Desinfektionsanstalten

[281] Desinfektionsanstalten (disinfection plants; installations de désinfection; impianti di disinfezione), die in bedeutenderen Stationen (Desinfektionsstationen) vorhandenen baulichen und maschinellen Anlagen zur Durchführung von Wagendesinfektionen in größerem Umfange.

Derlei Anstalten sollen sich auf tunlichst abgelegenen Teilen des Bahnhofes befinden und aus zwei getrennten Anlagen bestehen, von denen die erstere und größere zur Durchführung der normalen Desinfektion, zur Reinigung und Desinfektion von Wagen nach der Beförderung von gesundem Vieh, die zweite, kleinere, von ersterer vollkommen isolierte und gegen unbefugtes Betreten abgeschlossene Anlage für die Durchführung der verschärften Desinfektion zu dienen hat.

Um Anrainerbauten möglichst entfernt zu halten und Düngerablagerungsstellen zu schaffen, muß reichlich Grund zur Verfügung stehen. Wenn irgendwie tunlich, sollen die Desinfektionsanlagen im angeschütteten Gelände liegen, da sich hierdurch die notwendige Kanalisation leicht und billig durchführen läßt und für die ganz bedeutenden Sandmassen aus den Schweinewagen (1∙0–1∙5 m3 Sand für einen Wagen) in den nunmehr zur Verfügung stehenden Material graben erwünschte Ablagerungsstätten gefunden werden, wodurch Auf-, Ablade- und Beförderungskosten dieses wertlosen Materials erspart werden. Auch ist durch die höhere Lage der D. die Errichtung der notwendigen Sedimentierungs- oder Kläranlagen für die verunreinigten Waschwässer ohne hohe Kosten ermöglicht.

Die Anlage von Wohnungen in den für obige Zwecke errichteten Gebäuden ist ausgeschlossen.

Als Haupterfordernis für eine D. muß die leichte Beschaffung großer Wassermassen bezeichnet werden, u. zw. entweder aus bestehenden Wasserleitungen oder durch Errichtung leistungsfähiger Pumpenanlagen mit Wasserentnahme aus Flüssen oder ergiebigen Brunnen mit reichlichem Grundwasserzufluß.

Als Wasserbedarf für die Reinigung und Desinfektion eines einbödigen Wagens, bzw. einer Etage samt dem Bedarf für die nötige Reinigung der gesamten Desinfektionsanlage, der[281] Geräte u.s.w., muß man 1∙5 m3 Wasser für einen Boden oder eine Etage rechnen. Es ist daher der tägliche Wasserbedarf durch die größte Anzahl der täglich zu waschenden und zu desinfizierenden Wagen, richtiger Etagen, gegeben und hat sich auch die Größe der gesamten D. nach dem täglichen größten Einlauf von verunreinigten Wagen mit entsprechender Rücksichtnahme auf eine spätere Vergrößerung der Anlage zu richten.

Mit besonderen Schwierigkeiten haben die D. bei der Verwertung, bzw. Abfuhr und Beseitigung der großen Massen von Abfallstoffen zu kämpfen. Die Streu in den Viehwagen besteht aus kurzem Stroh, schlechtem Häcksel, Torfmull, Sägespänen, Sand, Lösche, selbst Erde. Diese Streu wird auf der Fahrt mit Auswurfstoffen, Federn u.a. vermischt. Es ist daher, wenn tunlich, das wertlose Material (Sand, Lösche, Erde u.s.w.) gesondert auf eigenen Entdüngungsgleisen in der Nähe der bereits erwähnten Materialgräben herauszuwerfen, um einen leichteren Verkauf des brauchbaren Düngers an die Landwirte zu ermöglichen. Natürlich ist eine strenge Sonderung des Düngers untunlich, doch kann schon bei der Zusammenstellung der Züge mit verunreinigten Wagen, insbesondere dort, wo Zentralviehmärkte bestehen und an bestimmten Tagen Viehmärkte stattfinden, auf eine gewisse Gleichartigkeit der Wagentype Rücksicht genommen werden.

Als durchschnittliche Menge an Dünger einschließlich Streu kann für den Wagen (ausschließlich der Schweinetransportwagen) 0∙15 m3 angenommen werden.

In vielen Fällen muß der brauchbare Dünger gelagert und kompostiert werden, da dessen Verwendung durch die Landwirte nur im Frühjahr und Herbste möglich ist.

Die Verwendung von Verbrennungsöfen für Dünger hat sich infolge der vielen diesem beigemengten unverbrennbaren Bestandteile (Sand, Lösche u.s.w.) nicht bewährt.

Zu einer entsprechend ausgestalteten D. gehören insbesondere folgende Anlagen und Einrichtungen.


1. Dem täglichen Wageneinlaufe entsprechend lange Aufstellungsgleise für verunreinigte, für gereinigte und für jene Wagen, die infolge zu starken Einlaufes erst am nächsten Tag nach dem Eintreffen gereinigt werden können, endlich ein oder zwei Reservegleise.

2. a) Für kleinere Anlagen zwei Waschgleise mit dazwischen liegendem gepflasterten, etwa 3 m breiten Bahnsteig in Schienenhöhe samt Hydranten.

b) Für größere Anlagen gleichfalls zwei Waschgleise mit dazwischen liegender, etwa 4 m breiter und 1∙12 m hoher Waschbühne (Waschrampe) und entweder ein separates Nachreinigungsgleis oder derart lange Waschgleise, daß die gewaschenen Wagen von der Rampe abgezogen und in dem anschließenden Gleissteile nachgereinigt (Reinigen der Wagentritte, Räder und aller knapp an der Waschrampe befindlichen nicht erreichbaren Wagenteile) werden können. Auf dieser Waschbühne (Waschrampe) werden die aus den Wagen herausgenommenen Ausrüstungsgegenstände (Pferderiegel, Tränktroge, Absperrgitter, Türchen, Brettchen u.s.w.), die Arbeitsgeräte (Schaufeln, Besen, Kratzen) sowie die Schläuche und die Desinfektionsapparate zeitweilig hinterlegt. Auf dem unter a genannten Bahnsteig oder der unter b genannten Waschbühne (Waschrampe) befinden sich in Abständen von je 16 m die Warmwasserhydranten mit je 2 etwa 10 m langen Kautschukschläuchen. Diese Schläuche sollen, um ihre Haltbarkeit zu erhöhen, mit Draht umwickelt sein, der in Abständen von je 1 m gelötet ist, um ein Abwickeln zu erschweren. Die statt des Drahtes zuweilen angewendeten Holzkugeln an den Schläuchen bewähren sich nicht.

3. Bei kleinen Anlagen wird der auf den Bahnsteig oder auf einen neben den Gleisen befindlichen wasserdicht gepflasterten Platz herausgeworfene Dünger in eigene Düngergruben geworfen, die natürlich rechtzeitig entleert werden müssen. Bei größeren Anlagen wird neben den Waschgleisen (ein- oder beiderseitig) ein entsprechender, wasserdicht gepflasterter Düngerplatz etwa 4–5 m breit der ganzen Länge nach geschaffen, ein oder zwei Düngergleise hergestellt und täglich oder nach Bedarf der Dünger in die Wagen verladen. Ist es möglich, die unter 2 b erwähnten langen Wandgleise zu schaffen, so soll zuerst der Dünger aus den Wagen entfernt, dann die Wagen zur Waschrampe vorgezogen werden, wodurch der Vorteil erreicht wird, daß beim Wagenwaschen durch das unvermeidliche Weiterspritzen des Wassers kein Dünger in die Kanäle geschwemmt wird.

4. Bei großen Anlagen ein Manipulationsgleis für Kohle und Sendungen von Desinfektionsmitteln und -geräten sowie zum Abstellen etwaiger unbenutzter Düngerwagen.

5. Eine entsprechende Kanalisation zur Ableitung der verunreinigten Schmutzwässer in eine Reinigungsanlage.

6. Entsprechende Rohrleitungen mit Absperrschiebern für kaltes und warmes Wasser.

7. Eine Wasserstationsanlage mit Dampf- oder elektrischer Pumpe samt Hochbehälter, der mindestens den täglichen Wasserbedarf (bei kleinen Anlagen) oder den halbtägigen Wasserbedarf (bei großen Anlagen) zu fassen vermag, wenn nicht eine Wasserleitung zur Verfügung steht.

8. Ein Kesselhaus mit Warmwasseranlage.

Zur Beschaffung des heißen Wassers wird gewöhnlich Dampf verwendet, der sich mittels eines Mischventils (was sich weniger bewährt) oder mittels Strahlpumpen (Injektoren) mit dem kalten Wasser mengt. Bei großen Anlagen werden eigene Warmwasserniederdruckkessel errichtet oder es wird der Dampf mittels Düsen unmittelbar in die kaltes Wasser enthaltenden besonderen Warmwasserbehälter geleitet.

9. Für größere Anlagen ein Kohlenlagerplatz neben dem erwähnten Manipulationsgleis mit Rollbahn in das Kesselhaus.

10. Ein Arbeiterunterkunftshaus mit Trocken räumen für die Desinfektionskleider, Bad, Aufbewahrungsraum für die gewöhnlichen Kleider und Effekten der Arbeiter in eigenen verschließbaren und numerierten Kasten, ein Speiseraum mit[282] Kochherd, Raum für den Aufsichtsbeamten, Aborte und allenfalls eine Heizanlage.

11. Eine Kalkgrube.

12. Ein Trinkwasserbrunnen.

13. Eine Sedimentieranlage für die verunreinigten Waschwässer, wenn diese in vorhandene Unratskanäle geleitet werden können oder eine Kläranlage nach dem biologischen Verfahren mit Düngertrockenplatz, wenn die Ableitung der Schmutzwässer Schwierigkeiten verursacht.

14. Eine eigene Anlage für die verschärfte Desinfektion, die vollkommen abgesondert und entsprechend abgeschlossen sein muß. Da in dieser Anlage nur selten Wagen zur Desinfektion gelangen, so genügt ein Waschgleis auf Betonwürfeln mit dazwischen liegendem Pflaster und seitlich gepflasterten Plätzen, eine geräumige, wasserdichte, gemauerte Grube für die Waschwässer, eine wasserdichte, gemauerte Düngergrube, eine Kalkgrube und ein kleines Pumpenhaus mit Dampfkessel zur Schaffung des warmen Wassers, des nötigen Dampfes zur Desinfektion u.s.w. Ein kleiner Nebenraum soll den Arbeitern Gelegenheit bieten, sich zu entkleiden, die gewöhnlichen Kleider aufzubewahren und sich zu baden.

Die verunreinigten Kleider sind in dem Desinfektionsraum zu reinigen und dort zu lagern.

Für die Durchführung der verschärften Desinfektionen bei größeren Anlagen sind eigene Sodalaugenbehälter aufzustellen und für die nachherige Waschung mit chemischen Lösungen Desinfektionsapparate zu verwenden, die unter Druck die Lösungen in reichlichen Mengen gegen die Wagenwände, den Boden und die Decke spritzen. Diese Apparate müssen gegen Wärmeverluste geschützt sein.

15. Die Aufstellung eines Wasserkranes zum Abfassen von Lokomotivspeisewasser ist zu empfehlen.

16. Eine Beleuchtungsanlage ist in den meisten Fällen zu entbehren, da die Desinfektionsarbeiten bei Dunkelheit einzustellen sind.

In manchen D. (München, Nürnberg) sind die Waschgleise samt den Waschrampen (Waschbühnen) in eigenen Gebäuden untergebracht, was im Winter für die Arbeiter wohl besondere Vorteile bietet, aber die eigentliche Desinfektionsarbeit nicht wesentlich erleichtert, da die Wagen bei kalter Jahreszeit bereits mit gefrorenem Dünger in der D. anlangen.

17. Bei ganz isolierten Desinfektionsanlagen sind noch Dienst- und Wohngebäude mit den notwendigen Nebengebäuden an entsprechenden Stellen zu erbauen.

18. Auf die Möglichkeit der Desinfektion von Personenwagen ist bei den Anlagen für die Durchführung der verschärften Desinfektion (zu 14) entsprechend Rücksicht zu nehmen.

Lassak.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 3. Berlin, Wien 1912, S. 281-283.
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