Freigepäck

[212] Freigepäck (bagages transportés gratuitement; freight-free luggage; paccotiglia), das Reisegepäck, dessen Beförderung bis zu einem für jede Fahrkarte festgesetzten Höchstgewicht die Eisenbahn gebührenfrei übernimmt. Die Gewährung des F., das noch einen Rückstand des Personenpostverkehres bildet, hat vom praktischen Standpunkte insofern etwas für sich, als dadurch für den Eisenbahndienst eine Erleichterung bei der Gepäckabfertigung geschaffen wird und auch die Reisenden bewogen werden, nicht zu viel Handgepäck in die Wagen zu nehmen. Grundsätzlich ist indes die Gewährung von F. nicht zu billigen, weil die Abfertigung und Beförderung des Gepäcks nicht unerhebliche Kosten verursachen, die irgendwo Deckung finden müssen, entweder in der Gepäckfracht des frachtpflichtigen Gepäcks oder im Personenfahrpreis. Jedenfalls muß auf diese Weise ein Teil der Reisenden diese Kosten für die anderen Reisenden aufbringen. Diese Ungerechtigkeit in Verbindung mit den unvermeidlichen Mißbräuchen dürften wohl zu einer weiteren Aufhebung des F. führen. Die deutschen Bahnen haben bei der letzten Tarifreform das F. beseitigt. Auch in Österreich-Ungarn, Belgien, Italien, den Niederlanden und der Schweiz wird F. im allgemeinen nicht mehr gewährt.[212]

In Frankreich hat der Reisende für sein Gepäck, das das Gewicht von 30 kg nicht übersteigt, keine Gepäckfracht zu bezahlen. Diese Frachtfreiheit erstreckt sich nicht auf frei beförderte Kinder und ist für die zum halben Preise beförderten Kinder auf 20 kg herabgesetzt.

Nach Art. 33 des russischen Eisenbahngesetzes gibt jede Fahrkarte das Recht auf kostenfreie Beförderung von 1 Pud Gepäck, eine Kinderfahrkarte von 20 Pfund Gepäck.

Die schwedischen Staatsbahnen gewähren 25 kg (für Kinder 12 kg), die dänischen Eisenbahnen für Marktgut 20 kg F.

Die englischen Bahnen gewähren im inneren Verkehr für I. Klasse 55–68 kg, II. Klasse 45–54 kg, für III. Klasse 27–45 kg F. Gepäckfracht wird nur erhoben, wenn das Übergewicht augenfällig ist.

Auf Freikarten wird nicht selten auch bei Bahnen F. bewilligt, die ein solches tarifmäßig nicht zugestehen. Beispielsweise berechtigen die den Mitgliedern des deutschen Reichstags auf den deutschen Eisenbahnen zugestandenen Freikarten zur freien Beförderung von mitgeführtem Reisegepäck bis zu 50 kg. Auch die deutschen Freikarten, die österr.-ungar. Verbandkarten u.s.w. geben Anspruch auf 25 kg F.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 5. Berlin, Wien 1914, S. 212-213.
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