[190] Bei einiger Aufmerksamkeit kann es Niemand entgehen, dass, um eine wahre Einsicht von dem Glauben zu erlangen, man vorerst wissen muss, dass die Bibel nicht blos dem Verstande der Propheten, sondern auch dem des unbeständigen und veränderlichen niederen jüdischen Volkes angepasst worden ist. Wer allen Inhalt der Bibel ohne Unterschied als eine allgemeine und unbedingt gültige Lehre über Gott erfasst und nicht genau unterscheidet, was der Fassungskraft der Menge angepasst worden, muss die Meinungen dieser Menge mit der göttlichen Lehre vermengen und die Erdichtungen und das Belieben der Menschen für göttliche Anweisung ausgeben und das Ansehen der Bibel missbrauchen. Wer weiss nicht, dass deshalb hauptsächlich die Sekten so entgegengesetzte Meinungen als Regeln des Glaubens lehren und mit vielen Beispielen aus der Bibel belegen? Deshalb ist es längst bei den[190] Niederländern zum Sprüchwort geworden ist: »Geen ketter sonder letter.« Denn die heiligen Bücher sind nicht blos von Einem und für das Volk eines Zeitalters verfasst, sondern von mehreren in Alter und Bildung verschiedenen Männern, und wollte man deren Jahre zusammenrechnen, so käme man auf 2000 und mehr Jahre. Die Sektirer will ich aber deshalb nicht der Gottlosigkeit beschuldigen, nämlich dass sie die Worte der Schrift ihren Meinungen anpassen; denn sowie sie früher der Fassungskraft der Menge angepasst worden, so kann sie auch Jeder der seinigen anpassen, wenn er sieht, dass er damit Gott in Allem, was Gerechtigkeit und Liebe anlangt, mit bereitwilligerem Gemüthe gehorchen könne. Allein ich klage sie an, weil sie die gleiche Freiheit nicht Allen zugestehen wollen, und die, welche mit ihnen nicht stimmen, trotz ihrer Rechtlichkeit und Tugendübung als Feinde Gottes verfolgen; dagegen ihre Anhänger, wenn sie auch noch so schwach an Geist sind, doch als die Erwählten Gottes lieben. Es kann nichts Schlechteres und für den Staat Verderblicheres als dies erdacht werden.
Um hiernach festzustellen, wie weit im Glauben die Freiheit der Ansicht für Jeden geht, und wen man trotz seiner abweichenden Meinung als einen Gläubigen anerkennen muss, ist der Glaube und dessen Grundlage zu bestimmen. Dies ist die Absicht dieses Kapitels, in dem zugleich der Glaube von der Philosophie gesondert werden soll, was ein Hauptzweck bei meinem ganzen Werke gewesen ist.
Damit dies ordentlich geschehe, werde ich das wesentliche Ziel der ganzen Bibel wiederholen, da es uns den wahren Maassstab für die Bestimmung des Glaubens verschaffen wird. Ich habe in dem vorgehenden Kapitel gesagt, die Absicht der Bibel gehe nur auf die Lehre des Gehorsams. Dies kann Niemand leugnen; denn wer sieht nicht, dass beide Testamente nur eine Lehre des Gehorsams sind, und dass sie nur wollen, dass der Mensch aus wahrem Gemüthe gehorche. Ich will das in dem vorgehenden Kapitel Gesagte nicht wiederholen; aber Moses wollte die Israeliten nicht durch Gründe überführen, sondern durch einen Vertrag, Eide und Wohlthaten verpflichten; das Volk sollte bei Strafe den Gesetzen gehorchen, und durch Belehrungen ermahnte er es dazu. Dies sind[191] Alles keine Mittel für die Wissenschaften, sondern nur für den Gehorsam. Die evangelische Lehre aber enthält nur den einfachen Glauben; man soll an Gott glauben, ihn verehren oder, was dasselbe ist, ihm gehorchen. Ich brauche deshalb für den Beweis dieses klaren Satzes die Stellen der Bibel, welche den Gehorsam empfehlen, und deren es mehrere in beiden Testamenten giebt, hier nicht anzuführen. Ferner sagt die Bibel an vielen Stellen auf das Deutlichste, was Jeder zu thun habe, um Gott zu gehorchen; das ganze Gesetz bestehe darin allein, dass man seinen Nächsten liebe; deshalb kann Niemand leugnen, dass Der, welcher in Folge Gottes Gebot seinen Nächsten wie sich selbst liebt, in Wahrheit gehorsam und nach dem Gesetz selig ist; wer dagegen ihn hasst oder vernachlässigt, ist ungehorsam und widerspenstig. Endlich erkennen Alle an, dass die Bibel nicht blos für die Klugen, sondern für alle Menschen jedes Alters und Geschlechts geschrieben und bekannt gemacht worden, und daraus folgt, dass man nach Anweisung der Bibel nur dies zu glauben brauche, was zur Befolgung dieses Gebotes durchaus nothwendig ist. Deshalb ist dieses Gebot der alleinige Maassstab des ganzen allgemeinen Glaubens, und daraus allein sind alle Glaubenssätze zu bestimmen, die Jeder anzunehmen schuldig ist.
