Pyhrnbahn

[147] Pyhrnbahn, auf Grund des österreichischen Gesetzes vom 6. Juni 1901, betreffend den Bau der neuen österreichischen Alpenbahnen (s. Alpenbahnen u. Österreichische Eisenbahnen) hergestellte Verbindung der Station Selzthal der Staatsbahnen (ehemals »Kronprinz-Rudolf-Bahn«) mit der Kremstalbahn (Klaus-Steyrling-Linz). Die Bedeutung der P. liegt nicht in der Förderung der örtlichen Verkehrsmöglichkeiten, sondern vor allem in der Verkürzung des Weges Linz-Selzthal um 53 km gegenüber der Verbindung über St. Valentin-Klein-Reifling sowie in der Entlastung dieser Linie und der Linie Attnang-Stainach-Irdning, die überdies häufig von Elementarereignissen bedroht sind. Anläßlich des Baues der P. wurde die Kremstalbahn Klaus-Steyrling-Linz umgebaut und zum großen Teil verlegt, so daß jetzt beide Bahnen ein einheitliches Ganzes bilden, für das sich der Gesamtname P. immer mehr einbürgert.

Ihre Baulänge beträgt 42∙5 km, die größte Steigung in der Hauptverkehrsrichtung Nord-Süd 15 (auf 6087 m = 14∙3% der Baulänge), in der Richtung Süd-Nord 19 (auf 3325 m = 7∙8% der Baulänge); in der Wagrechten liegen 19% der Baulänge. Klaus hat 476∙7 m, Selzthal 635∙4 m, der Scheitelpunkt im Bosrucktunnel 726∙7 m Seehöhe; erstiegene Höhe nördlich 250∙0 m, südlich 91∙3 m. In der Geraden liegen 54∙4%, im Bogen 45∙6% der Baulänge, der kleinste Halbmesser von 250 m ist auf 5078 m (11∙9% der Baulänge) angewendet. Die Bahn einschließlich des Bosrucktunnels ist eingleisig. Größere Kunstbauten: 4 große gewölbte Brücken mit Öffnungen von 40 bis 70 m, 4 Viadukte mit 15 Öffnungen von 8–13∙5 m, 7 eiserne Brücken mit 14 Öffnungen von 19∙9–80 m Lichtweite, der Bosrucktunnel (s.d.) mit 4766 m und 4 kleine Tunnel mit zusammen 1034 m Länge.

Die Strecke Klaus-Spital am Pyhrn wurde am 19. November 1905, die den Bosrucktunnel enthaltende Strecke Spital am Pyhrn-Selzthal am 20. August 1906 dem Verkehr übergeben.

Über das wichtigste Bauwerk, den Bosrucktunnel, s.d. Art. Auf den offenen Strecken ergaben sich Schwierigkeiten im moorigen Gelände nächst Windischgarsten und im Ennstal. Die steinernen Brücken über die Steyrling, über den Palm-, Schalch- und Krengraben haben Gewölbe von 70, 59, 52 und 40 m lichter Weite. Diese gewölbten Brücken erhielten sehr große Fundamentflächen, um die Konglomerate, auf denen sie ruhen, nicht zu stark zu belasten; die Hauptbogen bestehen aus Mauthausener Granit (Steyrlingbrücke) und aus Kalk und Sandstein (Palm-, Schalch- und Krengrabenbrücke), das übrige Mauerwerk größtenteils aus Stampfbeton mit Verkleidungen aus Kunststeinen, da gute Bausteine in der Nähe mangelten. Bei der Ausrüstung dieser Brücken und später auch bei der Salcanobrücke (s. Wocheinerbahn) wurde mit gutem Erfolg eine neue Ausrüstungsvorrichtung (System Zuffer) verwendet.

Die Baukosten der P. waren im Ges. vom 6. Juni 1901 mit 12,000.000 K veranschlagt (davon 5,550.000 K für den Bosrucktunnel). Mit dem Ges. vom 24. Juli 1905 wurden die Gesamtkosten mit 20,691.000 K bewilligt (davon 7,138.000 K für den Bosrucktunnel). Nach der Österreichischen Eisenbahnstatistik für das Jahr 1910 haben die Baukosten bis Ende 1910 insgesamt einschließlich der Interessentenbeiträge 21,576.146 K betragen (davon nach der Gesch. d. Öst. Eisenb. Bd. VI, für den Bosrucktunnel allein 9,426.400 K).

Die außergewöhnlich hohe Überschreitung der ursprünglich bewilligten Baukosten um fast 80% bei der ganzen P. und um fast 70% beim Bosrucktunnel erklärt sich aus einer durchgreifenden Verbesserung der Anlageverhältnisse gegenüber den ursprünglichen Entwürfen (Verminderung der größten Steigung[147] von 25 auf 15 und 19‰, Vergrößerung der Stationslängen u.s.w.), aus höheren Löhnen und Kosten der Baustoffe infolge des gleichzeitigen Baues zahlreicher großer Bahnlinien, insbesondere aber auch aus den ganz außergewöhnlichen Schwierigkeiten beim Bau des Bosrucktunnels (s.d.).

Im Betrieb wurden bedeutende Schienenwanderungen beobachtet. Felseinschnitte und steile Felslehnen machten Verkleidungsmauern und Schutzbauten gegen Gesteinsabbröcklungen und Steinschläge nötig. Die Einschnitte im wasserreichen lehmigen Schotterboden zwischen Windischgarsten und Spital erforderten umfangreiche Grabenausmauerungen und Entwässerungsanlagen. Der Bosrucktunnel lüftet sich ohne künstliche Anlage gut von selbst. Die Schwellen vermodern in den trockenen Tunnelstrecken rasch und halten sich in den feuchten und sehr nassen Strecken viel länger; das Verhalten der Schienen weist selbstverständlich das umgekehrte Bild auf. Die Tunnelmauerung im festen Fels (Kalk) erfordert keinerlei Erhaltungsmaßnahmen; die Druckerscheinungen im Haselgebirge nötigen zur Auswechslung des wenig druckfesten Mauerwerks aus an Ort und Stelle gewonnenem dolomitischen Kalk gegen solches aus harten Klinkern. Der Zementmörtel leidet (stellenweise auch im Innern des Mauerwerks) unter der Wirkung der Rauchgase im Verein mit dem Wasser; zur Verminderung der Rauchentwicklung ist beabsichtigt, die Maschinenfeuerung mit Koks anstatt Kohle in der Tunnelstrecke einzuführen. Vagabundierende Wasseradern haben dort, wo kein Sohlengewölbe vorhanden war, im Anhydrit Hohlräume und Einbrüche der Tunnelsohle verursacht.

Der Umbau der 65∙4 km langen Kremstalbahn zur Anpassung an den Hauptbahncharakter der P. machte Verlegungen in der Gesamtlänge von 30∙1 km (46% der bisherigen Bahnlänge) notwendig, wodurch die Kremstalbahn auf 60∙4 km verkürzt wurde. Im ganzen wurden 11 neue eiserne und 2 neue gewölbte Brücken erbaut; 11 weitere eiserne Tragwerke wurden ausgewechselt; 17 kleine eiserne Brücken wurden durch Beton-Eisentragwerke ersetzt.

Literatur: Stenogr. Prot. d. öst. Abgeordnetenhauses, XVII. Session, 1900/01 u. 1904/05, insbesondere Beilagen Nr. 60, 2036, 2370. – Strach, Gesch. d. Eisenb. d. öst.-ung. Monarchie, Bd. V: Allgemeine Entwicklungsgeschichte. – Steinermayr, Der Bau der zweiten Eisenbahnverbindung mit Triest. Allg. Bauztg. 1906. – v. Enderes, Die Pyhrnbahn. Neue Freie Presse v. 14. Nov. 1905; Der Durchschlag im Bosrucktunnel. Ebendaselbst 9. Jan. 1906. – Zuffer, Die offenen Strecken der neuen Alpenbahnen. Ztschr. d. Öst. Ing.-V. 1907; Die Ausrüstung der großen Wölbbrücken im Zuge der neuen Alpenbahnen. Ebendaselbst 1908.

v. Enderes.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 8. Berlin, Wien 1917, S. 147-148.
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