Betriebspflicht

[327] Betriebspflicht. Durch die Genehmigung zur Herstellung und zum Betriebe einer Eisenbahn wird nicht nur ein Recht verliehen, sondern auch die Pflicht zum Bau und Betriebe der Bahn auferlegt (s. Betrieb). Das Recht, Grundstücke zu enteignen und die sonstigen Vorrechte der Eisenbahnverwaltungen (Monopol) rechtfertigen die Auferlegung der B. und die Schaffung einer Gewähr dafür, daß die dem öffentlichen Wohl des Landes durch den Bau der Bahn zugedachten Vorteile auch durch ständige Aufrechterhaltung des Betriebs erhalten bleiben und nicht willkürlich vom Betriebsunternehmer durch Betriebseinstellung (s.d.) oder Betriebseinschränkung beeinträchtigt werden können.

Für Preußen bestimmt § 24 des Gesetzes über die Eisenbahnunternehmungen vom 3. November 1838: »Die Gesellschaft ist verpflichtet, die Bahn nebst den Transportanstalten fortwährend in solchem Zustande zu erhalten, daß die Beförderung mit Sicherheit und auf die der Bestimmung des Unternehmens entsprechende Weise erfolgen kann; sie kann hierzu im Verwaltungswege angehalten werden.« Ebenso kann nach § 24 des Gesetzes über Kleinbahnen und Privatanschlußbahnen die Genehmigung zurückgenommen werden, wenn der Bau oder Betrieb ohne genügenden Grund unterbrochen wird. In Bayern ist die B. in der Vdg. vom 20. Juni 1855 ausgesprochen. Für Italien enthält eine einschlägige Bestimmung Art. 255 des Gesetzes über die öffentlichen Arbeiten; für die Schweiz Art. 28 des Bundesgesetzes vom 23. Dezember 1872 (s.a. Aufsichtsrecht). – Die B. folgt im übrigen auch schon aus der Beförderungspflicht (s.d.), d.h. aus den Pflichten, die den Eisenbahnen allgemein durch die Betriebs- und Verkehrsordnungen auferlegt werden, und nach denen sie die Beförderung von Reisenden, Tieren und Gütern nicht willkürlich zurückweisen können.

Die Frage, inwieweit die B. auch für die Staatsbahnen besteht und inwieweit die Regierung ermächtigt ist, eine im Staatseigentum stehende Bahn aus eigener Machtvollkommenheit außer Betrieb zu setzen, wurde im Jahr 1883 im preußischen Abgeordnetenhaus eingehend besprochen. Es handelte sich um die Außerbetriebsetzung der Bahn von Herne nach Bodelschwing. Beide Orte waren durch mehrere Bahnen verbunden, so daß die Regierung sich auf den Betrieb der für das Verkehrsbedürfnis ausreichenden Strecke beschränken zu können glaubte. Sie stellte sich auf den Standpunkt, daß die verantwortliche Leitung des Betriebs oder der Verwaltung der Staatsbahnen die Berechtigung wie die Verpflichtung in sich schließe, den Betrieb der einzelnen Strecken zu erweitern, einzuschränken oder ganz einzustellen, je nachdem dies durch die Verhältnisse des Verkehrs und der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung bedingt werde. Von anderer Seite wurde betont, daß die Regierung zum Betrieb einer Bahn durch Gesetz berechtigt werde, und daß sie daher auch verpflichtet sei, so lange dies Gesetz wirksam ist, den Betrieb fortzuführen. Eine Entscheidung der Frage ist nicht erfolgt. Man begnügte sich damit, die staatsrechtlich auseinandergehenden Anschauungen festzustellen, umsomehr, als im vorliegenden Fall das Vorgehen der Regierung als zweckentsprechend anerkannt wurde.

Breusing.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 2. Berlin, Wien 1912, S. 327.
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