[39] Hackworth Timotheus, englischer Ingenieur, der in den ersten Jahrzehnten des verflossenen Jahrhunderts die Entwicklung der Dampflokomotive wesentlich gefördert hat.
Die Tätigkeit H. beginnt beim Bau der Lokomotive »Puffing Billy« 1813, an deren Ausführung und Entwurf er neben W. Heydley (Leiter der Wylam-Kohlengewerkschaft) und Jonathan Foster (Leiter der Schmiede) als technischer Vorstand großen Anteil hatte. Seine Mitarbeit an dieser, einen Wendepunkt in der Entwicklung des Lokomotivbaues darstellenden Maschine war so groß, daß diese Lokomotive meist »Timotys Billy« genannt wurde. Als G. Stephenson im Vereine mit E. Pease eine Lokomotivfabrik in New Castle upon Tyne errichtete, gewann er H. als technischen Leiter für dieses Unternehmen. Auf den Entwurf der für die Stockton-Darlington-Bahn 1825 in dieser Fabrik gebauten ersten Lokomotive »Locomotion« (heute noch vorhanden und im Bahnhofe Darlington der North-Eastern-Bahn aufgestellt) nahm H. großen Einfluß.
Die um diese Zeit aufgetretenen großen Eisenbahnpläne ließen den Bau von Lokomotiven so aussichtsreich erscheinen, daß H. sich mit der Absicht trug, selbst eine Lokomotivfabrik zu gründen. G. Stephenson, der den Wettbewerb für sein junges Unternehmen fürchtete, gelang es, H. zu überreden, die Stellung eines Maschinenmeisters an der Stockton-Darlington-Bahn anzunehmen.
In den Werkstätten dieser Bahn, in Shildon, fand H. Gelegenheit, Verbesserungen an den Einzelheiten der von Stephenson gebauten Lokomotiven vorzunehmen. Die vielen Betriebsanstände mit diesen Maschinen veranlaßten ihn, den Direktoren den Vorschlag zu machen, selbst eine bessere Lokomotive zu bauen. Man stellte ihm eine von Wilson in New Castle gebaute Lokomotive, die bei einem Bahnunfalle dienstuntauglich geworden war, zur Verfügung. Von dieser Lokomotive, die auf zwei Achsen gelagert war, und die über jedem Rade lotrecht einen Zylinder angeordnet hatte, blieb nur der Kessel verwendbar. Nach dem Vorbilde der von R. Stephenson im Jahre 1826 für die Stokton-Darlington-Bahn gelieferten Lokomotive »Experiment« mit drei durch Kuppelstangen verbundenen Achsen und schräg am Hinterende des Kessels angebrachten Zylindern mit direktem Angriffe der Treibstange auf den Treibrädern (erster Sechskuppler) setzte er auch den Kessel seiner umgebauten Lokomotive auf drei unter sich gekuppelte Achsen. Zur Vermeidung der schweren, breit ausladenden Kreuzkopfführungen an den älteren Stephenson-Lokomotiven legte er die zwei Dampfzylinder lotrecht an das hintere Kesselende, direkt in die Ebene der Kuppelstangen. Durch Anordnung eines Umkehrflammrohres im Kessel erzielte er eine bedeutende Erhöhung der Dampfentwicklung und der Leistung. Diese im Jahre 1827 fertiggestellte Lokomotive »Royal George« erwies sich den älteren Stephenson-Lokomotiven weitaus überlegen, ebenso wie die später von H. teils in der Bahnwerkstätte, teils nach seinen Plänen bei R. Stephenson in New[39] Castle und bei Hawthorn in New Castle nach dem Vorbilde der »Royal George« gebauten Lokomotive (bis 1832 im ganzen 12 Stück).
An den der Eröffnung der Liverpool-Manchester-Bahn vorangegangenen bekannten Wettfahrten bei Rainhill (Oktober 1829) beteiligte sich H. mit der nach seinen Plänen in der Stephensonschen Fabrik New-Castle gebauten Lokomotive »Sans Pareil«, die im South-Kensington-Museum fast in Originalform heute noch zu sehen ist. Verschiedene Anstände bei den Probefahrten, die von Gegnern Stephensons als beabsichtigte Ausführungsfehler der die »Sans Pareil« erbauenden Firma hingestellt wurden, führten dazu, daß diese Lokomotive, trotzdem sie ausgezeichnet Dampf machte, von dem Wettbewerbe zurücktreten mußte.
Ursache des guten Dampfmachens war, daß H. den ausströmenden Dampf wie schon vor ihm v. Threvithick, Heydley, Stephenson in den Rauchfang ableitete, jedoch abweichend von den genannten Vorausführungen durch ein konaxial mit dem Rauchfange stehendes Rohr (Blasrohr) mit verengter (konischer) Mündung, wodurch erst eine energische Feueranfachung und genügende Dampferzeugung erzielt wurden.
Die großen Leistungen der von G. und R. Stephenson in New Castle gebauten Lokomotive »Rocket«, die den ersten Preis erhielt, sind darauf zurückzuführen, daß G. Stephenson an seiner »Rocket« das in den Rauchfang einmündende Auspuffrohr nach dem ersten Tage der Probefahrten, in der an der »Sans Pareil« zum erstenmal ausgeführten Weise abänderte. Großes Interesse bietet auch die von H. im Jahre 1830 für die Stockton-Darlington-Bahn entworfene, bei R. Stephenson gebaute zweiachsige Lokomotive »Globe«, an der erstmalig ein Dom über der Feuerbüchse an geordnet war. Bemerkenswert war auch die Anordnung der Dampfzylinder innerhalb der Rahmen unter dem Rauchkasten in Verbindung mit einer Kurbelachse. Die von R. Stephenson im selben Jahre für die Liverpool-Manchester-Bahn gelieferte Lokomotive »Planet« kam mit derselben Zylinderanordnung vor der »Globe« heraus; es ist aber festgestellt, daß der Urheber dieser späterhin besonders für England typischen Anordnung der Dampfzylinder H. war. In dem den Kessel durchziehenden Flammrohr waren hinter der Feuerbrücke Wasserrohre radial eingebaut, so daß dieser Kessel als Vorläufer des »Gallowey«-Kessels anzusehen ist.
Gölsdorf.