Wenn dies sonnenklar ist, und wenn aus dieser Grundlage allein oder aus der blossen Vernunft Alles richtig abgeleitet werden kann, so kann Jeder beurtheilen, wie es gekommen, dass so viel Uneinigkeit in der Kirche entstanden ist; ob sie aus anderen Ursachen als den am Anfang des 7. Kapitels bemerkten entstehen konnte. Diese Streitigkeiten nöthigen mich deshalb, die Art und Weise darzulegen, wie aus dieser gefundenen Grundlage die Sätze des Glaubens abzuleiten sind. Denn wenn ich dies nicht thäte und die Frage nicht nach bestimmten Regeln beantwortete, so könnte man mit Hecht sagen, ich hätte bis hier nur wenig geleistet, da Jeder, was ihm beliebe, unter diesem Vorwand, es sei ein nothwendiges Mittel zum Gehorsam, einführen könne; namentlich wenn es sich um die göttlichen Eigenschaften handelt.
Um also die Sache ordnungsmässig zu erledigen, beginne ich mit der Definition des Glaubens, wie sie aus dieser gegebenen Grundlage sich ergiebt. Er besteht danach[192] nur darin, von Gott nur das zu wissen, ohne welches der Gehorsam gegen Gott wegfällt, sowie das, was mit Annahme dieses Gehorsams zugleich anzunehmen ist. Diese Definition ist so klar und folgt so offenbar aus dem eben Erwiesenen, dass sie keiner Erläuterung bedarf. Dagegen will ich mit Wenigem zeigen, was daraus folgt, also: 1) dass der Glaube nicht um seinetwillen, sondern nur um des Gehorsams willen heilsam ist, oder, wie Jacobus II. 17 sagt, dass der Glaube allein, ohne Werke, todt sei, worüber dieses ganze genannte Kapitel des Apostels einzusehen ist; 2) folgt, dass der wahrhaft Gehorsame auch den wahren und heilbringenden Glauben hat. Denn ich habe gezeigt, dass aus der Setzung des Gehorsams nothwendig der Glaube folgt. Auch dies sagt ausdrücklich derselbe Apostel II. 18: »Zeige mir Deinen Glauben ohne Werke, und ich werde Dir aus meinen Werken meinen Glauben zeigen;« und Johannes, 1. Brief IV. 7, 8: »Wer (seinen Nächsten) liebt, ist aus Gott geboren; wer ihn nicht liebt, der kennt Gott nicht; denn Gott ist die Liebe.« Daraus folgt wieder, dass man Niemand für gläubig halten kann oder ungläubig, als nach seinen Werken; sind seine Werke gut, so ist er ein Gläubiger, wenn er auch in den Sätzen von den anderen Gläubigen abweicht; und sind jene schlecht, so ist er ein ungläubiger, wenn er auch in den Worten übereinstimmt; denn mit dem Gehorsam wird auch der Glaube gesetzt, und ein Glaube ohne Werke ist todt. Dies lehrt auch derselbe Johannes in demselben Kap. 3, wo er sagt: »Daraus erkennen wir, dass wir in ihm sind und er in uns, dass er uns von seinem Geiste gegeben hat,« d.h. die Liebe. Denn vorher hatte er gesagt, Gott sei die Liebe, und daraus schliesst er, nach damals angenommenen Grundsätzen, dass der in Wahrheit den Geist Gottes habe, der die Liebe habe. Ja, da Niemand Gott gesehen, so folgert er, dass man Gott nur wahrnehme oder bemerke durch die Liebe gegen den Nächsten, und dass daher Niemand eine andere Eigenschaft Gottes erkennen könne als diese Liebe, soweit man an ihr Theil habe. Wenn diese Gründe nicht unwiderleglich sind, so zeigen sie doch deutlich die Meinung des Johannes; und noch viel deutlicher sagt er dies II. 3, 4 dieses Briefes mit den Worten: »Und daraus wissen wir, dass wir ihn kennen, wenn wir seine Gebote[193] befolgen. Wer da sagt, ich kann ihn und seine Gebote nicht befolgen, ist ein Lügner, und es ist keine Wahrheit in ihm.« Und daraus folgt wieder, dass Jene wahre Antichristen sind, welche die rechtlichen und die Gerechtigkeit liebenden Menschen verfolgen, weil sie von ihnen abweichen und mit ihnen nicht dieselben Glaubenssätze vertheidigen. Denn welcher die Gerechtigkeit und Liebe liebt, diese sind, wie wir wissen, dadurch allein Gläubige, und wer die Gläubigen verfolgt, ist ein Antichrist.
