§ 31. Empirische Wahrheit.

[123] Eine Vorstellung der ersten Klasse, also eine durch die Sinne vermittelte Anschauung, mithin Erfahrung, kann Grund eines Urtheils seyn: dann hat das Urtheil materiale Wahrheit, und zwar ist diese, sofern das Urtheil sich unmittelbar auf die Erfahrung gründet, empirische Wahrheit.

Ein Urtheil hat materiale Wahrheit, heißt überhaupt: seine Begriffe sind so mit einander verbunden, getrennt, eingeschränkt, wie es die anschaulichen Vorstellungen, durch die es begründet wird, mit sich bringen und erfordern. Dies zu[123] erkennen ist unmittelbar Sache der Urtheilskraft, als welche, wie gesagt, das Vermittelnde zwischen dem anschauenden und dem abstrakten, oder diskursiven Erkenntnißvermögen, also zwischen Verstand und Vernunft, ist.

Quelle:
Arthur Schopenhauer. Zürcher Ausgabe. Werke in zehn Bänden. Band 5, Zürich 1977, S. 123-124.
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Über die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde /Über den Willen der Natur