[260] Francke, A. H. August Hermann Francke (geb. 22. 3. 1663 in Lübeck, gest. 8. 6. 1727 in Halle), der große Pietist, interessiert uns hier als geistiger Stifter der Buchhandlung des Waisenhauses in Halle, wenngleich wir ⇒ Heinrich Julius Elers als wirklichen Gründer der Buchhandlung anzusehen haben.[260]
Auf Franckes Anordnung wurde der erste eigentliche Verlagsartikel, die von ihm 1697 gehaltene Predigt »Von der Pflicht gegen die Armen« gedruckt. Francke selbst berichtet 1702, so heißt es in der Schürmannschen Jubelschrift von 1898, »als vor ungefähr 4 Jahren der Anfang mit einer Predigt gemacht worden sei, habe man wohl an nichts weniger gedacht, als daran, einen Buchladen anzulegen. Erst im folgenden Jahr, 1699, sei der Entschluß zur Reise gediehen, und nachdem Ph. Jak. Spener aus liebreicher Vorsorge für das Waisenhaus demselben seine Paraphrasis in epistolam I. Johannis zum Verlage überlassen habe, sei mit diesem Traktat, welcher gegen die Ostermesse 1699 erschien, zum erstenmal die Leipziger Messe bezogen worden.«
Schon 1693 hatte Francke sein 300 Seiten starkes »Glauchisches Gedenkbüchlein« drucken lassen, ohne Verlagsfirma zwar, also im Selbstverlag erscheinend. Dieses Büchlein gilt als ältester Verlagsartikel, der an die Buchhandlung übergegangen ist, ihm war noch ein Lexikon in Novum Testamentum und eine Biblia Graeca von 1697 sowie noch einige weitere Kleinigkeiten gefolgt, welche in Beziehung zu Francke gebracht werden.
Vor der Gründung der Buchhandlung hatte Frankce verschiedene Hallische Verleger, darunter Joh. Jakob Schütze und J. F. Zeitler; von letzerem Verlage ging der größte Teil später an den Waisenhausverlag über. Michaelismesse 1699 war die Waisenhausbuchhandlung mit 14 Verlagsartikeln in Leipzig vertreten.
Am 5. 9. 1702 wurde Francke die Erlaubnis erteilt, in Berlin am Mühlendamm eine Buchhandlung zu errichten, die dann am 23. 9. desselben Jahres eröffnet wurde.
Gegen Michaelis 1701 richtete die Waisenhausbuchhandlung ihre eigene auf 2 Handpressen beschränkte Buchdruckerei ein, während die Verlagsartikel vorher bei Hallischen Druckern hergestellt worden waren.
1703 bewarb sich Francke um ein Zeitungsprivilegium, welches er aber erst 1708 in Wirksamkeit treten ließ, »wegen allerhand unvermuthet in den Weg gekommener Verhinderungen.« So hatte er denn schon von 1704 ab eine handschriftliche, allmonatlich erscheinende »Correspondentz« eingerichtet, bis die »Hällischen Zeitungen« ihren Anfang und Fortgang nehmen konnten. Erst 1768 hat das Waisenhaus das Zeitungsprivilegium abgegeben. Seit 1794 erschien die Zeitung unter dem Titel »Hallischer Courier«, bis sie 1824 einging, 4 Jahre später aber von ⇒ Schwetschke wieder aufgenommen[261] und in »Hallische Zeitung« abgeändert wurde. Als »Hallische Zeitung« erscheint das Blatt noch gegenwärtig im 195. Jahrgange.
Der Verlag der Waisenhausbuchhandlung, wozu noch die Bibelanstalt (siehe Artikel ⇒ Canstein) kam, wuchs sehr schnell. Der elf Jahre nach Franckes Tod erschienene Verlagskatalog von 1738 zählt 39 Oktav-Seiten, wovon 11 auf eigene Schriften Franckes kommen.
Um noch kurz auf einige wichtige Verlagsartikel im Ganzen hinzuweisen (besondere Nachweisungen siehe die Artikel ⇒ Bertram, ⇒ Canstein, ⇒ Elers, Schürmann) seien folgende genannt: Joachim Langes lateinische Grammatik, welche von 1703-1819 rund sechzig Auflagen erlebte; Freylingshausens Gesangbuch und desselben Religionsschriften; aus der Blütezeit der Universität, 1700-1730, weist der Katalog folgende Namen auf: für Theologie u. a. J. H. Michaelis, J. Lange und J. J. Rambach; Jurisprudenz: J. F. Ludovici, Sam. Stryk, J. G. Heineccius und als wichtigster Artikel wohl das etwas später herausgekommene preußische Landrecht mit der grundlegenden Vorarbeit von C. O. Mylius »Corpus constitutionum marchicarum«; daneben eine Reihe bedeutender Werke aus dem Gebiete der Medizin und Philosophie.
Quellen: A. Schürmann, Zur Geschichte der Buchh. d. Waisenhauses 1898 (vergl. auch vielen Lebensbeschreibungen von Francke, wo Näheres nachzulesen ist).