Gepäcktarife

[296] Gepäcktarife (luggage-tarifs; tarifs des bagages; tariffe, tasse dei bagagli). Zusammenstellungen der Bedingungen und Preise für das von den Reisenden aufgegebene Gepäck. Die G. sind in den einzelnen Ländern sehr verschieden, u.zw. sowohl in Hinsicht auf die Art der Tarifbildung als auch in bezug auf die Höhe der Sätze und die Gewährung von Freigepäck. Im Interesse der Vereinfachung der Gepäckabfertigung, die in der Regel mit besonderer Eile erfolgen muß, empfiehlt sich eine möglichste Vereinheitlichung und Einfachheit der Tarife, insbesondere die Anwendung von Zonen sowohl bezüglich des Gewichts als der Beförderungspreise.

Die einfachste Form des G. ist der sog. Kilometertarif, d.h. ein mit der Entfernung gleichmäßig ansteigender Tarif. Ein solcher besteht u.a. bei den belgischen, französischen, italienischen, niederländischen und schweizerischen Eisenbahnen. Der Einheitssatz beträgt für das tkm bei den


belgischen Staatsbahnen60 Ct.
italienischen Staatsbahnen46·4 Ct.
niederländischen Eisenbahnen60 Ct.
schweizerischen Bundesbahnen50 Ct.

Die französischen Eisenbahnen nehmen bis 40 kg 50 Ct., über 40 kg 40 Ct. für das tkm, die österreichischen Staatsbahnen bis 300 km 40 h, über 300 km 30 h, für Musterkoffer 20 h für das tkm.

In Deutschland, Ungarn und Rußland bestehen Zonentarife.

Der deutsche Tarif, der von sämtlichen deutschen Staatsbahnen und allen wichtigeren Privatbahnen angenommen ist, beruht auf dem – allerdings nur mit einigen Abweichungen durchgeführten – Grundgedanken, daß als Fracht für je 25 kg und 50 km 25 Pf. einzuheben sind, enthält acht Gewichtsstufen mit einer Vorstufe und 15 Entfernungsstufen; die Fracht der Vorstufe (bis zu 25 kg) enthält eine besonders große Verbilligung und wird, wenn mehrere Reisende ihr G. auf ein und denselben Gepäckschein aufgeben, jedem von ihnen gutgebracht. Außerdem enthält der deutsche Tarif einen ermäßigten Satz für Fahrräder auf Entfernungen bis zu 100 km, der eine besondere Abfertigungsart auf Fahrradkarte voraussetzt (vgl. Fahrradbeförderung).


Bei Reisegepäck bis zu 200 kg wird im Falle der Aufgabe des Gepäcks mehrerer zusammengehörender und nach einer Bestimmungsstation reisender Personen auf einen Gepäckschein die Gepäckfracht in der Weise berechnet, daß auf die um eins verminderte Anzahl der vorgewiesenen Fahrkarten je 25 kg des vorhandenen Gepäckgewichts nach den Sätzen der Vorstufe gerechnet, für das etwaige Restgewicht aber die Sätze der zutreffenden Gewichtstufe angewendet werden. Beträgt dieses Restgewicht 26–35 kg, so ist dafür der Satz der Gewichtstufe 36–50 kg anzuwenden.


Der deutsche Tarif, der nur bei gleichzeitiger Lösung von Fahrkarten in Anwendung kommt, stellt sich bei Vorweisung nur einer Karte wie folgt:[296]


Gepäcktarife

Der ungarische Tarif enthält sieben Entfernungszonen.


Gepäcktarife

Der Zonentarif der russischen Bahnen umfaßt von 301 Werst an Entfernungszonen zu 25, 30, 35, 40, 45, 50 und 70 Werst. Die Gebühr beträgt für 10 Pfd. des Übergewichts bis 300 Werst 0∙0575 Kop. f.d. Werst, von 301–325 werden ebenso wie für 300 Werst 17∙25 Kop., für weitere Zonen je 1∙5 Kop. f.d. Zone gerechnet.


In Dänemark werden für je 5 kg Übergewicht erhoben:


bis 25 km15 Öre
bis 26– 50 km25 Öre
bis 51–100 km35 Öre
bis101–169 km50 Öre
bis170–256 km60 Öre
bis257–400 km70 Öre
über400 km80 Öre

In Schweden beträgt die Gebühr für je 10 kg und je 5 Entfernungszonen 10 Öre.

Die englischen Eisenbahnen haben für den 1. Januar 1914 die Einführung eines neuen erhöhten Gepäcktarifs in Aussicht genommen. Es wird künftig erhoben werden:


auf Entfernungen bis 48 km 4·7 Pf/kg
auf Entfernungen bis 80 km 9·4 Pf/kg
auf Entfernungen bis 160 km14 Pf/kg
auf Entfernungen bis 240 km18·7 Pf/kg
auf Entfernungen bis 480 km37·4 Pf/kg
auf Entfernungen über 480 km56·2 Pf/kg

Für Geschäftsreisende, Reisende, die unterwegs Vorträge halten, Auswanderer, Seeleute, Fischer und noch einige andere Klassen von Reisenden bestehen Sondertarife.


Allen Gepäcktarifen gemeinsam ist, daß sie Mindesterhebungsbeträge vorsehen (in Deutschland je nach der Entfernung 0∙20 M., 0∙50 M. oder 1 M., österreichische Staatsbahnen 0∙20 K, ungarische Staatsbahnen die Fracht für 50 kg, schweizerische Bundesbahnen 0∙25 Fr., belgische Staatsbahnen 0∙50 Fr., italienische Staatsbahnen 0∙70 Fr. u.s.w.).

Bei Gewährung von Freigewicht ist die Anwendung des Gepäcktarifs gewöhnlich davon abhängig gemacht, daß der Aufgeber eine Fahrkarte nach der Bestimmungsstation des G. besitzt. Das Erfordernis des Besitzes einer Fahrkarte ist namentlich dann nicht zu umgehen, wenn, wie z.B. in Deutschland, der Gepäcktarif so niedrig ist, daß sonst die Versuchung allzugroß wäre, Gegenstände, die kein Reisegepäck sind, als solches zu befördern. Wo eine Fahrkarte nach der Bestimmungsstation des G. nicht aufliegt, genügt es, in Deutschland und Österreich-Ungarn eine Fahrkarte nach der zur Lösung neuer Fahrkarten geeigneten weitestgelegenen Station zu lösen. Nach dem niederländischen und schweizerischen Transportreglement kann im allgemeinen Vorweisung der Fahrkarte verlangt werden. Nach der Instruktion zu letzterem Reglement wird jedoch diese Vorweisung nur in den Ausnahmsfällen verlangt, wenn Freigepäck gewährt wird oder wenn zwischen Versand- und Bestimmungsstation verschiedene Routen bestehen.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 5. Berlin, Wien 1914, S. 296-298.
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