Flaschenzüge

[94] Flaschenzüge (tackles, burtons, pulley-blocks; palans, moufles, poulies; tagli, paranci), ursprünglich nur Rollenzüge aus einer oder mehreren festen und einer oder mehreren losen, getrennt gelagerten unverzahnten Rollen bestehende Lasthebemaschinen, bei denen das Lastorgan (Seil, Kette) abwechselnd von einer losen Rolle zu einer festen übergeht und das eine Ende des Lastorganes in einem Rollengehänge festsitzt, während das andere Ende von Hand aus oder von einer Winde auf- oder abgewickelt wird.

Demgegenüber haben sich im Laufe der Zeit andere einfach gebaute, nicht ortsfeste Hebezeuge herausgebildet, bei denen weniger Gewicht auf die Wirkungsweise der Rolle gelegt wird und die Last durch verzahnte Kettenräder, meist in Verbindung mit Stirnrädergetrieben oder mit Schneckengetrieben gehoben wird; auch diese kleinen Lasthebemaschinen werden (obwohl dem Aussehen nach den älteren F. nicht ähnlich) F. genannt.

F. finden wohl in einzelnen Betrieben ständig wiederkehrende Anwendung; ihr ausgedehntes Verwendungsfeld ist aber die periodische Benützung, bei der es sich um die Hebung von großen Lasten handelt, und wird hierbei weniger auf guten Nutzeffekt als auf einfache Bauart gesehen, um den F. leicht übertragen zu können. Aus diesem Grunde sind auch die Materialbeanspruchungen sehr hohe, und übersteigt der Sicherheitskoeffizient gewöhnlich nicht das vierfache.

Die einfachste Anordnung der ursprünglichen Rollen-F. bildet die sogenannte lose Rolle in Verbindung mit einer festen Rolle (Abb. 84).


Die Last Q hängt an 2 Seilsträngen und hat demnach jeder Strang die Hälfte zu tragen. Theoretisch ist P = Q/2, da die feste Rolle keinen Einfluß auf das Maß der Übersetzung ausübt.

Auf demselben Grundgedanken beruht auch die Ausführung der gewöhnlichen Rollen-F. nach Abb. 85, bei denen die getrennten Flaschen je eine Anzahl fester und loser Rollen enthalten. Die obere, feste Flasche ist mit einem Traghaken ausgestattet, an dem der F. an der Gebrauchsstelle aufgehängt wird; auf einer gemeinsamen Achse sitzen die festen Rollen; die untere lose Flasche ist ebenso ausgestattet. Die Seilführung beginnt bei einem fixen Punkt der oberen Flasche, führt zu einer unteren losen Rolle, dann nach deren Umspannung zu einer oberen festen Rolle u.s.w. und endigt nach Umspannung einer festen Rolle als freier Zugstrang, der die Kraft P = Q/2n zu übertragen hat, wenn n die Anzahl der losen Rollen bezeichnet, nachdem die Last an 2n Seilsträngen hängt.

Mit Rücksicht auf die Reibungen in den Rollenlagern und Seilwiderständen ist die theoretische Zugkraft um das Maß dieser Widerstände zu vergrößern, also P' = 1∙25–1∙50 P, wenn 3–4 lose Rollen in Anwendung kommen.


Gewöhnlich werden bei den Rollen-F. Hanf- oder Drahtseile, selten Ketten, als Lastorgan benützt. Das Verwendungsfeld der Rollen-F. ist ein begrenztes, weil einerseits das Übersetzungsverhältnis ein kleines ist und sich mit der Rollenzahl die Wirkungsverluste mehren, andererseits die für diese Hebezeuge sehr notwendige [94] Selbsthemmung nicht vorhanden ist.

Die Verwendbarkeit dieser F. beschränkt sich wesentlich auf vorübergehende Benützungen zum Heben mäßiger Lasten, wobei die geringen Anschaffungskosten, leichte Transportfähigkeit und einfache Aufhängung in erster Linie zu berücksichtigen sind und ein augenblicklicher Mehrverbrauch an motorischer Kraft weniger ins Gewicht fällt.

Sie bilden jedoch ein sehr vorteilhaftes Hilfsgetriebe für Hebemaschinen mit Räderwerk, um von vornherein die Last auf mehrere tragende Kettenstücke zu verteilen, da hierdurch die Kette und der ganze Windenmechanismus schwächer gehalten werden kann.

Ebenso bedeutungsvoll ist die umgekehrte Benützung der F. als Hubmultiplikatoren bei Hebemaschinen mit Treibkolben, bei denen sie zur Erreichung größerer Hubübersetzungen eingeschaltet werden.

Der Bedingung der Selbsthemmung kam zuerst der im Jahre 1861 gebaute Weston- oder Differentialflaschenzug nach. Dieser besteht, wie aus Abb. 86 zu ersehen, aus 2 Flaschen.


Die eine Flasche F1 ist beweglich und enthält bloß eine lose Kettenrolle, die zweite, nicht bewegliche Flasche F2, die an dem Verwendungsort mittels des Hakens aufgehängt wird, enthält 2 aus einem Stück hergestellte Kettenrollen, deren Umfange Taschen enthalten, in die sich die Kettenglieder hineinlegen, wobei die Anzahl der Taschen in den beiden Umfangen um eins differiert, so z.B. 7/8, 8/9, 9/10 u.s.w.

Die beiden Kettenrollen (Abb. 87) werden von einem endlosen Kettenstrang derart umspannt, daß eine lose Kettenschlinge entsteht.

Die Last hängt vermittels der unteren Rolle an 2 über die Doppelrolle gehenden Kettensträngen, die jedoch in verschiedenen Entfernungen R und r von der Achse angreifen. Wird nun an dem einen losen Strang mit der Kraft P gezogen, so wird sich die Last entsprechend der Größe des größeren Radius R heben, dagegen entsprechend dem kleineren Radius r senken; das Ergebnis wird jedoch ein Heben der Last im Verhältnis der Differenz der beiden Radien R und r sein. (Daher auch der Name Differentialflaschenzug.) Die Differenz der Radien, an denen die Lastkettenstränge wirken, ist sehr klein und die obere Doppelrolle nahezu im Gleichgewicht; die auftretenden Widerstände als: Kettenreibungen, Lagerreibungen u.s.w. genügen schon bei kleinerer Taschenzahl 7 : 8, um den F. selbsthemmend zu gestalten. Bei größeren Taschenzahlen ist die Selbsthemmung umso wirksamer. Das Übersetzungsverhältnis bei kleineren F. beginnt mit etwa 1 : 7 und wächst mit der Zahl der größeren Taschenanzahl; der Nutzeffekt bei 7 : 8 Zähnen beträgt ungefähr 44%, fällt aber bei größerer Taschenzahl (z.B. 33% bei 14 : 15 Taschen).

Die zum Heben der Last Q erforderliche theoretische Kraft P0 rechnet sich aus:


Flaschenzüge

wenn mit R und r der große und kleine Rollenradius (s. Abb. 86) bezeichnet wird.

Unter Berücksichtigung der Reibungswiderstände rechnet man die tatsächlich aufzuwendende Kraft P zum Heben der Last Q aus:


Flaschenzüge

worin z = 0,02 bis 0,025.


Wenn auch der Westonzug ein entschiedener Fortschritt (große Übersetzung, Selbsthemmung, kurze Baulänge) gegenüber den Rollenzügen bedeutet, so wird das Verwendungsfeld doch eingeengt in Ansehung der noch immer großen Kettenzüge und des schlechten Wirkungsgrades. Westonzüge über 2000 kg Tragkraft sind nicht mehr vorteilhaft. Bei Westonzügen soll die Probelast auf dem Flaschenzug ersichtlich gemacht werden, und die zulässige Belastung bloß 0,7 der Probelast betragen.

Der zurzeit am häufigsten in Verwendung stehende F. ist der Schraubenflaschenzug, bei dem eine Schraube ohne Ende und ein Schneckenrad zum Betrieb der Rolle in der festen Flasche in Verwendung kommen. Die Zugkraft wird bei diesen F. nicht am losen Ende der Lastkette ausgeübt, sondern an einer Handkette ohne Ende, die den halben Umfang einer Kettenrolle umschließt, welch letztere auf der Schraubenwelle fest aufgekeilt sitzt.

In Abb. 88 ist ein Schrauben-F. von E. Becker in Berlin dargestellt.


Dieser besteht aus einer Büchse b, die mit dem Gestell des Hebezeugs fest zusammenhängt und durch die eine Druckschraube s tritt. Gegen diese Druckschraube stützt sich ein Zapfen z, der in der Büchse b gelagert ist und an seinem frei hervorstehenden Kopf eine Sperradverzahnung e trägt,[95] außerdem aber auch das konisch ausgedrehte Lager der Welle w bildet, die von der zu hebenden Last in diesen Konus hineingepreßt wird.

Der Sperrkegel k, der durch eine Feder niedergehalten wird, greift in die Sperradverzahnung e. Die Drehrichtung für das Anheben der Last ist derart, daß der Sperrkegel über die Zähne hinweggleitet; der Zapfen z wird durch Reibung zwischen den konischen Flächen h mitgenommen und dreht sich auf der Spitze der Druckschraube, gegen die er gepreßt wird, indem die Reibung auf der Druckschraube kleiner ist als jene zwischen den konischen Flächen.

Die Drehrichtung für den Niedergang der Last ist eine umgekehrte, und bei dieser hält der Sperrzahn k den Zapfen z fest und die Welle w muß sich in der konischen Lagerung drehen. Die Abmessungen lassen sich derart ermitteln, daß die Reibungsarbeit in dem Lagerkonus für den Niedergang so groß wird, daß sie den Rücktrieb des Hebezeugs mit hohem Sicherungsgrad überwiegt.


Die Schrauben-F. weisen infolge Verwendung eines doppelgängigen Schneckengetriebes, das gut geschmiert werden kann, einen Nutzeffekt von 60–65% auf; gleichzeitig ist aber auch ihr Übersetzungsverhältnis ein sehr hohes, so daß sehr schwere Lasten gehoben werden können. Sie werden für geringere Lasten ohne untere Rolle, hingegen für Lasten von 1000 bis 7500 kg mit unterer Rolle ausgeführt.

F. für 10.000 kg und mehr erhalten außer der Schneckenradübersetzung noch eine Stirnräderübersetzung (Stahlgußrad mit aus dem vollen gefrästem Triebling), um den Handkettenzug über eine gewisse Größe (etwa 50 kg) nicht wachsen zu lassen.

Abb. 89 zeigt die Anordnung eines derartig schweren F. der Firma A. Winkler in Schwechat bei Wien. Die Schrauben-F. zeichnen sich durch leichte Handhabung und geringe Abnutzung aus. Letztere ist insbesondere deshalb eine geringe, weil infolge des ruhigen Ganges des Schneckengetriebes sich die Kettenglieder ohne Stöße in die Aussparungen der Rollen einlegen und weil es ferner möglich ist, die der Abnutzung unterworfenen Teile (Schraube und Schneckenrad) zu schmieren.

Für kleinere Lasten sind in letzterer Zeit namentlich Stirnradflaschenzüge gebaut worden, deren Nutzeffekt etwas besser als jener der Schrauben-F. ist (etwa 70–75%). Besonders für kleine Lasten steht der sogenannte Schnellflaschenzug in Verwendung.

Dieser wird ohne untere Flasche gebaut, besitzt 2 freie Lastkettenenden, an denen sich je ein Lasthaken befindet. Dadurch entfällt nach Hebung der Last das zeitraubende Niederlassen des Lasthakens, da inzwischen der soeben leer niedergelassene Lasthaken zum Heben einer zweiten Last bereit ist. Auch diese F. werden selbsthemmend durch Vermittlung einer Schraube gebaut, an der sich eine von der Last bewegte Mutter achsial vorschiebt und dadurch einen Reibungsschluß ähnlich wie bei den Schrauben-F. erzeugt.

Auch für größere Lasten bis etwa 5000 kg werden Stirnrad-F. erzeugt, doch ist hierbei die notwendige Übersetzung nur durch mehr oder minder vielteilige Bauarten und starke Beanspruchungen in hochwertigen Materialien ermöglicht.

Alle jene F. mit Kettenrollen, die Einkerbungen für gleichgliedrige kalibrierte Lastketten besitzen, weisen den Übelstand auf, daß bei etwaiger Streckung der Kettenglieder diese nicht mehr genau in die Vertiefungen der Rollen passen und selbst ein Abgleiten der Ketten stattfinden kann.

Frei von diesem Nachteil ist der sog. archimedische F., der aus zwei mit Schneckengewinden versehenen Windentrommeln besteht. In den Gängen der Schneckengewinde wickelt sich je eine Lastkette gleichmäßig und gleichzeitig nach entgegengesetzter Richtung auf oder ab. An den Enden der genannten[96] zwei Ketten ist mittels einer Traverse ein Lasthaken zur Aufnahme der Last befestigt. Zur sicheren Kettenführung liegen die Achsen der beiden Kettentrommeln nicht in einer gemeinschaftlichen Vertikalebene, sondern sind gegeneinander etwas versetzt. Der Antrieb der Windentrommeln erfolgt durch eine Schnecke, die gleichzeitig in zwei Schneckenräder eingreift, von denen eines auf der oberen, eines auf der unteren Trommelwelle sitzt. Für die Drehung der Schnecke ist eine Handkette mit Kettenrad vorgesehen.

Infolge Anwendung des Schneckengetriebes besitzt auch dieser F. Selbsthemmung. Zur Herabminderung der Schraubenreibung ist eine Selbstschmierung für den Zahneingriff angebracht.

Der archimedische F. mit übereinanderliegenden Windentrommeln wird für Lasten bis etwa 5000 kg ausgeführt.

Mit der Verbreitung der Elektrizität sind auch elektrisch betriebene F. in Verwendung gekommen, bei denen Rundgliedketten, Gallsche Ketten und Drahtseile als Lastorgane dienen. Infolge ihres größeren Gewichtes bleiben sie gewöhnlich an einem festen Standpunkt und haben daher mehr den Charakter eines ortsfesten Hebezeuges.

Spitzner.

Abb. 84.
Abb. 84.
Abb. 85.
Abb. 85.
Abb. 86.
Abb. 86.
Abb. 87.
Abb. 87.
Abb. 88.
Abb. 88.
Abb. 89.
Abb. 89.
Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 5. Berlin, Wien 1914, S. 94-97.
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Faksimiles:
94 | 95 | 96 | 97
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