Hudsontunnel

[250] Hudsontunnel. Schon um das Jahr 1870 reifte der Plan, die am rechten Ufer des Hudson (North River) endigenden Fernbahnlinien unter dem Flusse mit der City New Yorks, Manhattan, in eine unmittelbare Verbindung zu bringen.

a) Der erste H. (s. Abb. 160 bei A) wurde 1874 unter der Leitung Haskins in Angriff genommen. Zwei dicht nebeneinander liegende elliptische Röhren von 5∙49 m lichter Höhe und 4∙88 m lichter Weite, deren Wandung aus einem von 9 mm starken Stahlplatten umschlossenen Backsteinmauerwerk bestand, wurde zunächst im bergmännischen Ausbau, unter Anwendung von Preßluft, von den beiden Uferschächten aus vorgetrieben. Die Unterwasser strecke der für die Aufnahme je eines Vollspurgleises bestimmten Tunnels weist eine Länge von 1647 m auf. Der tiefste Punkt der Tunnelsohle liegt etwa 29 m, jener der Flußsohle etwa 18 m unter dem mittleren Hochwasser. Die Gesamtlänge des Bauwerkes, einschließlich der Rampen, wurde seinerzeit mit 3597 m festgestellt. Der zu durchörternde Boden bestand aus Schlamm und Sand und zum Teile aus Felsen. Zunächst verschiedener Verwaltungsstreitigkeiten wegen auf 5 Jahre unterbrochen, wurde der Bau 1879 neuerdings in Angriff genommen, nach einer schweren Einsturzkatastrophe (21. Juni 1880; 20 Arbeiter fanden den Tod), die interessante Rekonstruktionsarbeiten erforderte, Geldmangels halber 1883 wieder eingestellt und erst mit Hilfe englischen Kapitals unter John Fowler und Benj. Baker 1889 fortgesetzt. Neuerliche Geldschwierigkeiten ließen den Tunnel, der bei Verwendung eines vortrefflich durchgebildeten kreisrunden Vollschildes von 6∙07 m Durchmesser, unter der Leitung Moirs gute Fortschritte machte, 1892 ruhen. Erst im Jahre 1902 gelang es der New Jersey-Verbesserungsgesellschaft, unter teilweiser Verwendung des alten, unversehrt gebliebenen Schildes den Vortrieb fortzusetzen und den nördlichen Tunnel binnen Jahresfrist fertig zu stellen. Moir hatte als Tunnelwandung bereits 46 cm breite, aus 9 Segmenten (Tübbings) zusammengesetzte Gußeisenringe von 5∙94 m äußerem Durchmesser verwendet, die im Innern eine Betonauskleidung erhielten. Des inzwischen in Aussicht genommenen elektrischen Betriebs wegen konnte der Durchmesser der südlichen Tunnelröhre verringert werden. Die Fertigstellung des Bauwerks, bei dem man zuletzt im schwimmenden Gebirge 12–15 m Tagesfortschritt erzielte, fällt in das Jahr 1905. Die Tunnellinie, die inzwischen (1906) in das Eigentum der Hudson- und Manhattan-Eisenbahn übergegangen war, wurde am 25. Februar 1908 eröffnet. Sie verbindet Hoboken (Public-Service-Bahn, Delaware, Lackawanna und Westbahn) mit der VI. Avenue und dem Broadway Manhattans.

b) Ein zweites, südlicher liegendes Tunnelröhrenpaar (s. Abb. 160 bei E) hatte die H. u. M. Eisenbahn zur seinerzeitigen Aufnahme ihrer Untergrundbahn unter dem Broadway im Jahre 1906 in Angriff genommen. Es verbindet ihren nächst einem wichtigen Straßenkreuzungspunkt Manhattans errichteten Endbahnhof, den »Hudson Terminal«, mit den unter dem Endbahnhofe der Pennsylvaniabahn in Jersey City gelegenen Anlagen. Diese wiederum finden ihre Fortsetzung in Jersey City und Newark (Schienenverbindung mit der Pennsylvaniabahn) und den Hudson aufwärts gegen Hoboken. Hier wurde eine Vereinigung[250] mit den Linien des ersten H. vorgesehen. (Interessante Gleisdreiecke der Röhrenbahnen unter der Straßenoberfläche!)

Die von den Uferschächten aus gleichzeitig vorgetriebenen Röhren erhielten äußere Durchmesser von 5∙0 m. Ihr Abstand ist kein durchweg gleicher. In Manhattan auseinandergezogen, nähern sie sich am rechten Flußufer. Die Tunnelwandung besteht aus miteinander verschraubten Gußeisenringen (10 Segmente) und einer Betonauskleidung im Innern. Speisekabel, Licht-, Signal- und Preßluftleitungen wurden in gebrannten und verglasten Tonkanälen seitlich der Gleise im Tunnel verlegt.

Der Ausbau erfolgte mittels Vollschildes unter Anwendung von 1∙35 bis 2∙95 Atm. Luftüberdruck. Die Entfernung der Uferschächte beträgt rund 1790 m, die größte Tiefenlage der Sohle unter dem mittleren Hochwasser 27∙6 m, die größte Wassertiefe des Flusses etwa 18 m. Die Betriebseröffnung fand am 19. Juli 1909 statt.