Es folgt endlich, dass der Glaube nicht sowohl wahre als fromme Regeln erfordert, d.h. solche, welche die Seele zu dem Gehorsam bewegen; wenn auch darunter viele sind, welche nicht einen Schatten von Wahrheit haben, sobald nur Der, welcher sie glaubt, dies nicht weiss. Denn sonst wäre er widerspenstig. Denn wie wäre es möglich, dass Jemand, der die Gerechtigkeit zu lieben und Gott zu gehorchen strebt, das als göttlich anbetet, von dem er weiss, dass es der göttlichen Natur nicht zukommt. Wohl aber können die Menschen in der Einfalt ihres Herzens irren; die Schrift verdammt nicht die Unwissenheit, sondern nur den Ungehorsam, wie ich gezeigt habe; ja, dies folgt schon aus der blossen Definition des Glaubens, dessen ganzer Inhalt aus der dargelegten allgemeinen Grundlage und nur aus dem Zwecke der Schrift allein entlehnt werden darf, wenn man nicht sein eigenes Belieben einmengen will. Die Schrift verlangt nicht ausdrücklich wahre, wohl aber solche Glaubenssätze, die zum Gehorsam nöthig sind, und die also die Seele in der Liebe des Nächsten befestigen, weshalb allein jede, wie Johannes spricht, in Gott, und Gott in Jedem ist.
Wenn sonach der Glaube eines Jeden nur nach seinem Gehorsam oder Ungehorsam und nicht nach der Wahrheit oder Unwahrheit für fromm oder gottlos gehalten werden kann, und Jedermann weiss, wie verschieden der Geigt der Menschen ist, und nicht Alle in Allem übereinkommen können, sondern verschiedene Meinungen die Menschen bewegen, und dieselben den Einen zur Andacht, den Anderen zum Lachen und Verachten bringen, so folgt, dass zu dem allgemeinen oder katholischen Glauben keine Lehrsätze gehören, über welche rechtliche Menschen uneinig sein können. Denn wo dies der Fall, kann der Lehrsatz für den Einen fromm, für den Anderen gottlos sein, da[194] Alles nur nach den Werken sich entscheidet. Zu dem allgemeinen Glauben gehört daher nur, was der Gehorsam gegen Gott unbedingt fordert, und ohne dessen Kenntniss der Gehorsam unbedingt unmöglich ist; über die Religion aber kann Jeder denken, wie es Jedem am besten scheint, um sich in der Liebe zur Gerechtigkeit zu stärken, da Jeder sich am besten selbst kennen muss. Bei dieser Auffassung bleibt nach meiner Ansicht kein Raum für Streitigkeiten in der Kirche, und ich fürchte mich nicht, die Lehrsätze des allgemeinen Glaubens oder die Grundlagen des Zweckes der ganzen Bibel aufzuzählen, da sie, wie aus dem in diesen beiden Kapiteln Gesagten erhellt, nur dahin zielen, dass es ein höchstes Wesen giebt, was die Gerechtigkeit und Liebe liebt, und dem Alle gehorchen, müssen, wenn sie selig werden wollen, und das sie durch die Hebung der Gerechtigkeit und Liebe gegen den Nächsten verehren müssen. Daraus kann alles Weitere abgeleitet werden, was sich auf Folgendes beschränkt. 1) Gott, d.h. ein höchstes Wesen, was höchst gerecht und barmherzig oder das Muster des wahren Lebens ist, besteht; wer dies nicht weiss oder nicht glaubt, kann ihm nicht gehorchen und ihn nicht als seinen Richter kennen.
2) Gott ist nur Einer. Auch dies gehört unbedingt zur höchsten Andacht, Verehrung und Liebe gegen Gott, wie Niemand bezweifeln kann. Denn die Andacht, die Bewunderung und Liebe entspringt nur daraus, dass Einer alle Anderen übertrifft. 3) Gott ist überall gegenwärtig, und Alles ist ihm bekannt. Wenn etwas ihm verborgen bleiben, oder er nicht Alles sehen könnte, so müsste man über die gleiche Austheilung seiner Gerechtigkeit, mit der er Alles leitet, zweifeln oder sie nicht kennen. 4) Gott hat auf Alles das höchste Recht und Eigenthum, und er thut nichts aus Zwang einer Verbindlichkeit, sondern nach seinem unbedingten Rathschluss und aus seiner besonderen. Gnade. Alle müssen ihm unbedingt gehorchen, er selbst aber Niemandem. 5) Die Verehrung Gottes und der Gehorsam gegen ihn besteht nur in der Gerechtigkeit und Liebe des Nächsten. 6) Alle, die in solchem Lebenswandel Gott gehorsam sind, sind selig, und die Anderen, welche unter der Herrschaft der Begierden leben, sind verloren. Wenn die Menschen dies nicht fest glauben, so wäre kein Grund, weshalb sie Gott mehr als ihren[195] Lüsten folgen sollten. 7) Endlich verzeiht Gott dem Reuigen seine Sünden. Denn es ist Niemand ohne Sünde; ohnedem müsste also Jeder an seinem Heile verzweifeln, und es wäre kein Grund, Gott für barmherzig zu halten. Wer dagegen fest glaubt, dass Gott in seiner Barmherzigkeit und Gnade, mit der er Alles leitet, den Menschen ihre Sünden vergiebt, wird dadurch in seiner Liebe zu Gott mehr gehoben; er kennt in Wahrheit Christus im Geiste, und in ihm ist Christus. Dieses Alles muss Jedermann wissen, dessen Kenntniss ist unentbehrlich, damit die Menschen ohne Ausnahme nach der oben erklärten Anweisung des Gesetzes Gott gehorchen können; denn fällt dieses hinweg, so hört auch der Gehorsam auf. Was übrigens Gott oder jenes Muster des wahren Lebens sei, ob ein Feuer oder Geist oder Licht oder Gedanke u.s.w., dies thut nichts zum Glauben; ebenso wenig weshalb er das Muster des wahren Lebens sei; ob deshalb, weil er einen gerechten und barmherzigen Sinn hat, oder weil alle Dinge durch ihn sind und wirken, und folglich auch wir durch ihn einsehen und dadurch das wahre Gerechte und Gute erkennen. Dies Alles mag Jeder, wie er will, festsetzen. Deshalb gehört es auch nicht zu dem Glauben, dass Jemand annehme, Gott sei vermöge seines Wesens oder seiner Macht überall, dass er die Welt aus Freiheit oder Nothwendigkeit leite, dass er die Gesetze wie ein Fürst vorschreibt oder als ewige Wahrheiten lehrt, dass der Mensch aus Freiheit des Willens oder aus der Nothwendigkeit des göttlichen Rathschlusses Gott gehorcht, und dass die Belohnung der Guten und die Strafe der Bösen eine natürliche oder übernatürliche ist. Dies und Aehnliches thut zu dem Glauben nichts, wie es auch der Einzelne auffasst, sofern er nur nichts zu dem Ende daraus folgert, was ihm eine grössere Freiheit zu sündigen gewährt oder zu geringerem Gehorsam gegen Gott verpflichtet. Vielmehr kann er, wie gesagt, diese Glaubenslehre seiner Fassungskraft anpassen und sie so auslegen, dass er sie leichter ohne Zögern und mit voller Beistimmung annehmen und somit Gott aus voller Ueberzeugung gehorchen kann. Denn ich habe schon früher bemerkt, dass ehedem der Glaube nach dem Verstande und der Fassungskraft der Propheten und des gemeinen Volkes jener Zeit offenbart und niedergeschrieben worden ist;[196] deshalb ist auch Jeder jetzt schuldig, den Glauben seinem Verstände anzupassen, damit er ihn ohne Widerstreben seines Verstandes und ohne Zögern erfassen kann. Denn ich habe gezeigt, dass der Glaube nicht sowohl Wahrheit als Frömmigkeit verlangt, und dass er nur nach Verhältniss des Gehorsams fromm und heilsam ist, und dass daher man nur durch Gehorsam gläubig sein kann. Deshalb hat der, welcher die besten Gründe hat, nicht nothwendig auch den besten Glauben, sondern der, welche die Werke der Gerechtigkeit und Liebe verrichtet. Wie heilsam diese Lehre, wie notwendig sie für den Staat ist, wenn die Menschen in Erfurcht und Frieden leben wollen, wie viele Ursachen zu Unruhen und Verbrechen sie beseitigt, das überlasse ich Jedermanns Urtheil zu entscheiden.
Ehe ich weiter gehe, mochte ich noch auf die Einwendungen im ersten Kapitel antworten, als es sich um Gott handelte, der von dem Berge Sinai zu den Israeliten spricht. Dies kann aus dem hier Dargelegten nun leicht geschehen; denn wenn auch jene Stimme, welche die Israeliten hörten, ihnen keine philosophische oder mathematische Gewissheit von dem Dasein Gottes geben konnte, so genügte sie doch, um sie zur Bewunderung Gottes, wie sie ihn bisher gekannt, hinzureissen und zu dem Gehorsam anzutreiben; dies war der Zweck dieses Schauspiels. Gott wollte den Israeliten nicht die unbeschränkten Eigenschaften seines Wesenslehren; davon hat er damals nichts offenbart, sondern er wollte ihren widerspenstigen Sinn brechen und sie zum Gehorsam bringen. Deshalb hat er sie nicht mit Gründen, sondern mit dem Schmettern der Trompeten mit Donner und Blitz angegriffen (Exod. XX. 20).
Ich habe endlich noch zu zeigen, dass zwischen dem Glauben oder der Theologie und der Philosophie keine Gemeinschaft und keine Verwandtschaft besteht. Niemand kann dies leugnen, der das Ziel und die Grundlagen dieser beiden Vermögen kennt, die himmelweit von einander verschieden sind.. Das Ziel der Philosophie ist nur die Wahrheit; das des Glaubens aber, wie ich hinlänglich gezeigt, nur der Gehorsam und die Frömmigkeit. Die Grundlage der Philosophie sind die gemeinsamen Begriffe, und ihr Inhalt muss aus der Natur selbst entlehnt werden; die[197] des Glaubens sind die Berichte und die Sprache, welche wie ich im Kap. 7 gezeigt, nur aus der Schrift und Offenbarung zu entnehmen sind. Der Glaube lässt deshalb Jedem die volle Freiheit im Philosophiren. Jeder mag ohne unrecht über Alles denken, wie er will; nur Die werden als Ketzer und Abtrünnige verdammt, welche Ansichten lehren, die zu Ungehorsam, Hass, Streit und Zorn fuhren; und nur Die gelten als Gläubige, welche zur Gerechtigkeit und Liebe nach den Kräften ihrer Vernunft ermahnen. Da dieses hier Dargelegte das Wichtigste ist, was ich bei dieser Abhandlung beabsichtige, so bitte ich, ehe ich weiter gehe, den Leser auf das Dringendste, diese beiden Kapitel besonders aufmerksam zu lesen und wiederholt zu erwägen. Er möge überzeugt sein, dass ich damit keine Neuerung habe einführen wollen, sondern es soll nur das Verschlechterte verbessert werden, damit es einst als tadellos geschaut werden kann.
Buchempfehlung
Nach dem Vorbild von Abraham von Franckenberg und Daniel Czepko schreibt Angelus Silesius seine berühmten Epigramme, die er unter dem Titel »Cherubinischer Wandersmann« zusammenfasst und 1657 veröffentlicht. Das Unsagbare, den mystischen Weg zu Gott, in Worte zu fassen, ist das Anliegen seiner antithetisch pointierten Alexandriner Dichtung. »Ich bin so groß als Gott, er ist als ich so klein. Er kann nicht über mich, ich unter ihm nicht sein.«
242 Seiten, 11.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro