Baufortschritt

[4] Baufortschritt, der zeitliche Arbeitsfortschritt beim Eisenbahnbau in bezug auf Unterbau-, Oberbau-, Hochbau- und Nebenarbeiten von der Inangriffnahme bis zur Vollendung des Baus.

Für die staatlichen Aufsichtsbehörden ist es von Wichtigkeit, über den Stand der Bauarbeiten fortlaufend unterrichtet zu sein, um eine Überschreitung der Baufrist (s.d.) zu verhindern und beurteilen zu können, ob etwaige voraussichtliche Überschreitungen derselben durch den Konzessionär verschuldet sind, und um die Stichhaltigkeit etwaiger Beschwerden über Saumseligkeit bei der Bauausführung sofort prüfen und je nach dem Ergebnis die erforderlichen gesetz- oder konzessionsmäßigen Maßregeln treffen zu können. In den meisten Ländern sind die Bahnunternehmungen verpflichtet, den staatlichen Aufsichtsbehörden in gewissen Zeiträumen (monatlich oder vierteljährlich) über den B. zu berichten und den Bericht durch zeichnerische Darstellungen (Fortschrittslängenprofil) zu erläutern. Diese Berichte müssen alles enthalten, was zur Beurteilung der geleisteten Arbeiten erforderlich ist; die zeichnerischen Darstellungen sollen ein übersichtliches, klares Bild der Leistungen geben. Zu diesem Zweck eignet sich ein Längenprofil in kleinem Maßstabe (Übersichtslängenprofil), in dem die bereits ausgeführten Erdarbeiten für jeden Berichtszeitraum verschiedenfarbig dargestellt sind. Außerdem sind die Kunstbauten, Hochbauten u.s.w. schematisch einzuzeichnen und die hergestellten Erdaushübe, Mauerwerkskörper, Eisen- und Holzkonstruktionen mit der dem Berichtszeitraum entsprechenden Farbe zu bezeichnen. Für den Grunderwerb (Übergabe des Geländes an die Bauunternehmung, Inanspruchnahme für die Bauarbeiten, Auszahlung des Kaufpreises, Verbuchung), ebenso für die einzelnen Oberbauarbeiten (Beschotterung, Schwellen- und Schienenverlegung, Vollschotterung, endgültige Richtung und Hebung des Gleises) eignen sich schmale, vom Anfang bis zum Ende des Längenprofils laufende Felder, in denen die Arbeiten durch die betreffende Monats- oder Vierteljahrsfarbe gekennzeichnet werden. Die Oberbaulegung in großen Stationen kann im Fortschrittslängenprofil durch Lagepläne in kleinem Maßstabe ersichtlich gemacht werden.

Über den B. von Tunneln wird gewöhnlich ein besonderes Fortschrittsprofil geführt. Dieses[4] enthält Angaben über den Fortschritt des Firststollens, des Sohlstollens und des Vollausbruches, über die Art des durchbrochenen Gesteins, über den Stand der Mauerung (Gewölbe, Widerlager, Sohlengewölbe, Sohlenkanal), über die Anzahl der Arbeiter und der in Verwendung stehenden Bohrmaschinen, über die gemessenen Temperaturen, über den ermittelten durchschnittlichen täglichen Arbeitsfortschritt u.s.w. Zur Veranschaulichung des B. einzelner größerer Bauwerke kann mit Vorteil auch die Photographie verwendet werden.


Für Preußen vergleiche die Bestimmungen des Eisenbahngesetzes vom 3. November 1838, § 21, die Geschäftsanweisung für die Vorstände, der Bauabteilungen vom 1. Juli 1910, § 10; für Österreich: Ministerialverordnung vom 25. Januar 1879, § 40; für die Schweiz: Eisenbahngesetz vom 23. Dezember 1872, Art. 13.


Eine regelmäßig wiederkehrende Feststellung des B. ist nicht nur für die staatlichen Aufsichtsbehörden, sondern auch für den Bauherrn aus geschäftlichen Rücksichten notwendig. Er gewinnt hierdurch ebenfalls ein Urteil über den regelmäßigen und rechtzeitigen Fortgang der Arbeiten und über den voraussichtlichen Zeitpunkt der Betriebseröffnung, so daß er eine etwa notwendige Beschleunigung der Arbeiten, Änderungen des Arbeitsplanes und andere zweckdienliche Maßnahmen verfügen kann; ferner liefert eine regelmäßige Feststellung des B. in gewissen Fällen auch nützliche Anhaltspunkte für die Bewertung der von den Unternehmern geleisteten Arbeiten und demnach auch für die Bestimmung des Unternehmerverdienstes und der Abschlagszahlungen. Je sorgfältiger und häufiger der B. schriftlich und zeichnerisch dargestellt wird, desto leichter wird es nach Abschluß des Baues sein, bei Streitigkeiten mit dem Unternehmer auch später noch festzustellen, in welchem Zustande sich die Arbeiten zu einem gewissen Zeitpunkt befunden haben und inwiefern der vom Unternehmer gewählte Arbeitsplan oder die Innehaltung oder Nichtinnehaltung eines vom Bauherrn vorgeschriebenen Arbeitsplanes den Fortgang der Arbeiten, den Vollendungstermin, den Verdienst oder Verlust des Unternehmers beeinflußt haben (s. auch Baufrist, Baubuch).

v. Enderes.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 2. Berlin, Wien 1912, S. 4-5.
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