Braumüller, Wilhelm

[84] Braumüller, Wilhelm. Im Mai 1783 gründete Johann Georg Ritter von Mösle zu Wien eine Sortiments- und Verlagsbuchhandlung für rechts- und staatswissenschaftlichen Verlag, welch letztere 1789 durch Ankauf der Firma Joh. G. Weigand[84] (bestehend seit etwa 1740) und 1816 derjenigen Andreas Gaßlers vermehrt wurde. Unter den Erben Mösles änderte sich die Firma in R. von Mösles Wwe.; 1836 traten in dieselbe Wilhelm Braumüller und L. W. Seidel als Gesellschafter ein, demgemäß sich die Firma in R. v. Mösles Wwe. & Braumüller umänderte. Wilhelm Braumüller, Sohn eines Pfarrers in Zillbach bei Meiningen, wurde am 19. 3. 1807 geboren und erlernte von 1821-26 in der Baereckeschen Hofbuchhandlung in Eisenach den Buchhandel, um dann zu Gerold in Wien zu gehen bis zu seiner Selbständigmachung. Bis 1840 hatten Seidel und Braumüller die Buchhandlung geleitet, im gleichen Jahre brachten sie dieselbe durch Kauf an sich und führten sie unter der Firma »Braumüller & Seidel« fort, um nun ihre Verlagsthätigkeit auch auf andere wissenschaftliche Gebiete, namentlich Medizin auszudehnen. Am 2. September 1848 wurde die Gesellschaftsfirma aufgelöst und die Einzelfirma Wilhelm Braumüller begründet, die nun eine rege Thätigkeit auf allen Gebieten entfaltete.

Auf die typographische Ausstattung aller Werke wurde eine außergewöhnliche Sorgfalt verwendet, und es hat dies ganz wesentlich mitgewirkt, eine große Zahl litterarischer Notabilitäten der einheimischen sowohl, als auch vieler außerösterreichischen Hoch- und Fachschulen für den Verlag zu gewinnen. Es ist ein anerkanntes Verdienst der Verlagshandlung, das auf dem österreichischen Buchhandel lastende Vorurteil, von welchem bis vor noch nicht langer Zeit selbst österreichische Schriftsteller befangen waren, die ihre Werke im Auslande verlegen zu müssen glaubten, gelöst, und durch den Umschwung in diesen Verhältnissen zur größeren Selbständigkeit des österreichischen Buchhandels beigetragen zu haben.

Giebt der Gesamtverlag schon bei flüchtigem Ueberblicke ein beredtes Zeugnis für das stete und eifrige Bemühen der Firma, alle ihre Kräfte der Förderung des geistigen Lebens und der Wissenschaften zu widmen, so beweisen besonders die vielen umfangreichen litterarischen Unternehmungen und reichausgestatteten kostspieligen Prachtwerke, wie dieselbe in der Verfolgung dieses einen hohen Zieles niemals Mühen und Opfer gescheut hat.

Im Verlagskataloge finden wir Berg- und Hüttenkunde, Chemie und Pharmacie, Geographie, Geschichte, Statistik, Handelswissenschaften, Kunst und Musik, Land- und Forstwirtschaft (1885 ging der größte Teil dieser Abteilung an P. Parey in Berlin über), mathematische Wissenschaften, Militärwissenschaft, Naturwissenschaften,[85] Pädagogik, Philosophie, Rechts- u. Staatswissenschaft, Schöne Wissenschaften, Sprachwissenschaft und Litteraturgeschichte, Technologie, protestantische, katholische und israelitische Theologie, Veterinärkunde und endlich besonders reich Medizin vertreten. Der Verlagskatalog von 1879 zeigte schon 1050 Werke in 1425 Bänden. Aus dieser großen Masse läßt sich naturgemäß nur das Allerbedeutendste hervorheben, wir nennen:

Die Werke des berühmten Augenarztes v. Arlt und Donders, Beckers Atlas der pathologischen Topographie des Auges (1874-78), Böhls theologische Schriften, Bolzanos gesammelte Schriften 12 Bde. (1882), Braumüllers Badebibliothek (bis jetzt 111 Bändchen), Eitelbergers gesammelte kunsthistorische Schriften, Heitzmanns Anatomie des Menschen (8. Aufl. 1896), sowie Hyrtls Anatomie (20. Aufl. 1889). Die Schriften von Auspitz, Bamberger, Bing, Braun, von Brücke, Dittrich, Exner, Fick, Fuchs, Hochenegg, Kaposi, Königstein, Langer, Meynert, Neumann, Neusser, Ortner, Politzer, Rokitansky, Schenk, Schnitzler, Schrötter, Späth, Stellweg, Stricker, Türk, Ultzmann, Zuckerkandl, Wölfler, lauter Autoritäten der medizin. Wissenschaften; Klopps Geschichte des Hauses Stuart (1875-1888), Miklosichs vergleichende Grammatik der slavischen Sprachen (4 Bde. 1875-1883) und dessen sonstige sprachwissenschaftl. Arbeiten, Krists Naturlehre, Mussafias italien. Sprachlehre, Roskovanys kathol. theol. Werke (Ordinärpreise etwa 700 Mk., 1847-1890), Sackens Studien über die Ambraser Sammlung (1859-75 etwa 300 Mk.), Oesterreichische Weisthümer, Werners Scholastik des späteren Mittelalters u. n. v. a. Bei ihm erschienen eine Reihe Zeitschriften, von denen wir anführen: Archiv für Dermatologie und Syphilis (begr. 1874), Vierteljahrsschrift für wissenschaftl. Veterinärkunde (seit 1851), Jahrbuch für Balneologie (1871-1881), Oesterreich. Jahrbuch für Paediatrik (1870-1877), Medizinische Jahrbücher (1871-1885) u. s. w. Braumüllers reiche Thätigkeit fand volle Anerkennung; nachdem er 1848 zum Hof- und Universitätsbuchhändler, später zum Ehrendoktor von der Universität Würzburg ernannt, wurde er 1871 geadelt, seine Brust war mit Verdienst-Orden aus aller Herren Länder geschmückt.

Nach Braumüllers am 25. Juli 1884 erfolgtem Tode ging die Firma an seinen Sohn gleichen Namens: Wilhelm Ritter von Braumüller über (geb. 19. Febr. 1838), welcher seit 1868 öffentlicher Gesellschafter der väterlichen Firma, das umfangreiche Geschäft den von seinem verdienstvollen Vater übernommenen Traditionen gemäß weiterführte, bis sein leider nur allzufrüh erfolgendes Ableben (30. Dezember 1889) ihn seiner Thätigkeit entriß.[86]

Im Geschäfte war auch dessen ältester Sohn Wilhelm Ritter von Braumüller (geb. 1861) thätig, leider aber war es demselben nicht lange vergönnt, seinen Vater kräftig zu unterstützen, da er schon im Jahre 1888 starb.

Mehrere Jahre wurde nunmehr die Firma durch langjährige Mitarbeiter des Hauses geleitet, bis die Enkel des Begründers der Firma, Adolf Ritter von Braumüller (geb. 1868) und Rudolf Ritter von Braumüller (geb. 1870), am 1. Januar 1894 als öffentliche Gesellschafter in die Firma eintraten und seither dieselbe erfolgreich fortzuführen begannen.

So erwarb 1893 die Firma die im 6. Jahrgange stehende Wiener klinische Wochenschrift, Oesterr. Aerztekammerblatt, Zeitschrift für Heilkunde, Zeitschrift für Volkswirtschaft, Sozialpolitik und Verwaltung, Beiträge zur Paläontologie und Geologie; die Abteilung Militaria erhielt eine bedeutende Stärkung durch die Prachtwerke Erzherzogs Carl von Oesterreich ausgewählte Schriften (1893-95), Angelis Schriften über Carl von Oesterreich als Feldherr und Heeresorganisator (5 Bde. 1896-1897), Braumüllers militär. Taschenbücher u. a.; ferner sind zu erwähnen: Jettels Handbuch des internationalen Privatrechts (1893), Knauers Hauptprobleme der Philosophie (1892), Beiträge zur klinischen Medizin und Chirurgie (bis 1899 21 Hefte), Handbuch der tierärztlichen Chirurgie und Geburtshilfe, herausgeg. von Bayer & Fröhner (1896 uff.), ein groß angelegtes Unternehmen; Kaposis Handatlas der Hautkrankheiten, Ortners Therapie der inneren Krankheiten und Zuckerkandls Atlas der topogr. Anatomie. Die 1848 abgezweigte Firma L. W. Seidel, seit 1861 L. W. Seidel & Sohn, k. k. Hofbuchhandlung in Wien firmierend, dessen Besitzer seit 1895 Ludwig Seidel ist (seit 1896 steht ihm Heinrich Tachauer als öffentlicher Gesellschafter zur Seite), pflegt vorwiegend Sortiment und hierbei bevorzugt sie militärische und geschichtliche Werke. Aber auch ihr Verlag weist eine Reihe bedeutender Werke auf und von Zeitschriften die Zeitschrift des österreich. Ingenieur- und Architekten-Vereins, sowie das Armeeblatt.

Quellen: Beyer, W. v. Braumüller u. H. v. Cotta, Wien 1881 u. Verlagskatalog.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 1. Berlin/Eberswalde 1902, S. 84-87.
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