[188] Duncker, Carl. Kommerzienrat Carl Friedrich Wilhelm Duncker war zu Berlin am 25. März 1781 geboren. Sein Vater war Kaufmann, welchen Beruf auch er ergreifen sollte. Nachdem er das Köllnische Gymnasium besucht, wurde er der damaligen Handelsschule übergeben, auf welcher er unter Schulz und Spazier eine gute kaufmännische Vorbildung erhielt. Die deutsche Litteratur in ihrem damaligen Aufschwunge übte er auf ihn eine mächtige Anziehung aus, so faßte er den für sein Leben entscheidenden Entschluß, Buchhändler zu werden, und trat im Jahre 1801 als Lehrling in die Verlagsbuchhandlung von Georg Voß in Leipzig ein.
1805 berief ihn Heinrich Fröhlich als Leiter seiner 1798 gegründeten Verlags- und Sortimentsbuchhandlung nach Berlin. Wenige Wochen, nachdem Duncker in dieselbe eingetreten, starb der Chef des Hauses. Die Lage des Geschäftes zeigte sich schwierig und verwickelt. Gegen die Auffassung der Familie hoffte Duncker dasselbe halten zu können, und da Friedrich Nicolai seiner Meinung beitrat, beauftragten ihn die Zunächstbeteiligten mit der Fortführung der Handlung. Zwar wurde ihm das wegen der Spannung zwischen Preußen und Frankreich, welche im nächsten Jahre zum Kriege führte, schwer, doch gelang ihm trotz der so mißlichen Zeitumstände nach und nach die Abwickelung der Verbindlichkeiten der Fröhlichschen Handlung. Als dieselben endlich gelöst waren, erwarb Duncker in Gemeinschaft mit Peter Humblot den Fröhlichschen Verlag, mit dem sie 1809 die Buchhandlung Duncker & Humblot errichteten. Die übernommenen Werke gehörten zumeist der Geschichte, Politik und Litteratur an; die Arbeiten von Gentz, dessen politisches Journal und Schlegels Athenäum hatten die hervorragendsten Stellen eingenommen. Die Unternehmungen der neuen Firma bewegten sich in ähnlicher Richtung. Die Fortsetzung der Beckerschen Weltgeschichte[188] wurde dem Geschichtsforscher Joh. Gottfr. Woltmann übertragen, die Altertumswissenschaft in den Kreis des Verlags gezogen und Verbindungen mit namhaften Mathematikern angeknüpft.
Duncker & Humblot erwarben sich das Verdienst, das gesundeste, tüchtigste und bleibendste Produkt der damaligen englischen Litteratur, die Wawerley-Novellen und die diesen folgenden Romane Walter Scotts dem deutschen Publikum zuerst in guten Uebersetzungen zugänglich zu machen.
Peter Humblot, geb. 13. 3. 1779 als Sohn eines Messerschmiedes, starb schon am 11. 12. 1828. Der Tod des Freundes und Geschäftsgenossen war für Duncker ein starker Antrieb, das nun seiner alleinigen Leitung anvertraute Geschäft mit verdoppelter Aufmerksamkeit und Thätigkeit weiterzuführen und zu entwickeln. Es gelang ihm, tüchtige Gehilfen zu finden, unter denen ⇒ Karl Büchner besonders erwähnt zu werden verdient.
Duncker war der erste, welcher in Gemeinschaft mit Humblot in Deutschland das graue Papier und die schlecht geschnittenen Lettern aufgab, um die Bücher seines Verlages so auszustatten, daß sie allmählich den Vergleich mit englischen und französischen Drucken aushalten konnten. Durch Schlosser, Raumer und Ranke wurde der deutschen Geschichtsschreibung der ihr gebührende Platz in der deutschen Litteratur erobert. Mit wenigen Ausnahmen sind Rankes Schriften aus dem Duncker und Humblotschen Verlage hervorgegangen, wie seine politisch-historische Zeitschrift, die Arbeiten der Schüler Rankes über die sächsischen Kaiser, die Jahrbücher des fränkischen Reichs, Dümmlers Geschichte Ludwigs des Deutschen u.s.w. An Rankes Werke schlossen sich Varnhagens Biographien aus der preußischen Geschichte, die Arbeiten von Preuß über die Jugend und die Freunde König Friedrichs II., K. A. Menzels preußische Geschichte, Adolf Schmidts zeitgenössische Geschichten, Beitzkes Geschichte der Befreiungskriege, Max Dunckers Geschichte des Altertums, kriegsgeschichtliche Werke von Blesson und Willisen, die grundlegende Darstellung des polnischen Aufstandes von Smitt, die Publikation der historischen Kommission in München. Einige der besten Romane ihrer Zeit erschienen bei Duncker, die von Willibald Alexis und Ludwig Rellstab.
Es folgten in einer großen, würdigen Gesamtausgabe Hegels Werke, die Duncker großen Erfolg brachten, weiter philosophische Werke wie Rosenkranz Leben Hegels und verschiedene Schriften von E. Gans. Das Gebiet der Geographie wurde durch Roons Handbuch,[189] Kulbs Länder- und Völkerkunde, Stuves Handelszüge der Araber u.a.m. bereichert. Aber auch sonst war eine glanzvolle Gelehrtenreihe mit ihren Werken vertreten: Wöhler, Lyell, F. Müller, Schöll, Ulrici, Schack, Pischon (große deutsche Litteraturgeschichte), sowie Riemers Arbeiten über Goethe, Varnhagens Rahel, Kuglers Geschichte der Malerei, Hirts Geschichte der bildenden Kunst, Theremias theolog. Schriften u. v. a.
