[293] Gepäckräume, Gepäckhallen, Gepäckabfertigung (luggage offices; bureaux des bagages; uffici bagagli), (vgl. auch die Artikel Gepäckabfertigung, Gepäckexpedition) sind die Räume in den Eisenbahnempfangsgebäuden, in denen die Gepäckabfertigung, d.h. die Annahme, Ausgabe und zeitweilige Aufbewahrung des Reisegepäcks und des nach Art des Reisegepäcks versandten Gutes (Bestellgut, Expreßgut) stattfindet. Man unterscheidet Gepäckannahmestelle und Gepäckausgabestelle, wenn auch beide meist räumlich vereinigt sind. Zu den G. gehören auf großen Bahnhöfen auch die Diensträume für den Vorsteher und sonstige ihm beigegebene Beamte, ferner Aufenthaltsräume für die Gepäckträger. Als Ergänzung der Gepäckausgabe sind ferner auf großen Bahnhöfen in der Regel besondere Räumlichkeiten für die Lagerung des angekommenen, aber zunächst von den Reisenden nicht abgenommenen[293] Gepäcks vorhanden. Namentlich in Frankreich nehmen diese Räume (dépots) oft in gesonderter Lage einen bedeutenden Umfang an. In England sind für die Gepäckabfertigung gewöhnlich nur Zettelregale in der Eintrittshalle oder auf dem als solche mitbenutzten Bahnsteig (nebst selten benutzter Wage) und an eigentlichen G. nur auf großen Bahnhöfen Räume mäßiger Größe für nicht abgenommenes Gepäck (left luggage) vorhanden. In Nordamerika liegt die Gepäckabfertigung regelmäßig abseits von den für Zu- und Abgang der Reisenden bestimmten Räumlichkeiten.
Unter mitteleuropäischen Verhältnissen liegt die Gepäckannahmestelle in der Regel und zweckmäßig nahe bei der Fahrkartenausgabe. Sie besteht entweder aus einem besonderen an die Eingangshalle anstoßenden Räume, oder es ist, namentlich in größeren Empfangsgebäuden (s.d.), ein Teil der Eingangshalle oder einer angrenzenden Gepäckhalle durch Einbau eines Gepäcktisches als G. abgetrennt. Zweckmäßig ist eine unmittelbare Verbindung der Gepäckannahmestelle mit dem Bahnhofsvorplatz.
Wo auf kleinen und mittleren Bahnhöfen keine Tunnel oder Brücken als Bahnsteigzugang für die Reisenden angeordnet werden, soll die Gepäckannahmestelle an die bahnsteigseitige Wand des Empfangsgebäudes grenzen oder nach dem Bahnsteig eine kurze Verbindung besitzen. Wo jedoch die Reisenden durch Tunnel oder Brücken schienenfrei auf die Bahnsteige gelangen, vermeidet man gern Berührungen zwischen Gepäckkarren und Reisenden, indem man erstere mit Gepäcktunnel oder Gepäckbrücken (s.d.) und Aufzügen (auch Förderbänder oder Rutschen) nach den Enden der Personenbahnsteige oder nach besonderen Gepäckbahnsteigen (s.d.) hinführt. Eine doppelte Bewegung der Gepäckkarren in lotrechtem Sinne (Hebung und Senkung oder Senkung und Hebung) ist hierbei ungünstig. Sie wird vermieden, wenn die Eintrittshalle des Empfangsgebäudes nicht in Bahnsteighöhe, sondern etwa in Höhe der Tunnelsohle oder der Brückenoberkante angeordnet wird. Im ersteren Falle wird bisweilen ein Teil der Gepäckannahmeräume in Erweiterungen der Tunnel oder in Unterhöhlungen der Bahnsteig- und Gleisanlage verlegt. Liegt das ganze Empfangsgebäude unter oder über den Bahnsteiggleisen, so kann auch die Gepäckabfertigung unter oder über (Kopenhagen, s.u.) den Gepäckbahnsteigen angeordnet werden, so daß diese durch Aufzüge unmittelbar mit der Gepäckannahmestelle in Verbindung stehen. Legt man auf Bahnhöfen in Kopfform die Bahnsteiganlage in Geländehöhe, so müssen die Gepäckkarren entweder gesenkt und gehoben oder über den Querbahnsteig gerollt werden. Letzteres hielt man früher für unbedenklich, hat aber doch, z.B. auf Bahnhof Frankfurt a. M., hierin einen erheblichen Übelstand erkannt.
Die Ausgabe des Reisegepäcks erfolgt vielfach auf den Bahnsteigen, namentlich auf kleinen und mittleren Bahnhöfen. Die Anordnung besonderer Gepäckausgabestellen (bagages à l'arrivée, distribuzione bagagli) kommt daher nur auf sehr großen Bahnhöfen in Frage, namentlich auf solchen, wo die Wege der ankommenden Reisenden von denen der abfahrenden vollständig getrennt sind.
Die Gepäckausgabestelle soll dann gleichfalls j in guter Verbindung mit außen liegen, u.zw. mit dem Vorplatz oder dem Teil des Vorplatzes, auf dem die Droschken, Hotelomnibusse u.s.w. halten, und den man auf großen französischen Bahnhöfen zu überdachen pflegt. Solche Gepäckausgabestellen befinden sich in der Regel in einer besonderen Halle, in der das Gepäck innerhalb eines durch einen langen Gepäcktisch umrahmten Raumes, gewöhnlich nach den Nummern der Gepäckscheine geordnet, hingelegt wird, während die Reisenden außerhalb der durch den Gepäcktisch gebildeten Umrahmung sich befinden und sich durch Gepäckträger ihre Gepäckstücke herausgeben oder nach der Droschke oder dem Hotelwagen bringen lassen. Auf großen französischen Bahnhöfen ist in der Regel eine doppelte Reihe Gepäcktische, zur Erzielung möglichst großer Länge im Zickzack, angeordnet. Auf den inneren Gepäcktischen liegen die Gepäckstücke. Zwischen beiden Gepäcktischen bewegen sich die Gepäckbediensteten, die die Gepäckstücke herausgeben.
Auch dort, wo Gepäckannahmestelle und Gepäckausgabestelle getrennt sind, ist es erwünscht, beide, wenn es sich ermöglichen läßt, in innerem Zusammenhange anzuordnen, oder sie wenigstens durch einen von anderen Verkehrswegen nicht gekreuzten Weg (Tunnel oder Brücke) zu verbinden, damit das ankommende Gepäck, soweit es nicht abgenommen wird, von der Lagerungsstelle bequem zur Gepäckannahmestelle zur Weiterabfertigung überführt werden kann. Bei Seitenlage des Empfangsgebäudes eines Bahnhofs in Durchgangsform ergibt sich bei getrennten Zu- und Abgängen zwanglos die Vereinigung der G., wenn sie zwischen Zu- und Abgangswegen angeordnet werden, wie in Straßburg, Köln, Düsseldorf u.s.w. Nach ähnlichen Grundsätzen, aber in anderer Ausführung, trennen bei dem ganz über den Bahnsteiggleisen liegenden Empfangsgebäude Kopenhagen (s. Gepäckbrücke) die[294] vereinigten G. die quer über die Bahnsteiganlage sich erstreckende Zugangshalle von der Ankunftshalle. Liegen die Bahnhofsvorplätze für Zu- und Abgang der Reisenden an verschiedenen Seiten der Bahnhofsanlage, so ergibt sich die Verbindung der Gepäckannahmestelle und der Gepäckausgabestelle oft nur auf weiten und umständlichen Wegen unter Benutzung der von beiden zu den Bahnsteigen führenden Tunnel oder Brücken. Liegen Zu- und Abgang einander gegenüber auf den beiden Seiten eines Bahnhofs in Durchgangsform, so kann auch ein gerader die Bahnsteiganlage überquerender Gepäckweg beide verbinden (Hamburg). In älteren Empfangsgebäuden, namentlich solchen in Kopfform, fehlt bisweilen eine Verbindung ganz.
Nachdem es in neuerer Zeit immer mehr üblich geworden ist, daß die ankommenden Reisenden ihr Gepäck nicht selbst abnehmen, sondern durch Gepäckbeförderungsgesellschaften oder Hotelbedienstete nach der Wohnung befördern lassen, haben die besonderen Gepäckausgabestellen an Bedeutung eingebüßt, und es ist selbst auf Bahnhöfen mit erheblichem Verkehr oft unbedenklich, die Gepäckausgabe der Gepäckannahmestelle mit zu überweisen, wenn nur diese in unmittelbarer Verbindung mit dem Vorplatz liegt.
Besondere Bedingungen, die auch eine weitergehende Fürsorge für Raumtrennung erfordern, bestehen auf Bahnhöfen, auf denen Zollrevision stattfindet (vgl. Empfangsgebäude).
Zu den G. gehören auch die Räume zur vorübergehenden Aufbewahrung von Gepäckstücken, namentlich von Handgepäck (cloak room; consigne; deposito bagagli a mano). Diese Räume sind mit Regalen zur Lagerung der Gepäckstücke ausgerüstet. Annahme und Rückgabe, bei großem Verkehr gesondert, erfolgen durch Luken, deren Unterkanten als Gepäcktische ausgebildet sind. Die Räume sollen so liegen, daß der ankommende Reisende sie auf seinem Wege zur Stadt findet und der abfahrende Reisende das Gepäck in der Nähe des Fahrkartenschalters zurücknehmen kann. Bei getrennten Zu- und Abgängen läßt sich dies oft schwer erreichen. Bisweilen hat man deshalb doppelte Stellen vorgesehen und das an der Ankunftseite aufgegebene Gepäck bahnseitig der an der Abfahrtseite gelegenen Stelle zugeführt.
Literatur: Eis. T. d. G. II, 3. 1. Aufl. 1899. Hb. d. Arch. IV., 2, 4.
Cauer.