.
Es ist nun aber doch wohl die Malerei dessen voll und alle derartige Kunsttätigkeit, voll auch die Weberei und die Stickerei und die Baukunst und dann die gesamte Verfertigung der übrigen Geräte, und überdies die Natur der Leiber und der übrigen Naturerzeugnisse; denn bei diesen allen findet sich Wohlanständigkeit oder Unanständigkeit. Die Unanständigkeit nun und die Ungemessenheit und die Ungestimmtheit sind verschwistert mit der Übelredenheit und der Übelgesittetheit, das Gegenteilige aber mit dem Gegenteiligen, der züchtigen und guten Sitte, verschwistert und dessen Nachahmung.
Vollkommen freilich, sagte er.
Müssen wir also allein die Dichter überwachen und nötigen, das Bild der guten Sitte in ihren Dichtungen darzustellen oder überhaupt nicht bei uns zu dichten, oder müssen wir auch die übrigen Künstler überwachen und hindern, dieses Schlimmgesittete und Zuchtlose und Gemeine und Unanständige weder in Bildern lebender Wesen noch in Gebäuden noch in irgend einem sonstigen Werke der Kunst darzustellen, oder dürfen wir dem, der es nicht vermag, nicht gestatten, bei uns zu arbeiten, damit uns nicht die Wächter, unter Bildern der Schlechtigkeit aufgezogen, wie unter schlechtem Kraute, jeden Tag allmählich von vielen vieles pflückend und zu sich nehmend, unvermerkt ein großes Übel in ihrer Seele zu einem Ganzen vereinigen? Vielmehr müssen wir solche Künstler suchen, die mit schöner Begabung die Natur des Schönen und Anständigen aufzuspüren imstande sind, damit die Jünglinge, wie an gesundem Orte wohnend, Nutzen aus allem ziehen, von welcher Seite immer etwas von den schönen Werken her in ihr Auge oder Ohr fällt, einem Luftzug ähnlich, der aus heilsamen Gegenden Gesundheit bringt und schon von Kindheit auf unvermerkt sie zur Ähnlichkeit, Freundschaft und Übereinstimmung mit dem Schönen treibt?
So, erwiderte er, würden sie auf die bei weitem schönste Art erzogen.
So ist also, mein Glaukon, fuhr ich fort, die Erziehung durch Musik darum die vorzüglichste, weil der Rhythmus und die[102] Harmonie am meisten in das Innerste der Seele dringt und am stärksten sie erfaßt und Anstand bringt und anständig macht, wenn jemand darin richtig erzogen wird, – wo nicht, – das Gegenteil? Und weil hinwiederum der, welcher hierin erzogen ist, wie es sein soll, das Übersehene und von der Kunst oder der Natur nicht schön Ausgeführte am schärfsten wahrnimmt und mit gerechtem Widerwillen vor diesem das Schöne lobt und mit Freuden es in seine Seele aufnimmt und daran sich nährt und schön und gut wird, dagegen das Häßliche mit Rechttadelt und haßt schon, wenn er jung ist, ehe er noch Vernunft zu fassen imstande ist, wenn aber diese kommt, sie willkommen heißt, indem er sie wegen seiner Verwandtschaft mit ihr am ehesten erkennt, wenn er so erzogen ist?
Mir wenigstens scheint es, erwiderte er, daß um deswillen die Erziehung in der Musik stattfindet.
Gerade also, bemerkte ich, wie wir mit der Schrift damals genügend bekannt waren, als wir die wenigen Buchstaben in allem, worin sie vorkommen, zu erkennen wußten und weder in Kleinem noch in Großem sie mißachteten, als brauchte man sie nicht zu bemerken, sondern überall uns bemühten, sie zu unterscheiden, weil wir nicht eher Schriftkundige wären, bis wir uns auf dieser Stufe befänden.
Richtig.
Also auch die Bilder von Schriftzeichen, wenn sie uns etwa im Wasser oder in einem Spiegel sichtbar würden, werden wir nicht eher kennen, bis wir sie selbst kennen, sondern es gehört dies zu derselben Fertigkeit und Übung?
Allerdings.
So werden wir also, was ich meine, auf diese Weise, bei den Göttern, auch nicht eher musisch gebildet sein, weder wir selbst noch auch die, von welchen wir sagen, daß wir sie bilden müssen, die Wächter, – bis wir die Gestalten der Mäßigung und der Tapferkeit und des Freisinns und der Hochherzigkeit und alles, was diesen verschwistert ist, und andererseits das Gegenteil von diesen, überall, wo es vorkommt, erkennen und, wenn sie in etwas anderem sind, sie wahrnehmen, sowohl sie selbst als ihre Abbilder, und weder in Kleinem noch in Großem sie mißachten, sondern glauben, daß dies zu derselben Fertigkeit und Übung gehöre?[103]
Das ist ganz notwendig, bemerkte er.
Bei wem also, fuhr ich fort, sich trifft, daß in seiner Seele schöne Sitten sind und in seiner Gestalt diesen Entsprechendes und damit Übereinstimmendes, zu demselben Gepräge Gehöriges, – der wäre der schönste Anblick für den, der sehen kann?
Bei weitem.
Nun ist aber das Schönste doch wohl das Liebenswürdigste?
Natürlich.
Die Menschen also, die möglichst so beschaffen sind, wird der musisch Gebildete lieben; wenn aber jene Übereinstimmung nicht vorhanden ist, dann wird er nicht lieben?
Wenn, erwiderte er, an der Seele ein Mangel ist; wenn aber am Leibe, so wird er es ertragen, so daß er ihm dennoch freundlich sein mag.
Ich verstehe, sagte ich: du hast oder hattest einmal einen solchen Geliebten, und ich gebe es zu. Aber sage mir dies: Hat Besonnenheit Gemeinschaft mit übermäßiger Lust?
Wie sollte sie, antwortete er, da sie von Sinnen bringt nicht minder als die Trauer?
Aber mit sonstiger Tugend?
Keineswegs.
Wie aber mit Übermut und Zuchtlosigkeit?
Gar sehr.
Kannst du mir aber eine größere und heftigere Lust nennen als die der Liebe?
Nein, versetzte er, und auch keine wahnsinnigere.
Die rechte Liebe aber ist ihrem Wesen nach: einen Gesitteten und Schönen besonnen und musisch zu lieben?
Jawohl, sagte er.