Seit dem Jahre 1828 gehörte Duncker ununterbrochen bis zum Jahre 1866 entweder dem Vorstand, Verwaltungsausschusse oder dem Wahlausschusse des Börsenvereins an. Außerdem berief ihn das Vertrauen seiner Kollegen in die außerordentlichen Ausschüsse zur Vorberatung der Begründung einer Witwenkasse für die deutschen Buchhändler, zur Vorlegung von Vorschlägen für die Organisation des deutschen Buchhandels und endlich zur Ausarbeitung einer Vorlage für Feststellung des litterarischen Rechtszustandes in den Staaten des Deutschen Bundes. Nach dieser Richtung hin konnte Duncker auch noch von einer andern Seite her für die gemeinsamen Interessen des deutschen Buchhandels wirken. Der Minister des Unterrichts hatte ihn zu Anfang der vierziger Jahre zum Mitgliede des Vereins des litterarischen Sachverständigen in Berlin ernannt, dem Duncker ebenfalls bis zum Jahre 1866 ununterbrochen angehört hat.
Stolz und gefestigt stand Dunckers Firma da, als er sich wegen beginnender Altersschwäche von den Berufsgeschäften zurückziehen mußte. 1866 trat er seinen Verlag an Carl Geibel Vater (geb. am 26. 8. 1806 in Halle, gest. 6. 10. 1884 in Achern) und Carl Geibel Sohn (geb. 19. 5. 1842 in Budapest) ab, die ihn nach Leipzig verlegten. Einen geringen Teil behielt Duncker zurück dieser, unter der Firma Carl Duncker geführt, befindet sich seit 1889 im Besitze von H. Kornfeld in Berlin.
Von Carl Duncker und den Ergebnissen seiner 60jährigen verlegerischen Thätigkeit sagt sein Biograph: »Sein Verlag zeigt einen Durchschnitt durch das geistige Leben der deutschen Nation, der von der höchsten wissenschaftlichen Forschung, von den Gipfeln der Litteratur bis zu dem Lehrbuch der Schule hinabreicht. Der gesunden Bildung der Nation hat derselbe unzweifelhaft Nutzen gebracht.«
Unter Dunckers Nachfolgern ist die Verlagsrichtung eine rein wissenschaftliche geworden. An die, auf Anregung der Verlagshandlung in Angriff genommene Gesamtausgabe der Werke Leopold[190] von Rankes, welche der Altmeister mit wunderbarer Frische förderte und nahezu vollendete, schloß sich eine Reihe weiterer, zum Teil aus anderem Verlage übernommener historischer Werke. In diesem Zusammenhange mögen von den historischen Publikationen des Verlages nur das große nationale Unternehmen der Allgemeinen Deutschen Biographie und das monumentale Werk der Hanserecesse erwähnt werden. Gleichzeitig wurde das bis dahin nur spärlich bebaute Feld der Rechtswissenschaft eifriger gepflegt, seitdem, von der Verlagshandlung angeregt, Franz von Holtzendorff die Encyklopädie der Rechtswissenschaft herausgegeben hatte, ein in dieser Art wissenschaftlicher Litteratur bahnbrechendes Werk. Von besonderer Bedeutung waren für den Verlag die Veröffentlichungen auf dem Gebiete der Staatswissenschaft und der Volkswirtschaft. Außer einer Reihe von Einzelwerken brachte die Verlagshandlung u. a. das »Jahrbuch für Gesetzgebung«, die »staats- und sozialwissenschaftlichen Forschungen«, die »Schriften des Vereins für Sozialpolitik« und »des deutschen Vereins für Armenpflege«. Neben diesen, die gegenwärtige Hauptrichtung des Verlages kennzeichnenden Veröffentlichungen, ließ er sich noch als besondere Zweige seiner Thätigkeit die Pflege der Litteratur über Rußland und die baltischen Provinzen und über Oesterreich angelegen sein, brachte ferner die Werke Oscar Peschels und neuerdings auch Reisewerke und solche alpinistischen Charakters. Um die so große Bedeutung des Verlages zu kennzeichnen, mögen nur noch wenige Namen erwähnt sein: L. Brentano, H. Schmoller, Bezold, Meili, Sohm, Stengel, Hasbach, Sombart, Giesebrecht, Simson; und von den periodisch erscheinenden Werken und Zeitschriften neben den schon genannten »Staats- und sozialwissenschaftliche Beiträge, Hansesche Geschichtsblätter, Jahrbücher der deutschen Geschichte, Mitteilungen des Vereins für Erdkunde, Forschungen zur Brandenburgisch-preußischen Geschichte und die Zeitschrift für internationales Privat- und Strafrecht«.
Quellen: Verlagskatalog 1891 bezw. 1898; Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 1869, 1884; Zur Erinnerung an C. Fr. W. Duncker; Allgem. deutsche Biographie, Band V.
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