§ 22. Vom unmittelbaren Objekt.

[100] Die Sinnesempfindungen des Leibes also sind es, welche die Data zur allerersten Anwendung des Kausalgesetzes abgeben, aus welcher eben dadurch die Anschauung dieser Klasse von Objekten entsteht, die folglich ihr Wesen und Daseyn nur vermöge und in der Ausübung der also eingetretenen Verstandesfunktion hat.

Insofern nun der organische Leib der Ausgangspunkt für die Anschauung aller andern Objekte, also das diese Vermittelnde ist, hatte ich ihn, in der ersten Auflage dieser Abhandlung, das unmittelbare Objekt genannt; welcher Ausdruck jedoch nur in sehr uneigentlichem Verstande gelten kann. Denn, obwohl die Wahrnehmung seiner Empfindungen eine schlechthin unmittelbare ist; so stellt doch er selbst sich dadurch noch gar nicht als Objekt dar; sondern soweit bleibt Alles noch subjektiv, nämlich Empfindung. Von dieser geht die Anschauung der übrigen Objekte, als Ursachen solcher Empfindungen, allerdings aus,[100] worauf jene sich als Objekte darstellen; nicht aber er selbst: denn er liefert hiebei dem Bewußtsein bloße Empfindungen. Objektiv, also als Objekt, wird auch er allein mittelbar erkannt, indem er, gleich allen andern Objekten, sich im Verstande, oder Gehirn (welches Eins ist), als erkannte Ursache subjektiv gegebener Wirkung und eben dadurch objektiv darstellt; welches nur dadurch geschehn kann, daß seine Theile auf seine eigenen Sinne wirken, also das Auge den Leib sieht, die Hand ihn betastet, u.s.f., als auf welche Data das Gehirn, oder Verstand, auch ihn, gleich andern Objekten, seiner Gestalt und Beschaffenheit nach, räumlich konstruirt. – Die unmittelbare Gegenwart der Vorstellungen dieser Klasse im Bewußtseyn hängt demnach ab von der Stellung, welche sie, in der Alles verbindenden Verkettung der Ursachen und Wirkungen, zu dem jedesmaligen Leibe des Alles erkennenden Subjekts erhalten.

Quelle:
Arthur Schopenhauer. Zürcher Ausgabe. Werke in zehn Bänden. Band 5, Zürich 1977, S. 100-101.
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