Man darf also nichts Tolles und mit Zuchtlosigkeit Verwandtes zu der rechten Liebe hinzubringen?
Nein.
So darf man also diese Lust nicht hinzubringen, und es dürfen an dieser keinen Teil haben Liebhaber und Geliebte, die recht lieben und geliebt werden?
Nein, bei Zeus, Sokrates, man darf sie nicht hinzubringen, antwortete er.
Das also, scheint es, wirst du als Gesetz aufstellen in dem Staate, der gegründet wird, daß der Liebhaber den Geliebten[104] küssen dürfe und mit ihm Zusammensein und ihn berühren wie einen Sohn, um der Schönheit willen, wenn er ihn dazu bewegen kann; daß man im übrigen aber mit dem, den man verehre, so umzugehen habe, daß das Verhältnis nicht weiter als bis zu dieser Grenze zu gehen scheine; wo nicht, – so treffe ihn der Vorwurf der musischen Unfeinheit und der Unempfindlichkeit für das Schöne.
Sei's denn, erwiderte er.
Glaubst du nun nicht auch, bemerkte ich, daß unsere Erörterung über die Musenkunst zu Ende sei? Wenigstens das Ende, zu dem sie kommen muß, hat sie erreicht: es muß nämlich die Musenkunst enden in der Liebe des Schönen.
Einverstanden, erklärte er.
Nach der Musenkunst also muß man die Jugend erziehen durch Turnkunst.
Ganz gewiß.
Nun muß zwar auch diese von Kindheit an das ganze Leben lang sorgfältig getrieben werden; es verhält sich aber damit, wie ich glaube, folgendermaßen: Besinne auch du dich, denn mir scheint es nicht, als ob ein tüchtiger Leib durch seine eigene Tüchtigkeit die Seele gut machte, sondern daß umgekehrt eine gute Seele durch ihre Tüchtigkeit den Leib so gut wie möglich hinstellt; wie kommt es aber dir vor?
Ebenso, antwortete er.
Wenn wir also, nachdem wir die Gesinnung gehörig gepflegt, ihr überlassen, in betreff des Leibes die genaueren Bestimmungen zu treffen, und selbst nur die Umrisse angäben, um nicht weitläufig zu werden, so würden wir wohl richtig verfahren?
Allerdings.
Von der Trunkenheit nun also, haben wir gesagt, müssen die Wächter sich fernhalten; denn jedem eher als einem Wächter kann man gestatten, daß er vor Trunkenheit nicht weiß, wo zu Lande er ist.
Freilich, bemerkte er, ist es lächerlich, wenn der Wächter selbst einen Wächter braucht.
Und dann – wie steht es in betreff der Nahrung? Denn die Männer sind ja Ringer in dem größten Wettkampfe; oder nicht?[105]
O ja.
Wäre nun wohl die Lebensweise dieser bei ihren Übungen angemessen für jene?
Vielleicht.
Aber, wendete ich ein, diese macht ja schlafsüchtig und ist für die Gesundheit gefährlich; oder siehst du nicht, daß diese Ringer ihr Leben lang schlafen und, wenn sie nur ein wenig die vorgeschriebene Lebensart überschreiten, schwer und heftig erkranken?
Allerdings.
So bedarf es also, fuhr ich fort, einer feineren Vorbereitung für die kriegerischen Wettkämpfer, die ja wie Hunde wachsam sein müssen und ein möglichst scharfes Gesicht und Gehör haben und bei dem vielen Wechsel des Wassers und der übrigen Nahrungsmittel und der Hitze und Kälte, der sie in den Feldzügen ausgesetzt sind, keine leichtgefährdete Gesundheit haben dürfen.
Das ist mir klar.
So wäre denn also wohl die beste Turnkunst verschwistert mit der Musenkunst, die wir kurz zuvor beschrieben haben?
Wie meinst du das?
Halt eine einfache und geeignete Turnkunst, und besonders in dem, was sich auf den Krieg bezieht.
Wieso?
Schon von Homer, antwortete ich, kann man in dieser Beziehung lernen. Denn du weißt, daß er im Kriege die Helden bei ihren Schmausereien weder mit Fischen bewirtet, obgleich sie sich am Meere im Hellespontos befinden, noch mit gesottenem Fleisch, sondern ausschließlich mit gebratenem, was natürlich für Krieger am leichtesten zu bekommen sein wird; denn so ziemlich überall geht es leichter, das Feuer allein anzuwenden, als Gefäße mit herumzutragen.
Freilich.
Auch Gewürze, glaube ich, hat Homer nie erwähnt; oder wissen das nicht auch die andern Sportsleute, daß ein Leib, der sich wohlbefinden will, alles Derartigen sich enthalten muß?
Und sie tun recht daran, versetzte er, daß sie es wissen und sich enthalten.
Einen syrakusischen Tisch dagegen, mein Freund, und eine[106] sizilische Mannigfaltigkeit von Gerichten lobst du, scheint s, nicht, wenn du glaubst, daß jene daran recht tun.
Ich glaube nicht.
Du tadelst es also auch, wenn Männer, die eine gute Leibesbeschaffenheit haben sollen, ein korinthisches Mädchen liebhaben?
Allerdings.
Also auch die wohlbekannten Leckereien des attischen Backwerkes lehnst du ab?
Notwendig.
Denn ich glaube, wenn wir diese ganze Kost und Lebensart mit der Tonsetzung und dem Gesänge vergleichen, der alle Harmonien und alle Rhythmen aufbietet, so werden wir sie richtig vergleichen.
Sicherlich.
Dort nun hat die Mannigfaltigkeit Zügellosigkeit erzeugt und hier Krankheit, die Einfachheit aber in bezug auf die Musik in der Seele Mäßigung, und in bezug auf die Turnkunst in dem Leibe Gesundheit.
Ganz richtig, versetzte er.
Wenn nun aber in einem Staate Zügellosigkeit und Krankheiten überhandnehmen, tun sich da nicht viele Gerichtsstätten und Arzneiläden auf, und bekommt die Rechtskenntnis und Heilkunde Bedeutung, wenn sich auch viele Freie, und sehr angelegentlich, damit beschäftigen?
Wie sollten sie nicht?
Kann es aber einen schlagenderen Beweis von der schlechten und schimpflichen Erziehung in einem Gemeinwesen geben, als daß vorzügliche Ärzte und Richter nötig sind nicht allein für die unteren Stände und die Handwerker, sondern auch für solche, die dafür gelten wollen, daß sie auf eine eines Freien würdige Weise erzogen seien? Oder scheint es nicht schimpflich und ein schlagender Beweis von mangelnder Bildung, wenn man sich genötigt sieht, von andern, als seinen Gebietern und Richtern, Recht zu holen und daran sich zu halten, und das aus Mangel an eigenem?
Allerdings, erwiderte er, ist das die allergrößte Schande.
Scheint dir dies, fragte ich, noch schimpflicher als das, wenn einer nicht allein den größten Teil seines Lebens in Gerichtssälen[107] als Angeklagter und Ankläger sich herumtreibt, sondern vor Ungeschliffenheit sogar noch sich einbildet, damit großtun zu können, daß er stark sei im Unrechttun und geschickt, alle Schliche und Kniffe in Anwendung zu bringen und sich schlau hinauszuwinden, ohne bestraft zu werden, und das um kleiner und nichtswürdiger Dinge willen, ohne zu ahnen, wie viel schöner und besser es sei, sein Leben so einzurichten, daß man eines halbwachen Richters nicht bedarf?
Nein, antwortete er, sondern das letztere ist noch schimpflicher als jenes.
Und dann, fuhr ich fort, der Heilkunde zu bedürfen, wenn nicht etwa wegen Wunden oder Krankheiten, wie sie jedes Jahr vorkommen, sondern infolge von Faulheit und einer Lebensweise, wie wir sie beschrieben haben, mit Flüssen und Winden wie ein See sich zu füllen, daß die feinen Jünger des Asklepios genötigt sind, die Namen Blähungen und Katarrhe für die Krankheiten zu geben, – scheint dir das nicht schimpflich?
Allerdings, versetzte er, sind das in der Tat neue und wunderliche Krankheitsbezeichnungen.
Dergleichen es, sagte ich, zu Asklepios' Zeiten wohl nicht gab. Ich schließe das daraus, daß seine Söhne in Troia die Frau, welche dem verwundeten Eurypylos pramnischen Wein zu trinken gab, mit einem starken Zusatz von Gerstenmehl und eingeschabtem Käse vermischt, was doch für erhitzend gilt, nicht tadelten, noch den Patrokles, der ihn behandelte, darob schalten.
Freilich, entgegnete er, ist das ein wunderlicher Trank bei solchem Befinden.
Doch nicht, antwortete ich, wenn du bedenkst, daß diese Erziehungskunst der Krankheiten, die heutige Heilkunst, die Jünger des Asklepios vordem nicht anwandten, wie es heißt, bis zu der Zeit des Herodikos. Herodikos nämlich, der ein Turnlehrer war und kränklich wurde, mischte die Turnkunst und Heilkunst durcheinander und quälte damit zuerst und hauptsächlich sich selbst und später dann noch viele andere.
Wieso? fragte er.
Indem er, antwortete ich, sich das Sterben lang machte. Indem er nämlich dem Verlaufe der Krankheit nachging, die eine[108] tödliche war, konnte er, glaube ich, weder sich selbst heilen, noch hatte er für etwas mehr Zeit, sondern dokterte an sich herum sein Leben lang und quälte sich ab, ob er nicht die gewohnte Lebensweise überschreite, und erreichte so, infolge seiner Weisheit langsam sterbend, ein hohes Alter.
Da hat er denn einen schönen Lohn seiner Kunst davongetragen, bemerkte er.
Wie ihn der verdiente, versetzte ich, der nicht erkannte, daß Asklepios nicht aus Unwissenheit oder Unkenntnis dieser Art von Heilkunst sie seinen Nachkommen nicht gezeigt hat, sondern weil er wußte, daß bei allen, die unter guten Gesetzen leben, für jeden ein Geschäft im Staate angewiesen ist, das er notwendig treiben muß, und er keine Zeit hat, sein Leben lang krank zu sein und an sich herumdoktern zu lassen. Lächerlicherweise sehen wir das bei den Handwerkern ein, bei den Reichen aber und denen, die für glücklich gelten, bemerken wir es nicht.
Inwiefern? fragte er.
Ein Zimmermann, antwortete ich, wird, wenn er krank ist, von dem Arzte einen Trank begehren, um die Krankheit herauszubrechen, oder sie durch ein Abführungsmittel oder durch Brennen oder Schneiden los werden wollen; wenn ihm aber jemand eine kleinliche Lebensordnung vorschreibt und ihm Käppchen auf den Kopf setzt und was sonst noch dazu gehört, so wird er rasch antworten, daß er keine Zeit habe, krank zu sein, noch daß er Nutzen habe von einem solchen Leben, indem er immer an die Krankheit denke und sein Geschäft versäume. Und darauf wird er zu einem solchen Arzte »Gehorsamer Diener« sagen, zu seiner gewöhnlichen Lebensweise zurückkehren, genesen und am Leben bleiben und seine Geschäfte betreiben: ist aber sein Leib nicht imstande, es auszuhalten, so stirbt er und ist aller Mühe enthoben.
Freilich für einen solchen, versetzte er, scheint es angemessen, der Heilkunst sich in dieser Weise zu bedienen.
Nicht wahr, sagte ich, weil er ein Geschäft hatte, bei dessen Versäumung es für ihn nicht vorteilhaft war, am Leben zu bleiben?
Offenbar, erwiderte er.
Der Reiche dagegen hat, wie wir sagen, kein derartiges Geschäft[109] vor sich, daß er, wenn er genötigt ist, es aufzugeben, nicht mehr leben möchte.
Wenigstens nennt man keines der Art.
Da hörst du aber nicht, wie Phokylides spricht, entgegnete ich, daß, wer schon zu leben habe, Tugend üben müsse.
O ich denke, auch schon vorher, bemerkte er.
Wir wollen, sagte ich, hierüber mit ihm nicht streiten, sondern uns darüber belehren, ob dies der Reiche zu treiben habe und, wenn er es nicht tut, aufs Leben verzichten soll, oder ob das Pflegen der Krankheit zwar bei der Kunst des Zimmermanns und den übrigen Künsten ein Hindernis der Achtsamkeit ist, dagegen dem Gebote des Phokylides nicht im Wege steht?
O ja, beim Zeus, antwortete er, sie fast am allermeisten, diese übertriebene, über die Turnkunst hinausgehende Sorge für den Leib; denn auch für die Besorgung des Hauswesens und für Feldzüge und für Ämter daheim in der Stadt ist sie hinderlich.
Die Hauptsache aber ist, daß sie auch für jede Art von Lernen und Nachdenken und geistige Übungen beschwerlich ist, indem sie immer Anstrengung der Kopfnerven und Schwindel befürchtet und behauptet, daß das die Folge des Philosophierens sei, so daß, wo jene waltet, es schlechterdings der Tugend unmöglich ist, sich zu üben und zu bewähren; denn sie macht, daß man immer krank zu sein glaubt und niemals aufhört, mit dem Leibe Nöte zu haben.
Natürlich.
Wollen wir nun nicht annehmen, daß auch Asklepios dies erkannt und daher diejenigen, die in bezug auf Natur und Lebensweise gesunden Leibes sind, nur aber eine Krankheit abgesondert in sich haben, – für diese und für eine solche Beschaffenheit die Heilkunst gelehrt, durch Arzneimittel und Schneiden die Krankheiten auszutreiben und ihnen ihre gewöhnliche Lebensweise zu verordnen, um ihnen nicht in bürgerlicher Hinsicht Nachteil zu bringen; daß er dagegen nicht versucht, Leiber, die innerlich durch und durch krank sind, durch diätetische Behandlung allmählich abzuschöpfen und wieder aufzugießen und so dem Menschen ein langes und schlechtes Leben zu bereiten und Kindern von ihnen zur Welt zu helfen, die natürlich von derselben Beschaffenheit sind; sondern solche, die nicht imstande wären, in der Welt, wie sie ist, zu leben,[110] nicht heilen zu dürfen glaubt, da es weder ihnen noch einem Staate fromme?
Als einen rechten Staatsmann beschreibst du da den Asklepios, bemerkte er.
Offenbar, versetzte ich: und seine Söhne dürften beweisen, daß er ein solcher war. Oder siehst du nicht, wie sie sich auch in Troia als tapfere Krieger bewährten und die Heilkunst so, wie ich sage, anwandten? Oder erinnerst du dich nicht, daß sie auch dem Menelaos infolge der Wunde, die ihm Pandaros beigebracht,
Erst aussogen das Blut und mit linderndem Kraut sie bestrichen;
was er aber nachher essen oder trinken solle, haben sie ihm ebensowenig als dem Eurypylos vorgeschrieben, in der Überzeugung, daß die Arzneimittel hinreichend seien, um Männer zu heilen, die vor der Verwundung gesund und in ihrer Lebensweise geordnet gewesen, auch wenn sie etwa im Augenblick einen Mischtrank getrunken hätten? Daß aber ein von Natur Kränklicher und Zügelloser am Leben bleibe, das, glaubten sie, fromme weder diesen selbst noch den übrigen, und für diese dürfe ihre Kunst nicht sein und sie nicht heilen, auch wenn sie reicher wären als Midas.
Als sehr feine Köpfe beschreibst du da die Söhne des Asklepios, bemerkte er.
Wie es recht ist, versetzte ich. Indessen behaupten im Widerspruch mit uns die Tragödiendichter und Pindaros, Asklepios sei zwar Sohn des Apollon, habe sich jedoch durch Gold bestimmen lassen, einen schon dem Tode verfallenen reichen Mann zu heilen, und sei infolgedessen auch mit dem Blitze erschlagen worden. Wir aber werden ihnen nach dem bisher Gesagten nicht beides zugleich glauben, sondern wir werden sagen: War er ein Göttersohn, so war er nicht schmutzig geldgierig; im andern Falle war er eben kein Göttersohn.
So ist es auch ganz richtig, sagte er. Aber was hältst du, Sokrates von folgendem: Muß man nicht im Staate gute Ärzte haben, und sind solche nicht alle diejenigen, die die meisten Gesunden und die meisten Kränklichen unter den Händen gehabt haben? Und andererseits als Richter ebenso diejenigen, die mit mancherlei Naturen umgegangen sind?[111]
Allerdings, antwortete ich, meine ich gute; aber weißt du, welche ich für solche halte?
Wenn du es sagst, versetzte er.
So will ich's denn versuchen, sagte ich; du hast indessen zwei verschiedene Dinge in eine Frage zusammengeworfen.
Wieso? fragte er.
Ärzte, erwiderte ich, dürften am vollkommensten werden, wenn sie von Kindheit an neben dem Erlernen ihrer Kunst mit möglichst vielen und schlechten Leibern bekannt werden und selbst auch alle möglichen Krankheiten bekommen und nicht besonders gesund von Natur sind: denn nicht mit dem Leibe, denke ich, heilen sie den Leib – sonst hätte ihr Leib ja niemals schlecht sein und werden dürfen –, sondern den Leib mit der Seele, der es nicht möglich ist, wenn sie schlecht wurde und es ist, etwas gut zu heilen.
Das ist wahr, bemerkte er.
Dagegen ein Richter, mein Lieber, regiert mit der Seele die Seele, und diese darf nicht von klein an unter schlechten Seelen erzogen und mit ihnen umgegangen sein und alle Ungerechtigkeiten selbst verübt und durchgemacht haben, damit sie von sich selbst her scharf die Ungerechtigkeiten anderer erkenne, wie bei dem Leibe die Krankheiten, sondern sie muß in ihrer Jugend in schlechten Sitten unerfahren und dadurch ungetrübt geblieben sein, wenn sie später als eine schöne und gute das Gerechte gesund beurteilen soll. Daher erscheinen auch die Anständigen in ihrer Jugend einfältig und von den Ungerechten leicht zu betrügen, weil sie nämlich den Bösen ähnliche Vorbilder in sich selbst haben.
So geht es ihnen allerdings in hohem Grade, versetzte er.
So darf denn auch, fuhr ich fort, der gute Richter nicht ein Junger, sondern ein Alter sein, der erst spät kennengelernt hat, was die Ungerechtigkeit für ein Ding ist: nicht indem er sie als seine eigene in seiner Seele inwohnend erkannt hat, sondern weil er sie als fremde an fremden Seelen lange Zeit hindurch studiert und sich überzeugt hat, was für ein Übel sie ist, durch Anwendung von Wissenschaft, nicht von eigener Erfahrung.
Wenigstens, sagte er, scheint ein solcher Richter der edelste zu sein.[112]
Und auch ein guter, setzte ich hinzu, und danach hast du ja gefragt: denn wer eine gute Seele hat, ist gut. Jener Geschickte aber und Argwöhnische, der selbst viele Ungerechtigkeiten begangen hat und sich für abgefeimt und weise hält, scheint, wenn er mit Ähnlichen zusammentrifft, geschickt, denn er ist vorsichtig, indem er auf die Vorbilder in sich selbst hinblickt; wenn er jedoch dann mit Guten und Älteren zusammenkommt, so erscheint er andererseits als unverständig, indem er unzeitiges Mißtrauen hegt und eine gesunde Denkart nicht versteht, weil er von solcher kein Vorbild in sich hat. Da er indessen häufiger mit Schlechten als mit Rechtschaffenen zu tun hat, so erscheint er mehr weise als töricht sich selbst und andern.
Das ist allerdings wahr, bemerkte er.
Nicht einen solchen also, sagte ich, müssen wir als guten und weisen Richter suchen, sondern den früheren; denn die Schlechtigkeit wird nimmermehr weder die Tugend noch sich selbst kennenlernen; wohl aber wird die Tugend, wenn ihre Natur lange Zeit gebildet wird, zugleich von sich selbst und von der Schlechtigkeit Kenntnis erlangen. Weise also wird, wie mir scheint, dieser, nicht aber der Schlechte.
Auch ich bin damit einverstanden, erklärte er.
Also auch die Heilkunst, wie wir sie beschrieben haben, wirst du mit einer derartigen Richterkunst im Staate einführen, die dir die wohlgearteten Bürger an Leib und Seele heilen werden, die entgegengesetzten aber, wenn sie in bezug auf den Leib so sind, sterben lassen, und die in bezug auf die Seele schlechtgearteten und unheilbaren selbst töten werden?
Wenigstens wäre das, meinte er, offenbar das Beste, sowohl für die selbst, die es erleiden, als für den Staat.
Die Jünglinge aber, fuhr ich fort, werden sich offenbar sorgsam davor hüten, die Richterkunst zu benötigen, indem sie sich an jene einfache Musik halten, von der wir ja gesagt haben, daß sie Besonnenheit erzeuge.
Sicherlich, erwiderte er.
Wird nun nicht der Musikkundige, auf diesen nämlichen Spuren der Turnkunst nachgehend, falls er will, es dahin bringen, daß er in nichts der Heilkunst bedarf, außer wo es notwendig ist![113]
Mir scheint es so.
Die Übungen selbst aber und die Anstrengungen wird er mehr im Hinblick auf das Muthafte seines Wesens und dieses weckend betreiben als im Hinblick auf Körperkraft; nicht aber wird er, wie sonst die Wettkämpfer, Nahrung zu sich und Anstrengungen auf sich nehmen, um stark zu werden.
Vollkommen richtig, sagte er.
Haben nun also, sprach ich, o Glaukon, auch die, welche die Bildung durch Musenkunst und Turnkunst einführten, dies nicht aus dem Grunde eingeführt, den einige für den richtigen halten, damit die zu Erziehenden durch die eine am Leibe, durch die andere an der Seele gepflegt würden?
Aber warum denn? fragte er.
Sie scheinen, bemerkte ich, beides in der Hauptsache um der Seele willen eingeführt zu haben.
Wieso?
Bemerkst du nicht, sprach ich, wie eben an Gesinnung diejenigen werden, die ihr Leben lang mit der Turnkunst sich befaßt, Musik aber nicht berührt haben? Oder welche in der entgegengesetzten Lage waren?
In welcher Beziehung meinst du? fragte er.
In Bezug auf Heftigkeit und Härte einerseits, und andererseits auf Weichheit und Milde, versetzte ich.
Freilich, erwiderte er; die, welche sich an die Turnkunst ungemischt halten, fallen davon heftiger aus, als recht ist; andererseits die, welche sich nur an die Musik halten, werden weichlicher, als wie es für sie schön ist.
Und wirklich, versetzte ich, wird das Heftige von dem Muthaften der Naturanlage ausgehen und, recht gezogen, Mannhaftigkeit sein, über die Gebühr aber angespannt begreiflicherweise Härte und Herbigkeit werden.
Einverstanden, erwiderte er.
Und wie? Das Milde, – wird es nicht der weisheits liebenden Naturanlage anhaften? Und wenn es zu sehr abgespannt wird, so wird es über Gebühr weichlich sein, gehörig gezogen aber mild und anständig?
So ist's.
Von den Wächtern nun sagen wir, daß sie diese beiden Naturanlagen haben müssen?[114]
Freilich müssen sie.
Also müssen sie zu einander in das rechte Verhältnis gesetzt werden?
Natürlich.
Und bei wem sie im rechten Verhältnisse sind, dessen Seele ist besonnen und mannhaft?
Allerdings.
Bei wem sie aber nicht im rechten Verhältnisse sind, bei dem ist sie feig und ungeschliffen?
Sicherlich.
Wenn nun also jemand der Musik gestattet, seine Seele durch die Ohren wie durch einen Trichter zu übergießen und zu überflöten mit den soeben von uns genannten süßen und weichlichen und klagenden Tonarten, und wenn er sein ganzes Leben wimmernd und durch den Gesang in Entzücken versetzt hinbringt, so wird ein solcher zuerst das Muthafte, was er etwa hat, wie Eisen erweichen und aus einem Unbrauchbaren und Harten zu einem Brauchbaren machen; wenn er aber nicht abläßt, darauf zu hören, sondern im Zauber bleibt, da beginnt schon ein Schmelzen und Zerlassen, bis er den Mut herausgeschmolzen und aus seiner Seele gleichsam die Sehnen herausgeschnitten und einen weichlichen Kriegsmann hervorgebracht hat.
Allerdings, versetzte er.
Und falls er nun, fuhr ich fort, von Anfang an eine von Natur mutlose Seele bekommen hat, so wird er dies schnell zustande bringen; falls aber eine muthafte, so macht er den Mut schwächlich und bringt ihn aus dem Gleichgewicht, so daß er (der Mut) aus Anlaß von Kleinigkeiten rasch gereizt und rasch gelöscht wird; leidenschaftlich und jähzornig sind sie dann aus einem Muthaften geworden, voll mürrischen Wesens.
Allerdings vollkommen.
Und wie? Wenn er andererseits mit der Turnkunst sich viel anstrengt und das Essen sich tüchtig schmecken läßt, mit Musenkunst aber und Weisheitsliebe sich nicht befaßt, – wird er nicht zuerst bei körperlichem Wohlbefinden voll Entschlossenheit und Mutes werden und an Mannhaftigkeit sich selbst überbieten?
Allerdings.[115]
Wie aber? Wenn er nichts anderes tut und mit der Muse sich in keinerlei Gemeinschaft setzt, – wird nicht das Lernbegierige in seiner Seele, wenn dergleichen überhaupt darin vorhanden war, infolge davon daß es weder einen Wissensgegenstand irgend zu kosten bekommt noch eine Untersuchung, und weder einer Rede teilhaftig wird noch sonst einer Musenkunst, schwach und taub und blind werden, weil es nicht geweckt und genährt und auch ihren Empfindungen keine Läuterung zuteil wird?
So ist es, versetzte er.
Ein Feind der Rede wird denn also, glaube ich, ein solcher werden, und den Musen abgekehrt, und von der Überredung durch Worte macht er in nichts mehr Anwendung; sondern mit Gewalt und Heftigkeit, gleich einem wilden Tiere, geht er bei allem zu Werke und lebt in Unwissenheit und Plumpheit, ohne Ebenmaß und Anmut.
Vollkommen, bemerkte er, verhält es sich so.
Für dieses beides also, wie es scheint, möchte ich behaupten, daß ein Gott den Menschen die beiden Künste gegeben habe, die Musenkunst und die Turnkunst, für das Muthafte und Weisheitsliebende, nicht für Seele und Leib, außer etwa nebenbei, sondern für jene beiden, damit sie zu einander in das rechte Verhältnis gesetzt werden, durch Anspannen und Nachlassen bis zu dem gehörigen Maße.
So scheint es allerdings, sagte er.
Von demjenigen also, der am schönsten die Turnkunst mit der Musenkunst mischt und sie in dem besten Maße der Seele zuführt, von dem werden wir mit vollstem Rechte sagen, er sei vollkommen im höchsten Grade musikkundig und wohlgestimmt, viel mehr als derjenige, der die Saiten unter einander zusammenordnet?
Natürlich, o Sokrates, erwiderte er.
So werden wir also, mein Glaukon, auch in dem Staate immer eines solchen Vorstehers bedürfen, wenn die Verfassung bestehen bleiben soll?
Freilich werden wir seiner bedürfen, so sehr als nur möglich.
Dies wären denn also die Richtlinien für die Bildung und Erziehung. Denn die Reigentänze von solchen Leuten, – wozu sollte man sie durchgehen, und ihre Jagden und Tierhetzen[116] und ihre Wettkämpfe zu Fuß und zu Roß? Denn es ist doch wohl so ziemlich klar, daß sie jenem entsprechend sein müssen, und es ist nicht mehr schwierig, sie zu finden.
Vermutlich, bemerkte er, sind sie nicht schwierig.
Gut denn, sagte ich: was werden wir nun wohl nach diesem zu bestimmen haben? Nicht das, wer unter eben diesen regieren und sich regieren lassen wird?
Sicherlich.
Daß nun Altere die Regierenden sein müssen, Jüngere aber die Regierten, ist klar?
Allerdings.
Und daß es die Vorzüglichsten unter ihnen sein müssen?
Auch dies.
Unter den Landleuten sind da die vorzüglichsten nicht die im Ackerbau geschicktesten?
Ja.
Jetzt aber, da es ja unter den Wächtern die Vorzüglichsten sein müssen, nicht die im Bewachen des Staates Geschicktesten?
Ja.
Müssen sie nicht also für diesen Zweck Einsicht haben und Fähigkeit und überdies Sorgsamkeit für den Staat?
Es ist so.
Sorgsamkeit aber wird einer am meisten für dasjenige haben, was er liebt?
Notwendig.
Und lieben wird einer am meisten dasjenige, von dem er glaubt, daß diesem das nämliche zuträglich sei wie ihm selbst, und wenn bei dessen Wohlbefinden er selbst auch am meisten Wohlbefinden zu erlangen glaubt, – wo nicht, so das Gegenteil?
So ist es, sprach er.
Auslesen muß man also aus den übrigen Wächtern solche Männer, von denen wir bei näherer Betrachtung gewahren, daß sie am ehesten ihr ganzes Leben lang dasjenige, was sie dem Staate für zuträglich halten, mit allem Eifer tun, was aber nicht zuträglich ist, das in keiner Weise ausführen möchten.
Freilich sind solche geeignet, bemerkte er.
Es scheint mir nun, man müsse sie beobachten auf allen Altersstufen, ob sie geschickt sind, diesen Grundsatz zu bewachen[117] und weder durch Bezauberung noch durch Gewalttat den Glauben, daß sie tun müssen, was für den Staat das Beste ist, vergessen und aus der Seele verstoßen.
Was meinst du mit diesem »Verstoßen«? fragte er.
Ich will es dir sagen. Es scheint mir, daß eine Ansicht aus dem Sinne gehe entweder freiwillig oder unfreiwillig: freiwillig die falsche, wenn man eines Besseren belehrt wird, unfreiwillig aber jede wahre.
Das von der freiwilligen, sagte er, verstehe ich; dagegen das von der unfreiwilligen wünsche ich verstehen zu lernen.
Wie ist's denn? sprach ich; bist nicht auch du der Meinung, daß des Guten die Menschen unfreiwillig beraubt werden, des Schlechten aber freiwillig? Oder ist es nicht etwas Schlechtes, um die Wahrheit getäuscht zu sein, die Wahrheit zu besitzen aber ist etwas Gutes? Oder meinst du nicht, das, was wirklich ist, zu glauben, heiße die Wahrheit besitzen?
Du hast freilich recht, erwiderte er, und ich glaube, daß sie nur unfreiwillig der wahren Ansicht beraubt werden.
Sind sie nun nicht in dieser Lage, wenn sie bestohlen oder bezaubert werden oder Gewalt erleiden?
Noch immer, sagte er, verstehe ich nicht.
Es scheint, versetzte ich, ich rede im Tragödiensti le. Mit dem Bestohlenwerden meine ich, daß man auf eine andere Ansicht gebracht wird oder vergißt, weil in dem einen Falle die Zeit, im andern die Rede unvermerkt etwas wegnimmt. Jetzt verstehst du doch wohl?
Ja.
Nun denn, mit dem Gewalterleiden meine ich, daß ein Leiden oder Schmerz sie auf eine andere Ansicht bringt.
Auch das, erklärte er, habe ich verstanden und gebe dir recht.
Als bezaubert aber wirst wohl auch du, denke ich, diejenigen erkennen, die ihre Ansicht ändern entweder infolge einer Lust, die sie berückt, oder infolge von Angst, indem sie etwas fürchten.
Es scheint allerdings, versetzte er, daß alles, was irgend betrügt, bezaubert.
Was ich nun also vorhin sagte, – man muß suchen, welches die vorzüglichsten Wächter sind für den bei ihnen waltenden Grundsatz, daß dasjenige zu tun sei, was sie immer für den[118] Staat als das Beste für sie zu tun erkennen. Beobachten muß man sie denn gleich von Kindheit auf, indem man ihnen Handlungen aufgibt, bei denen man am ehesten wohl etwas Derartiges vergessen und darum betrogen werden könnte, und denjenigen, der es behält und sich schwer betrügen läßt, muß man auswählen, wer aber nicht, den muß man verwerfen: nicht wahr?
Ja.
Und andererseits, Beschwerden und Schmerzen und Kämpfe muß man ihnen festsetzen, bei denen dieses nämliche beobachtet werden muß.
Richtig, sagte er.
So muß man also, fuhr ich fort, auch in der dritten Gattung, der Bezauberung, ihnen einen Wettkampf veranstalten und dabei zuschauen, wie man junge Rosse zu Geräusch und Lärm führt und zusieht, ob sie schreckhaft sind, so auch jene in ihrer Jugend in irgend welche Schrecknisse bringen und andererseits in Genüsse versetzen, indem man sie prüft – weit strenger als das Gold im Feuer –, ob einer schwer zu bezaubern ist und von guter Haltung sich bei allem erweist, als ein guter Wächter von sich selbst und von der Musik, die er gelernt hat, indem er sich in allen diesen Lagen wohlgemessen und wohlgestimmt zeigt, so wie er ja sich selbst sowohl wie dem Staate den größten Vorteil bringen würde. Und den, der immer, unter den Knaben und den Jünglingen und den Männern, die Probe besteht und sich als echt ergibt, den muß man zum Lenker des Staates bestellen und zum Wächter, und ihn mit Ehren begaben im Leben und nach seinem Tode, indem man ihm mit Grabstätten und sonstigen Denkmälern die höchsten Auszeichnungen zuerteilt; wer aber nicht von dieser Art ist, den muß man verwerfen. Von dieser Art ungefähr, sagte ich, scheint mir, o Glaukon, die Auswahl und Bestellung der Regierenden und Wächter zu sein, um es in den allgemeinen Umrissen, nicht im genauen Einzelnen, darzustellen.
Auch mir, versetzte er, kommt es so etwa vor.
Ist es nun nicht in Wahrheit ganz richtig, diese als vollkommene Wächter zu bezeichnen, sowohl der Feinde von außen als der Befreundeten innen, damit diese nicht Lust, jene nicht Macht bekommen. Schlechtes zu tun, die Jünglinge aber, die wir[119] soeben Wächter nannten, als Beistände und Helfer für die Beschlüsse der Regierenden?
Mir scheint es so, versetzte er.
Was hätten wir nun, sagte ich, für eine Möglichkeit, um einer recht tüchtigen Lüge aus der Gattung der erlaubten, von denen wir früher sprachen, Glauben zu verschaffen am liebsten bei den Regierenden selbst, – wo nicht, so beim übrigen Staate?
Was für einer? fragte er.
Ja nichts Neues, antwortete ich, sondern etwas Phoinikisches, das schon früher oftmals vorgekommen ist, wie die Dichter sagen und dabei Glauben gefunden haben, was aber zu unserer Zeit nicht vorgekommen ist, und ich weiß auch nicht, ob es vorkommen könnte; und davon zu überzeugen erfordert große Überredungskunst.
Sieht es doch aus, bemerkte er, als ob du dich scheuest zu sprechen!
Du wirst aber, versetzte ich, sagen, daß ich ganz mit Recht mich scheue, sobald ich es ausspreche.
Sprich nur, sagte er, und fürchte dich nicht!
So will ich's denn sagen, wiewohl ich nicht weiß, wo ich die Kühnheit oder die Worte dazu hernehmen soll, und ich will versuchen, zuerst die Regierenden selbst zu überreden und die Krieger, dann auch den übrigen Staat, daß alles, was wir zu ihrer Erziehung und Bildung taten, wie im Traume ihnen zu widerfahren und an ihnen vorzugehen schien, während sie in Wirklichkeit unter der Erde innen geformt und aufgezogen wurden, sie selbst und ihre Waffen und das übrige Gerät von des Werkmeisters Hand, und daß, als sie ganz fertig waren, die Erde, ihre Mutter, sie heraufsandte, und daß sie nun dem Lande, in dem sie sind, als ihrer Mutter und Erzieherin, mit Rat und Tat beistehen müssen, wenn jemand es angreift: und gegen die übrigen Bürger müßten sie wie gegen ihre Brüder und ebenfalls Erdentsprossene gesinnt sein.
Nicht ohne Grund, versetzte er, hast du dich so lange geschämt, die Lüge vorzutragen.
Freilich mit Recht, erwiderte ich; dennoch höre auch noch den Rest des Märchens! Ihr seid nun zwar alle, die ihr in dem Gemeinwesen seid, Brüder, – so werden wir in dem Märchen[120] fortfahrend zu ihnen sprechen –, aber der Gott, der euch formte, hat denen, welche zu regieren geschickt sind, bei ihrem Werden Gold beigemischt, und deswegen haben sie vorzüglichen Wert, allen Helfen aber Silber, und Eisen und Erz den Landleuten und übrigen Handwerkern. Als Stammesgenossen werdet ihr meist euch selbst ähnliche Kinder zeugen; manchmal kann aber auch aus Gold ein silberner Nachkomme und aus Silber ein eherner gezeugt werden, und so auch die andern alle von einander. Den Regierenden nun gebietet der Gott zuerst und zumeist, daß sie über nichts so gute Wächter seien und auf nichts so sorgfältig achten wie auf ihre Nachkommen, was von diesen Stoffen ihren Seelen beigemischt ist, und falls ein Nachkomme von ihnen erzhaltig oder eisenhaltig geworden, so werden sie schlechterdings kein Mitleid mit ihm haben, sondern ihm die seiner Natur zukommende Stellung zuteilen und ihn unter die Handwerker oder Landleute stoßen; und wenn andererseits aus deren Mitte ein gold- oder silberhaltiger geboren wird, so werden sie ihn ehren und teils unter die Wächter, teils unter die Heller befördern, weil ein Götterspruch besage, daß dann das Gemeinwesen verloren sei, wenn Eisen oder Erz es bewache. Daß nun dieses Märchen bei ihnen Glauben fände, siehst du dazu eine Möglichkeit?
Bei diesen selbst, erwiderte er, schlechterdings nicht; jedoch bei ihren Söhnen und deren Nachkommen und den anderen Menschen der Zukunft.
Aber auch dies, versetzte ich, wäre gut, in der Hinsicht, daß sie mehr für das Gemeinwesen und für einander Sorge trügen; denn ich verstehe ungefähr, was du meinst. – Nun, dies wird gehen, wie die Sache es leiten wird. Wir aber wollen diese Erdentsprossenen bewaffnen und vorführen, die Regierenden an ihrer Spitze. Angekommen sollen sie zusehen, welcher Ort in der Stadt zum Lagern am geeignetsten ist, von wo aus sie die drinnen am ehesten im Zaume halten können, wenn einer den Gesetzen nicht gehorchen will, und den von außen Kommenden abwehren, wenn ein Feind wie ein Wolf die Herde angreifen sollte. Haben sie ein Lager aufgeschlagen und geopfert, wem sich's gebührt, so sollen sie sich Liegestätten errichten; oder was sonst?[121]
Dieses, erwiderte er.
Also solche, die zureichend sind, im Winter und Sommer Schutz zu gewähren?
Natürlich, versetzte er; denn Behausungen scheinst du mir zu meinen.
Ja, antwortete ich, aber für Krieger, nicht für Geldmänner.
Wie meinst du hinwiederum, daß diese sich von jenen unterscheiden? fragte er.
Ich will versuchen, es dir zu sagen, war meine Antwort. Das Allerärgste und die größte Schande für Hirten ist wohl, wenn sie als Helfer der Herde solche Hunde und in solcher Weise halten, daß diese aus Zügellosigkeit oder Hunger oder einer sonstigen übeln Angewöhnung selbst den Schafen Böses anzutun suchen und Wölfen gleichen, statt Hunden?
Freilich ist das arg, versetzte er.
So muß man denn auf alle Weise darauf achten, daß uns die Helfer es nicht den Bürgern so machen, weil sie diesen überlegen sind, und statt wohlwollender Bundesgenossen wilden Herrschern ähnlich werden?
Das muß man, antwortete er.
Nun wären sie aber doch wohl mit der größten möglichen Vorsicht ausgestattet, wenn sie in Wahrheit gut gebildet sind?
Aber sie sind es ja doch, bemerkte er.
Da sagte ich: Das dürfen wir nicht so fest behaupten, mein lieber Glaukon; was wir jedoch eben aufstellten, das dürfen wir, daß sie die rechte Bildung erhalten müssen, mag diese sein, welche sie will, wenn sie die Hauptsache besitzen sollen in bezug auf das Mildsein unter sich und gegen die von ihnen Bewachten.
Das ist richtig, versetzte er.
Außer dieser Bildung nun wird ein Verständiger behaupten, daß auch ihre Behausungen und das, was sie sonst haben, so eingerichtet sein müssen, daß es weder die Wächter selbst hindert, möglichst gut zu sein, noch sie verführt, den übrigen Bürgern Schlechtes zu tun.
Und das wird er mit Recht behaupten.
So sieh denn zu, fuhr ich fort, ob sie in folgender Weise etwa wohnen und leben möchten, wenn sie so beschaffen sein sollen: Fürs erste soll keiner irgend etwas als sein Eigentum besitzen,[122] wofern es nicht ganz notwendig ist; sodann soll keiner eine solche Wohnung und Vorratskammer haben, in die nicht jeder, der will, einträte; alles zum Leben Erforderliche aber, was besonnene und tapfere für den Krieg bestimmte Kämpfer bedürfen, sollen sie ratenweise von den übrigen Bürgern empfangen als Lohn des Bewachens, in solchem Maße, daß sie weder für das Jahr etwas übrig haben noch Mangel leiden; und sie sollen gemeinsame Mahlzeiten besuchen und, wie auf einem Feldzuge befindlich, gemeinschaftlich leben. Gold und Silber aber, soll man ihnen sagen, haben sie göttliches von Göttern immer in ihrer Seele und bedürfen des menschlichen nicht; auch sei es eine Sünde, den Besitz von jenem mit dem des sterblichen Goldes zu vermischen und zu besudeln, weil viel Sündhaftes mit dem gewöhnlichen Gelde geschehen sei, das in ihnen aber unbefleckt sei; vielmehr soll ihnen allein im Staate nicht erlaubt sein, Gold und Silber in die Hand zu nehmen und zu berühren noch unter einem Dache damit zu sein oder es sich umzuhängen, noch aus Silber oder Gold zu trinken. Und auf diese Weise könnten sie erhalten werden und den Staat erhalten: wenn sie aber selbst eigenes Land und Häuser und Geld besitzen, so werden sie Hauswirte und Ackerbauer sein, statt Wächter, und werden den übrigen Bürgern feindselige Herrscher werden, statt Bundesgenossen, und werden denn hassend und gehaßt, Nachstellungen bereitend und Nachstellungen erleidend ihr ganzes Leben verbringen, viel häufiger und mehr die innern als die äußern Feinde fürchtend, und dann schon ganz nahe am Verderben hinrennen, sie selbst und der übrige Staat. Wollen wir nun, sprach ich, aus allen diesen Gründen behaupten, daß die Wächter so eingerichtet sein müssen in bezug auf Wohnung und das übrige, und wollen wir das als Gesetz aufstellen oder nicht? Allerdings, antwortete Glaukon.
Ausgewählte Ausgaben von
Der Staat
|
Buchempfehlung
Drei Erzählungen aus den »Neuen Dorf- und Schloßgeschichten«, die 1886 erschienen.
64 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro