Spucken

[120] Spucken der Lokomotive (spray front the funnel; entraînement d'eau par la cheminée; scappamento d'acqua dal fumainolo), Auswerfen von Wasser aus dem Rauchfang.

Das S. (Speien, Priemen) hat zur Folge, daß durch das ausgeworfene Wasser, vermengt mit Ruß aus der Rauchkammer und dem Rauchfang, Reisende, Fahrpersonal, Wagen und Lokomotive beschmutzt werden.

Das S. tritt in der Regel beim Anfahren (Ingangsetzen der Lokomotive) ein, oft aber auch plötzlich während des Fahrens.

Das beim S. ausgeworfene Wasser ist entweder Niederschlagwasser, von dem an den kalten Zylinderwandungen sich verdichtenden Dampf herrührend (S. beim Anfahren), oder mechanisch aus dem Kessel mitgerissenes Wasser (S. während der Fahrt).

Tritt S. plötzlich während der Fahrt ein, erkennbar für den Führer durch die an den[120] Fenstern des Führerhauses sich zeigenden schwarzen Tropfen und, wenn dies übersehen wird, durch heftiges Stoßen und Dröhnen der Lokomotive. Es müssen dann die Zylinderhähne sofort geöffnet werden; der Regulator ist, wenn nötig, ganz zu schließen.

Der Lokomotivführer wird hierdurch auf einen für die Instandhaltung nachteiligen und für die Betriebssicherheit selbst gefährlichen Zustand aufmerksam gemacht, der darin besteht, daß durch das mitgerissene, zwischen Zylinderdeckel und Kolben gepreßte Wasser ungemein heftige Stöße hervorgerufen werden.

1. S. beim Anfahren ist eine Erscheinung, die nur durch Offenhalten der Zylinderhähne während des Stillstands und zu Beginn der Fahrt gemäßigt, nie aber ganz weggebracht werden kann, da während des Stillstands stets ein Niederschlagen des in den Einströmungsrohren zurückgebliebenen Dampfes und eine Abkühlung der Zylinder eintritt, wodurch während der ersten Radumdrehungen beim Anfahren das Niederschlagen einer bedeutenden Menge des frisch eintretenden Dampfes bewirkt wird.

Dieses S. hört auf, wenn die Zylinderwandungen eine entsprechende Wärme angenommen haben.

2. S. während der Fahrt kann aus folgenden Ursachen entstehen:

a) Plötzliche Vergrößerung der Regulatoröffnung; sie bedingt eine sofort eintretende, wenn auch nicht bedeutende Druckverminderung über dem Wasserspiegel an der Stelle, wo der Dampf entnommen wird, infolge dessen heftiges Aufwallen und Mitreißen von Wasser.

b) Zu hoher Wasserstand (herbeigeführt durch zu lang dauerndes Speisen) verringert den über dem Wasserspiegel verbleibenden Dampfraum derart, daß die bei der Dampfentwicklung mitgerissenen Wasserteilchen nicht mehr Zeit finden, im Dampfraum zu verdampfen.

Solches S. kann vermieden werden durch Abstellen der Injektoren, bzw. durch Speisung des Kessels bis zu einer Höhe, die der Erfahrung entspricht.

c) Fehlerhafte Bauart des Kessels:

α) Zu kleiner Dampfraum führt, wie bei b erörtert, S. herbei; es muß dann mit niedrigem Wasserstand gefahren werden, wodurch die Handhabung und eine größere Anstrengung der Maschine schwierig wird.

β) Unrichtige Anordnung des Regulators. Die Dampfentwicklung, mithin das Aufsteigen von Wassertropfen, ist am heftigsten über der Feuerbüchse und in den dieser nahe liegenden Teilen der Feuerröhren.

Wird der Dom an diesen Stellen angeordnet, so findet, wenn nicht hohe Dome mit hoch liegendem Regulator angebracht sind oder eine entsprechende Vergrößerung des Kesseldurchmessers an dieser Stelle vorhanden ist (Wagon top boiler), stets ein S. statt, sobald mit hohem Wasserstand gefahren wird.

Die Anordnung des Domes »vorne« verhindert (sonstige Abmessungen des Kessels richtig gewählt) wirksam das S., führt aber bei langen Röhren zu großem Wasserverbrauch bzw. zur Arbeit mit nassem Dampf, weil der in der Nähe der Feuerbüchse entwickelte Dampf, über den langen Wasserspiegel streichend, auf dem Weg zum Dom bzw. Regulator eine nicht unbeträchtliche Menge von fein verteiltem Wasser mitreißt.

Ein vielfach angewendetes Mittel, diesen Übelstand zu vermeiden, ist die Anbringung von 2 miteinander durch ein Kupfer- oder Eisenrohr verbundenen Domen. Durch den hinteren Dom kann der über der Feuerbüchse sich bildende Dampf zu dem im vorderen Dom angebrachten Regulator gelangen, ohne über die lange Wasserfläche streichen zu müssen.

d) Unreines Kesselwasser.

α) Wird der Kessel längere Zeit hindurch nicht gereinigt (vom Wasser entleert und frisch gefüllt), so wird durch die im Kessel sich häufenden Verunreinigungen des Kesselwassers (durch Fette u.s.w.) das Wasser beim Sieden derart in Wallung gebracht, daß sofort das S. eintritt, wenn eine gewisse Höhe des Wasserstands überschritten wird.

β) Bei neuen Lokomotiven sind Teile des fetthältigen Anstrichs im Wasserkasten u.s.w., die sich ablösen und durch die Injektoren in den Kessel gelangen, Ursache eines plötzlichen Aufwallens des Kesselwassers und eines plötzlich eintretenden S.

Gölsdorf †.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 9. Berlin, Wien 1921, S. 120-121.
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