[43] Sicherheitsstreifen, Schutzstreifen (safety belt, protection strip; bande de sureté; zona di preservazione), sind allgemeine Begriffe für alle in der Umgebung des Bahnkörpers vorzusehenden Schutzflächen, teils zur Sicherung für die Bahnen gegen Gefahren, die ihr von angrenzenden Grundstücken oder unterirdischen Anlagen drohen können, teils zum Schutze der Nachbargrundstücke gegen die Gefahren, die der Bahnbetrieb im Gefolge hat. Da die Gefahren aus dem Bahnbetrieb im allgemeinen größer sind, so haben die letzteren mehr Bedeutung. Im einzelnen unterscheidet man Grenzschutzstreifen, Torfschutzstreifen, S. im Bergbaugebiet, Windbruchstreifen, Brand- oder Feuer-, Forst- oder Waldschutzreifen.
A. Grenzschutzstreifen. Die zur Vermarkung der Bahngrenze dienenden Grenzsteine werden nicht unmittelbar an den Fuß der Bahnböschung oder an die Kante der Einschnitte gestellt, sondern mit Rücksicht auf die Gefahr des Abrutschens der Böschung vorwiegend zum Schutze des Nachbargeländes 0∙501∙50 m (meist 0∙600∙80 m) von den Damm- und Einschnittsböschungen entfernt errichtet. Die Breite des Streifens ist in der Regel veränderlich, weil gern ein möglichst gleichmäßig verlaufender Grenzzug gewählt wird, der sich nicht dem meist unregelmäßigen Verlauf des Dammfußes oder des Böschungsrandes anpaßt.
B. Torfschutzstreifen werden dort neben der Bahn angelegt, wo in Torfmooren eine Gefahr für den Fuß des Bahndammes durch das Torfstechen eintreten kann. Ihre Breite wird von der Kante der Bahnkrone an gerechnet bei 11/2facher Bahnböschung zu (1∙5 H + 2) m gewählt, wenn H die Höhe der Bahnkrone über dem festen Untergrund ist.
C. Sicherheitsstreifen im Bergbaugebiet. Führt eine Bahn durch die Grubenfelder des Bergbaubetriebs, so können sich Bahn und Bergbau gegenseitig gefährden. In solchem Fall sind daher für den Bahnbetrieb und für den Bergbaubetrieb besondere Sicherungen zu treffen. Sie bestehen hauptsächlich in dem Stehenlassen von Sicherungspfeilern seitens des Bergbauunternehmens (vgl. Bergbaubeschränkungen).
D. Windbruchstreifen. Holzbestände, die einen das Bahngleis gefährdenden Umbruch befürchten lassen, sind nach § 273 der TV. zu beseitigen. Ist daher der von der Bahn durchschnittene Baumbestand hoch und sturmgefährdet, so wird dort mit Rücksicht auf die Sicherheit des Bahn- und Telegraphenbetriebs der Bestand so weit abgetrieben, als es erforderlich ist. Die abgetriebene Fläche wird alsdann[43] aber bis an den Wundstreifen (vgl. unter E) längs der Bahnböschung sofort wieder aufgeforstet.
E. Brand- oder Feuerschutzstreifen; auch Forst- oder Waldschutzstreifen (fireprotection belt or strip; bande protectrice contre le feu; striscia di terreno quale protezione contro l'incendio) genannt, werden in den Waldungen, Heiden und trockenen Mooren zu beiden Seiten der Bahn angelegt, um diese Kulturarten vor der ihnen durch Auswurf glühender Kohlenteilchen aus den Lokomotiven drohenden Feuersgefahr zu schützen, die leicht zur Vernichtung von ganzen Waldbeständen führen kann.
Um den Lokomotivführern anzuzeigen, wo Feuersgefahr besonders zu befürchten und daher das Feuer der Lokomotive vorsichtig zu behandeln ist, wird zuweilen auf solchen Strecken längs der Bahnlinie ein Merkmal in Form eines weißen Streifens an den Telegraphenstangen angebracht.
Haben alle diese Maßnahmen auch eine gewisse Verringerung des Funkenfluges herbeigeführt, so läßt es sich doch nicht vermeiden, daß besonders beim Beschicken der Feuerung Glutteilchen aus der Feuerung mitgerissen werden, die zumal bei der lebhaften Luftbewegung, die hinter dem schnellfahrenden Zug erzeugt wird die Flammenbildung herbeiführen. Da nicht nur das Bahnnetz, sondern mehr noch die Zahl der gefahrenen Zug km von Jahr zu Jahr wächst, so haben die Eisenbahnverwaltungen der Verhütung der durch Lokomotivflugfeuer verursachten Waldbrände in den letzten Jahren mehr und mehr ihre Aufmerksamkeit zugewendet. Die TV. enthalten im § 27, Absatz 1 und 2 zur Vermeidung solcher Brände folgende Bestimmung:
In Waldungen, Heiden und trockenen Mooren ist längs der mit Dampfkraft betriebenen Bahnen zur Sicherung gegen Brände ein Streifen wund zu halten oder nur so zu benutzen, daß die Ausbreitung des Feuers behindert wird. Die Breite des Streifens ist nach der Örtlichkeit zu bestimmen. Derselbe Zweck kann auch durch Anlage von Schutzgräben erreicht werden, die in angemessenem Abstand vom Bahngleis anzulegen und von brennbaren Gegenständen freizuhalten sind.
Die Erfahrungen haben gelehrt, daß jeder Waldbrand mit der Entzündung des Bodenüberzugs entsteht. Die zündenden Auswürfe verursachen hier zunächst ein leicht zu löschendes Lauffeuer. Aus diesem entsteht ein Wipfelfeuer erst dann, wenn die Flammen brennbare Stoffe zwischen Bodenüberzug und Wipfel erreichen. Das Lauffeuer erlischt am Anfang von selbst an jedem kleinen Hindernis, das durch einen nicht brennbaren Gegenstand geboten wird (Pflugfurche, Fußsteig). Das Wipfelfeuer erlischt, sobald das Bodenfeuer gelöscht ist.
Als beste Schutzanlagen gegen die von den Eisenbahnen drohende Feuersgefahr ergeben sich daher auf Grund der bei den preußischen Staatsbahnen gemachten Erfahrungen nach nebenstehender Abb. 86 mit Holz bestandene, 1215 m breite Streifen, durch die die glühenden, aus den Lokomotivschornsteinen herausgeschleuderten Kohlenstückchen nicht hindurch und über die sie nicht hinwegfliegen können. Der Boden dieser Streifen ist, damit das Flugfeuer nicht durch den Bodenüberzug auf die Bäume überspringen kann, freizuhalten von brennbaren Stoffen (Heide, hohes trockenes Gras, Wacholder, trockene Zweige, trockenes Gestrüpp, Rohhumusmassen u.s.w.); außerdem sind die Bäume bis zu einer Höhe von 1∙5 m von allen trockenen Ästen und, soweit grüne Ästen auf den Boden herunterhängen, auch von diesen zu befreien. Nur die grünen Äste der am bahnseitigen Rande der Schutzstreifen stehenden Stämme sind niemals zu beseitigen. Um nun das Überlaufen der häufigen Böschungsfeuer in den Bestand des Schutzstreifens zu verhindern, ist zwischen diesem und der Böschung ein 1 m breiter Wundstreifen dauernd frei von allen brennbaren Stoffen zu halten. Der bestandene Streifen ist von dem hinter ihm liegenden Forste durch einen von brennbaren Stoffen dauernd und vollständig freizuhaltenden, 1,5 m breiten Wundstreifen zu trennen. Die beiden Wundstreifen längs der Bahnböschung und längs des sie schützenden Waldes sind je nach der Größe der Gefahr in Abständen von 2040 m durch 1 m breite Querwundstreifen miteinander zu verbinden. Das so entstehende Netz von Wundstreifen (vgl. die schraffierten Streifen der Abb. 86) beschränkt die im Bodenüberzug entstehenden Lauffeuer auf einen abgegrenzten kleinen Fleck.
Die Wundstreifen sind dauernd rein und wund zu halten. Sie müssen jährlich mindestens einmal im Frühling sofort nach Schneeabgang von Nadeln, Laub u.s.w. gereinigt werden. Dasselbe gilt von den jung angepflanzten Schutzstreifen. Als Längswundstreifen können befahrene Wege (s. den Lageplan der Abb. 86 rechts), vorhandene Wassergräben u.s.w. mitbenutzt werden. Moorige und torfige Flächen sind innerhalb der Wundstreifen 30 cm hoch zu besanden.
Beim Neubau von Bahnen ist der Bestand längs des Bahnkörpers nur so weit abzutreiben, wie dies für die Übersichtlichkeit der Strecke für Lokomotivführer und Bahnwärter, insbesondere an Wegübergängen (vgl. die in der Abb. 86 eingetragene Sehlinie), sowie für die Sicherheit des Bahn- und Telegraphenbetriebs[44] vor überfallendem Holz (vgl. unter D) erforderlich ist. Je breiter die Bahngasse durch den Wald gelegt wird, desto leichter und weiter werden durch den Luftzug die glühenden Kohlen seitwärts in den Bestand getrieben. Beiderseits der Bahn wird der vorhandene Bestand in der vorstehend angegebenen Weise durch Anbringung von Wundstreifen u.s.w. zu einem bestandenen Schutzstreifen umgewandelt. Ist der Bestand noch nicht hoch genug; um die Funken aufzufangen, oder ist das Gelände dem Winde besonders ausgesetzt, so ist die Anlage eines zweiten oder dritten Parallelschutzstreifens hinter dem ersten nötig. Ebenso können Bestände, die an der Außenseite einer Kurve oder gegenüber von Blößen und neben hohen Bahndämmen liegen, die Anlage eines zweiten Parallelschutzstreifens an der gefährdeten Bahnseite erforderlich machen. Liegen vor einem gefährdeten Bestande nur kahle Streifen, so ist der Waldrand in der angegebenen Weise zu einem Schutzstreifen herzurichten, der kahle Schutzstreifen jedoch möglichst aufzuforsten.
In trockenen Gegenden, wo die Gefahr des Lokomotivflugfeuers besonders groß ist, werden Schutzstreifen am besten mit 3jährigen Kiefern (in einem Verband 1,5 : 0,5 m) aufgeforstet, weil die früh sich entwickelnde Borke die Kiefer besonders gegen Lauffeuer widerstandsfähig macht und die Kiefer als immergrüner Baum die Funken zu jeder Jahreszeit mit gleicher Sicherheit auffängt und zurückhält. Laubhölzer entwickeln sich dagegen auf trockenem Boden nur kümmerlich und unterdrücken hier den gefährlichen Gras- und Heidewuchs weniger gut als die Kiefer. Für die besseren Standorte kommen dagegen zum Aufforsten die Fichte und Laubhölzer in Betracht. Der Bestand auf dem Schutzstreifen ist in einem 6080jährigen Umtrieb zu bewirtschaften. Muß er verjüngt werden, so darf dies niemals gleichzeitig auf beiden Seiten, sondern nur einseitig der Bahn geschehen. Der Bestand auf der zweiten Seite der Bahn darf erst verjüngt werden, wenn die Anpflanzung auf der ersten verjüngten Seite genügend Höhe (die des Lokomotivschornsteins) erreicht hat. Die gleiche Höhe muß der hinter dem altbestandenen Schutzstreifen angelegte junge Bestand erreicht haben, ehe der Schutzstreifen selbst abgetrieben werden darf. Bis der auf dem Schutzstreifen angelegte junge Bestand eine Höhe von etwa 3 m erreicht hat, ist hinter ihm ein bestandener Schutzstreifen von etwa 1215 m Höhe zu unterhalten.
Das vorstehend beschriebene Verfahren zur Herstellung von Wundstreifen wird nach dem Erfinder auch das Kienitzsche Verfahren benannt. Es hat den Vorteil, daß es die forstliche Bewirtschaftung bis dicht an den Bahnkörper heran nicht behindert.
Die Kosten der Wundhaltung der Schutzstreifen sind dauernd gestiegen. Während sie längs der vollspurigen Staats- und Privateisenbahnen Deutschlands im Jahre 1890 nur rd. 197.000 M. ausmachten, betrugen sie im Jahre 1909 über 560.000 M. Immerhin sind diese Kosten noch geringer als die Entschädigungen für Schadenfeuer, die durch Funkenflug entstehen; diese haben allein bei den preußischen Staatseisenbahnen im Jahresdurchschnitt der letzten 20 Jahre etwa 1 Mill. M. betragen.
Zur Anlage der S. sind bedeutende Flächen erforderlich, die, wenn sie erworben werden müßten, die Baukosten der Bahn nicht unerheblich erhöhen. Um dies zu verhindern, wird von dem Erwerbe des Geländes im allgemeinen abgesehen, wenn sich der Eigentümer durch grundbuchliche Belastung verpflichtet, eine mit der Verwendung des Geländes als Schutzstreifen unvereinbare Bewirtschaftung des Geländes zu vermeiden. Bei den preußischen Staatsbahnen ist die Anlage solcher Schutzstreifen infolge der vielen Staatsforste sehr erleichtert.
Neben der Anlage von Wundstreifen werden noch folgende Anlagen und Verfahren zur Verhütung der Waldbrände verwendet. An den Grenzen der Waldungen werden zuweilen besonders breite und vertiefte Streifen (Feuer- oder Schutzgräben) angelegt und unterhalten, in die Äste nicht hineinreichen dürfen. Ferner werden sog. Laubholzschutzmäntel verwendet,[45] über die aber genügende Erfahrungen noch nicht vorliegen. Zuweilen nimmt man bei windstillem Wetter und bei genügender Aufsicht und Abgrenzung ein Abbrennen des dürren Grases vor und endlich stellt man wohl auch an besonders gefährdeten Punkten zu Zeiten größerer Dürre Wächter auf, denen es obliegt, entstandene Brände im Keime zu ersticken.
Über die Abwendungen von Feuersgefahr bei Errichtung von Gebäuden und Lagerung von Stoffen in der Nähe der Eisenbahn s. Feuerpolizei und Anliegerbauten; vgl. ferner die Art. Bahnunterhaltung, Anlieger u. Bannlegung, dann Bergbaubeschränkungen.
Literatur: Dr. M. Kienitz, Maßregeln zur Verhütung von Waldbränden. Berlin 1904. Ztg. d. VDEV. 1903, S. 1280; 1904, S. 1566 u. 1906, S. 99. Erlaß des preußischen Ministers der öffentlichen Arbeiten vom 13. Febr. 1905, Eisenbahn-Nachrichtenblatt, S. 63 u. Erlaß vom 3. Okt. 1905. Winkler, Funkenflugschaden der Dampflokomotiven. Glasers Ann. 1912, S. 101. F. Seydel, Das Gesetz über Enteignung von Grundeigentum. Berlin 1903, S. 166 u. 167.
Giese.
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