Die genannte Bahngesellschaft plant die Ausführung eines dritten Tunnelpaares zwischen dem »Hudson Terminal« und dem Abstellbahnhofe der Erie-Bahn in Jersey City.

c) Der nördlichste H. (s. Abb. 160 bei C) im Zuge der Pennsylvaniabahn wurde nach einem Entwurfe Jakobs in der Zeit von 1903 bis 1906 von der O'Rourke Eng. Constr. Co. ausgeführt. Er verdankt sein Entstehen dem bewunderungswürdigen Unternehmen der Bahngesellschaft, einen großartigen Hauptbahnhof im Herzen New Yorks anzulegen und zu diesem Zwecke ihre im Weichbilde der Stadt elektrisch geförderten Züge, von Ost und West unter dem mächtigen Hudson und dem East River (Ostfluß) hindurch zu führen. Zwei in 11∙28 m Achsentfernung parallel laufende Röhrentunnel von 7∙01 m äußerem Durchmesser, wurden mittels Schildes und Preßluftanwendung (bis zu 2∙6 Atm. Überdruck!) in der zumeist aus Seeschlamm bestehenden Flußsohle ausgebaut. Der tiefste Punkt des Bauwerkes liegt rund 29∙6 m, die Flußsohle bis 15∙9 m unter dem mittleren Hochwasser. Die Entfernung der Uferschächte beträgt 1864 m. Der Neigungen von 1∙3% bis 1∙92% aufweisende Unterwassertunnel bildet den mittleren Teil einer etwa 4∙3 km langen Untergrundstrecke zwischen Bergen-Hill im Westen und dem Endbahnhofe auf Long Island im Osten.

Die einzelnen aus 12 Gußeisensegmenten zusammengesetzten, 76 cm langen Ringe der Rohrmäntel besitzen ein Gewicht von rund 10.200 kg. Sie wurden im Innern mit einer 60 cm starken Betonauskleidung versehen und sind durch eine hinterspritzte Zementmörtelschichte an der Außenseite geschützt. An Stelle des Gußeisens trat an stark beanspruchten Stellen das erstemal Gußstahl. Das große Gewicht und die schlechte Beschaffenheit des Bodens veranlaßte die Bauunternehmung, eine gute Fundierung des Tunnels auf dem tiefer liegenden, tragfähigen Grunde in Erwägung zu ziehen. Zu diesem Zwecke wurden in der Sohle der Röhren Einrichtungen zur nachträglichen Anbringung von gußeisernen Schraubenpfählen vorgesehen. Diese wurden aus einzelnen, miteinander zu verschraubenden Hohlstücken von 69 cm Durchmesser zusammengesetzt, erhielten Längen von 4∙5 bis 18∙0 m und wurden im oberen Teile mit Beton ausgegossen. Sie sollten im Schlammboden in Abständen von 4∙57 m eingebaut werden, kamen jedoch nicht durchweg zur Ausführung. Dem ungewöhnlich rasch vollendeten Bauwerke stellten sich im Schlamme große Hindernisse in den Weg, die durch ein besonderes Aushubverfahren im Schilde überwunden wurden. Für außergewöhnliche Verkehrsverhältnisse im Tunnel hatte man eine Lüftungsanlage vorgesehen, die in einen Tunnelquerschnitt 1700 m3 Frischluft in der Minute hineinzutreiben vermag.

(Über die Baumethoden der Hudsontunnels s. Tunnel unter Wasser.)

Literatur: a) Scientf. Am. 1875, 1880, 1881, 1882. – Eng. 1887/II. – Engg. News 1892/I, 1908/I. – Engg. record 1909, LX. – Gén. civ. 1890, XVII; 1894, XXIV; 1908, LII; 1911, LIX. – Schwz. Bauztg. 1884/I, 1888/II. – Dt. Bauztg. 1880, 1886, 1887, 1892. – Zentralbl. d. Bauverw. 1890, 1891, 1892, 1908. – Organ 1905, 1907, 1908, 1909, 1912. – b) Engg. News 1901. – Gén. civ. 1908, LII; 1911, LIX. – Ztschr. dt. Ing. 1909. – Glasers Ann. 1901/I. – Organ 1905, 1907, 1908, 1909, 1912. – c) Engg. News 1902/II, 1903/II, 1906/II, 1907/I. – Engg. record 1906, LIV. – Railr. Gaz. 1906, XLI. – Eng. 1907/I. – Organ 1905, 1907, 1908, 1909, 1912.

Steiner.

Abb. 160.
Abb. 160.
Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 6. Berlin, Wien 1914, S. 250-251.
Lizenz:
Faksimiles:
250 | 251
Kategorien:

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Feldblumen

Feldblumen

Der junge Wiener Maler Albrecht schreibt im Sommer 1834 neunzehn Briefe an seinen Freund Titus, die er mit den Namen von Feldblumen überschreibt und darin überschwänglich von seiner Liebe zu Angela schwärmt. Bis er diese in den Armen eines anderen findet.

90 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon