[104] Der Plan zu diesem Buche geht davon aus, daß es eine Reihe von Werken eröffnen soll, welche geschichtliche Probleme Asiens behandeln. Infolgedessen halte ich es für richtig, hier nicht die bisherigen Ergebnisse zusammenzufassen, was den folgenden Schriften vorbehalten bleiben muß, sondern den ganzen Komplex von halb oder gar nicht gelösten Fragen, neuen Methoden, überraschenden Ausblicken und Zielen zu entwickeln, so daß die künftige Forschung ihr Feld wenigstens in großen Umrissen überblicken kann. Deshalb werde ich meine eigene Meinung zurücktreten lassen, um gerade die Vielzahl der herrschenden Meinungen in ihrer ganzen Bedeutung herauszustellen.
A. Im ersten Kapitel würde die primitive Kultur des ältesten Asien darzulegen sein. Die Begriffe Altertum, Mittelalter und Neuzeit verschwinden dabei völlig am westlichen Horizont. In diesem Zeitalter beginnen sich langsam einige große Kulturkreise abzuklären.[105]
In allen drei Kreisen würden die uralten, ewigen Verkehrsbahnen zu untersuchen sein, teils längs der Küsten (Ursprung der Schiffahrt), teils durch die großen Lichtungen der binnenländischen Waldmassen und Gebirge (Entstehung des Wagens). Diese Straßen entstehen als Handelsbahnen vor allem für Metalle, Bernstein und kostbare Waffen; einmal entdeckt und in Gebrauch genommen, leiten sie auch die Völkerwanderungen, die sich so vorwärtstasten müssen, daß die Gefahr des Verhungerns oder Verirrens vermieden wird.
B. Gegen Ende des 4. Jahrtausends beginnen die beiden frühesten Hochkulturen am Nil und Euphrat, wahrscheinlich auf einem gemeinsamen steinzeitlichen Unterbau mit einer Entwicklungsrichtung, die vom Süden her zum Mittelländischen und Schwarzen Meere dauernd fortzuwirken scheint. Vom Ende des 3. Jahrtausends an wird eine Ausstrahlung reifer Formen (Mythus, Himmelskunde, Technik, Wirtschaft, Bewaffnung, Kunst?) längs der alten Handelsbahnen bemerkbar, sicherlich einerseits bis zum Sudan, andererseits bis zum hohen Norden und Osten hin.
C. Mit dem Altwerden dieser beiden Kulturen tritt ganz Asien um die Mitte des 2. Jahrtausends in ein Zeitalter mächtiger Umwälzungen ein. Eine große Bewegung erfolgt aus dem Nordkreis allenthalben nach Süden:
Das Pferd; die ganz neue Beweglichkeit kleiner kriegerischer Stämme; Lust an Abenteuern, Ritterlichkeit, Weltanschauung einer Herrenschicht, die sich gleichzeitig in den alten Clanen,[106] der indoiranischen Ritterschaft, dem homerischen Heldentum zu großen Formen entwickelt.
D. Diese gleichartigen Entwicklungen müssen bis etwa 300 v. Chr. herabgeführt werden. Zwischen ihnen besteht aber noch die Brücke der mittelasiatisch-skythischen Bevölkerung; eine Menge dunkler Fragen über die Schicksale dieses ungeheuren Bereichs von der Donau bis zum Amur und Bramahputra. Was für Rassen? Was für Sprachen? Was für wechselnde Zusammenfassungen in Völkerschaften? Skythen, Kimmerier (Tataren?), Tocharer, Hunnen?
E. Seit dem 4. vorchristlichen Jahrhundert die drei großen Zivilisationen, weithin ausstrahlend und ebenso gegenseitig empfänglich für fremdartige Reize (Bild der hellenistischen, indischen, chinesischen Großstädte). Dabei ein Vorwiegen der westöstlichen Richtung.[107]
F. Abschluß.[108] Im äußersten Westen eine neue Kultur auf dem Unterbau der Ergebnisse der Völkerwanderung. In Vorderasien Abschluß der magischen Kultur durch die zusammenfassende Kraft des Islam in seiner endgültigen Form des 8. und 9. Jahrhunderts. Neue gewaltige Religionsstürme, welche den Islam nach Spanien, dem Sudan, Indien und China tragen und die älteren Religionen großenteils in ihm aufgehen lassen. Abschluß im Kalifenreich.
Als letztes großes Ereignis, welches das heutige Bild Asiens geschaffen hat, der Mongolensturm unter Dschingiskhan, ein Ereignis, dem wahrscheinlich seit Jahrtausenden ähnliche voraufgegangen sind, von denen wir nur die Wirkungen, nicht die Ursachen erkennen (Kimmerier, mittelasiatische Stämme, welche die Indo-Arier und mykenischen Völker in Bewegung gesetzt haben?). Der Mongolensturm bringt die Mongolenherrschaft in Indien, die Fremddynastien Ostasiens, die Sultanate im Westen, die Khanate in Rußland zur Entwicklung. Asien wird endgültig ein mit Kulturruinen übersätes Gebiet unter wechselnden Machthabern, während sich im fernsten Westen ein großes historisches Geschehen vorbereitet.
Dieser Überblick hat in der geplanten gedrängten Form nur dann einen Sinn, wenn alle Einzelfragen durch die folgenden Bände aufgenommen und von dem Stande unseres Wissens aus beleuchtet werden. Auch hier müssen die einzelnen Probleme durch eine kleine vorsichtige Auswahl von Bildern und Karten verdeutlicht werden.
Ausgewählte Ausgaben von
Reden und Aufsätze
|
Buchempfehlung
Schon der Titel, der auch damals kein geläufiges Synonym für »Autobiografie« war, zeigt den skurril humorvollen Stil des Autors Jean Paul, der in den letzten Jahren vor seiner Erblindung seine Jugenderinnerungen aufgeschrieben und in drei »Vorlesungen« angeordnet hat. »Ich bin ein Ich« stellt er dabei selbstbewußt fest.
56 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro