[424] Bahnpolizeibeamte im weitesten Sinn des Wortes kann man alle Organe nennen, welche mit der Ausübung der Bahnpolizei (s. den vorhergehenden Artikel) betraut sind. Dazu wären dann auch alle Organe des Staates und der öffentlichen Selbstverwaltungskörper, also z.B. Beamte der staatlichen politischen (Regierungs-) Behörden, Gemeindebeamte u.s.w. zu rechnen, welche in irgend einer Angelegenheit Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine Bahn auszuüben haben oder denen eine Ingerenz auf die Bekämpfung von Gefahren im Eisenbahnwesen zusteht. Ein Begriff von so weiter Ausdehnung hätte kaum einen Wert. Man gebraucht daher den Ausdruck B. in einem engeren Sinn und bezeichnet damit nur Organe der Bahn, Bahnangestellte, u. zw. jene, welche mit polizeilichen Aufgaben betraut sind. Nur in diesem Sinne gebraucht, entspricht das Wort einem praktisch wichtigen Begriff.
Danach sind B. nicht jene öffentlichen Organe, welche eine Polizeigewalt gegen die Bahn, sondern nur jene, welche eine Polizeigewalt der Bahn gegen das Publikum ausüben.
Ist die Bahn eine staatliche, so sind die B. in dieser ihrer Funktion anderen staatlichen Polizeibeamten juristisch gleichzuhalten, da sie, wie diese, ein Stück staatlichen Imperiums handhaben und sich von diesen nur durch die Abgrenzung ihrer Kompetenz, ihres Ressorts, unterscheiden. Völlig bedeutungslos für die juristische Qualifikation solcher Organe als staatlicher Polizeibeamter ist die Art ihrer Berufung und ihres Dienstverhältnisses gegenüber dem Staat. Nicht bloß den auf Grund eines Hoheitsaktes zu Staatsbeamten ernannten, sondern auch den vertragsmäßig bestellten Organen kann der Staat polizeiliche Funktionen übertragen (vgl. für Preußen Schunck, Grundzüge des Bahnpolizeirechts in Preußen. 1910, 35, und die Zitate daselbst Anm. 6; für Österreich Ziffer, im Österr. Staatswörterbuch von Mischler und Ulbrich, 1905, I, 842).
Steht die Bahn im Eigentum eines öffentlichen Selbstverwaltungskörpers, wie die Landesbahnen in Österreich oder vielfach die Straßenbahnen der Gemeinden, so ist die Bahnpolizeigewalt in der Regel als ein Stück der jener autonomen Korporation übertragenen öffentlichen Befehls- und Zwangsgewalt zu betrachten und unterliegt im Zweifel allen Normen über die Hoheitsrechte der betreffenden Selbstverwaltungskörper im allgemeinen.[424]
Gehört endlich die Bahn einem privaten Rechtssubjekt, so muß den vertragsmäßigen Angestellten des Unternehmens ein Stück staatlichen Imperiums delegiert werden.
Da das Wesen der bahnpolizeilichen Funktionen dasselbe bleibt, ob dieselben von Staats-, Landes-, Gemeinde- u.s.w. oder von Privatangestellten versehen werden, ist auch die Rechtsstellung aller Kategorien von B., namentlich dem Publikum gegenüber, im allgemeinen einheitlich geregelt.
Der Kreis der B. erstreckt sich nicht auf alle Bahnorgane, sondern nur auf jene, welche vermöge ihrer Dienstesobliegenheiten in die Lage kommen, eine Befehls- und Zwangsgewalt zu handhaben, bzw. polizeiliche Zwecke zu verfolgen. Das Gesetz kann entweder die nähere Normierung der hierhergehörigen Angestellten den Dienstesvorschriften der Bahn überlassen und sich mit allgemeinen Andeutungen begnügen, oder es zählt die Gattungen von Beamten, welche zu polizeilichen Funktionen berufen sind, auf. Den ersten Weg hat die österreichische Eisenbahnbetriebsordnung (vgl. insbesondere die §§ 93 und 102; Krasny, im Österr. Staatswörterbuch von Mischler und Ulbrich, 788) und das schweizerische Bahnpolizeigesetz vom 18. Februar 1878 (Art. 12, Abs. 1) eingeschlagen; den zweiten die deutsche Eisenbahnbau- und -betriebsordnung (§§ 74 und 45). Die letztere bezeichnet als Eisenbahnpolizeibeamte:
1. die die Unterhaltung und den Betrieb der Bahn leitenden und beaufsichtigenden Beamten,
2. die Bahnkontrolleure, die Betriebskontrolleure,
3. die Vorsteher und Aufseher der Stationen, die sonstigen Fahrdienstleiter (das sind jene Beamten, welche die Zugfolge innerhalb eines Bezirkes unter eigener Verantwortung regeln, § 51, Abs. 1, Bemerkung),
4. die Bahnhofmeister, die Telegraphenmeister,
5. die Rottenführer,
6. die Weichensteller,
7. die Block-, Bahn- und Schrankenwärter,
8. die Zugbegleitungsbeamten,
9. die Betriebswerkmeister,
10. die Lokomotivführer und Heizer,
11. die Rangiermeister und Wagenmeister,
12. die Pförtner,
13. die Bahnsteigschaffner,
14. die Wächter.
Was das französische Recht anbelangt, so enthält die mit Dekret vom 1. März 1901 abgeänderte Verordnung vom 15. November 1846 unter anderem auch Bestimmungen über die Commissaires spéciaux de police et les agents sous leurs ordres, welche den Bahnbetrieb zu überwachen haben.
Nicht in diesen Zusammenhang gehören Normen wie beispielsweise Art. I des schweizerischen Reglements, betreffend Polizeitransporte, vom 21. Juni 1909, wo nicht bahnpolizeiliche, sondern allgemeinpolizeiliche Organe unter anderen genannt sind.
Wie keiner näheren Ausführung bedarf, ist nicht die gesamte Tätigkeit der B. eine »polizeiliche«, sondern sie haben neben anderen Funktionen auch polizeiliche zu versehen (vgl. Schunk a.a.O. 35; über den Begriff der polizeilichen Tätigkeit den vorhergehenden Art. »Bahnpolizei«).
Die B. haben öffentliche Befehls- und Zwangsgewalt auszuüben. Daher bedürfen sie einerseits eines besonderen Schutzes gegen Widerstand, Gefährdung und Beleidigung, anderseits müssen dem Staate und dem Publikum Garantien dafür geboten werden, daß diese Organe ihre Befugnisse nicht überschreiten oder gar mißbrauchen.
Die B. werden, gleichgültig, ob sie Staatsbeamte oder Privatangestellte sind, demselben besonderen Rechtsschutze wie andere öffentliche Funktionäre unterstellt. Nach dem deutschen Reichsstrafrecht sind Widerstand, Nötigung, Gefangenenbefreiung und Beleidigung, wenn sie gegenüber B. begangen werden, nach den Bestimmungen über die Verübung solcher Delikte gegen Beamte zu bestrafen (§§ 113, 114, 120, 196 StGB.; Schunck, a.a.O., 36). Analoges gilt vom österr. Strafgesetzbuch (§§ 68, 81, 217, 279, 307 und 312; Ziffer, a.a.O., 842; vgl. auch noch § 102, Abs. 3, der Eisenbahnbetriebsordnung). Nach Art. 25 des französischen Gesetzes vom 15. Juli 1845 sind Widerstand und widerrechtliches Benehmen gegen B. als Rebellion nach dem Code pénal zu bestrafen. Nach Art. 12, Abs. 2, des schweizerischen Bahnpolizeigesetzes vom 18. Februar 1878 stehen die B. hinsichtlich ihres amtlichen Charakters den kantonalen Polizeibediensteten gleich. Zu diesen Normen gesellen sich in manchen Rechtsordnungen noch solche zum Schutze gegen ungerechtfertigte Zivil- und strafrechtliche Verfolgung wegen ihrer Amtshandlungen, so in Preußen (Schunck, a.a.O., 36). B. und sonstige Polizeibeamte sind zu gegenseitiger Unterstützung verpflichtet (§ 76 der deutschen Eisenbahnbau- und -betriebsordnung, §§ 90 und 101 der österr. Eisenbahnbetriebsordnung).
Was die Garantien gegen Überschreitung der polizeilichen Machtbefugnisse anbelangt so kommt hauptsächlich dreierlei in Betracht:[425] die Auswahl der Person, die Beeidigung oder Verpflichtung an Eidesstatt und die strafrechtliche und disziplinare Verantwortlichkeit wegen Verletzung der Amtspflichten.
Bei der Auswahl der Person muß mit besonderer Sorgfalt vorgegangen werden. Daher verfügt § 74, Abs. 4, der deutschen Eisenbahnbau- und -betriebsordnung, daß die polizeilichen Obliegenheiten ungeeigneten Personen nicht übertragen werden dürfen (vgl. dazu § 45, ebenda). Nähere Anordnungen enthalten die vom Bundesrat erlassenen »Bestimmungen über die Befähigung von Eisenbahnbetriebs- und -polizeibeamten« vom 8. März 1906, RGB. S. 391. Für Österreich vgl. Ziffer a.a.O., 843 und die Manzsche Ausgabe der österr. Eisenbahngesetze, 1051 ff. Für die Schweiz s. Art. 12, Abs. 1, des Bahnpolizeigesetzes vom 18. Februar 1878.
Nach § 74, Abs. 2, der deutschen Eisenbahnbau- und -betriebsordnung sind die B. zu vereidigen oder durch Handschlag an Eidesstatt zu verpflichten. Ähnlich ordnet § 102, Abs. 2, der österr. Eisenbahnbetriebsordnung an, daß jene Bahnbeamten und Diener, welchen nach den Lokalverhältnissen die Aufsicht über die Bahn, die zu ihr gehörigen Anstalten oder das Publikum zusteht, in Eid zu nehmen sind. Nach Art. 12, Abs. 2, des schweizerischen Bahnpolizeigesetzes sind die Bahnpolizeiorgane gleich den kantonalen Polizeibediensteten amtlich in Pflicht zu nehmen.
Die B. unterliegen den strafgesetzlichen Anordnungen über Amtsdelikte (vgl. den 28. Abschnitt des deutschen und X. Hauptstück des österr. Strafgesetzes, ferner die zahlreichen Amtsdelikte im 2. und 3. Kapitel von Buch III, Titel 1, des Code pénal u.s.w.). Für alle Dienstvergehen, welche nicht der strafgesetzlichen Ahndung unterliegen, sind sie im Disziplinarwege verantwortlich (vgl. für Preußen Schunck, a.a.O., 37, 38; für Österreich Ziffer, a.a.O., 844, 845). Die oberste Disziplinargewalt übt auch gegenüber den Angestellten der Privatbahnen der Staat aus.
Literatur: Die Abschnitte über Bahnbeamte und Bahnpolizei der Lehr- und Handbücher des Eisenbahnrechtes; die Abschnitte über Polizeirecht, Beamtenrecht und Eisenbahnrecht der Lehr- und Handbücher des Verwaltungsrechtes; die einschlägigen Partien der am Schlusse des vorhergehenden Artikels »Bahnpolizei« zitierten Schriften; dazu noch Gleim, in Stengels Wörterbuch des deutschen Verwaltungsrechtes, 1890, I, 323 ff. (das Werk erscheint derzeit in 2. Aufl., herausgegeben von Fleischmann). Fritsch, im Handwörterbuch der Staatswissenschaften, herausgegeben von Conrad, Elster, Lexis und Loening. 1909, 3. Aufl., III, 830; Ziffer, im Österr. Staatswörterbuch, herausgegeben von Mischler und Ulbrich. 1905, 2. Aufl., I, 841 ff.
Laun.
Buchempfehlung
Der Teufel kommt auf die Erde weil die Hölle geputzt wird, er kauft junge Frauen, stiftet junge Männer zum Mord an und fällt auf eine mit Kondomen als Köder gefüllte Falle rein. Grabbes von ihm selbst als Gegenstück zu seinem nihilistischen Herzog von Gothland empfundenes Lustspiel widersetzt sich jeder konventionellen Schemeneinteilung. Es ist rüpelhafte Groteske, drastische Satire und komischer Scherz gleichermaßen.
58 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro