Frommann, Friedrich Johannes

[276] Frommann, Fr. J. B. G. Frommann aus Wolkenstein in Sachsen war von 1709-1741 Direktor der Buchhandlung des Waisenhauses[276] in Züllichau. Dessen Sohn Nathanael Sigismund Frommann erhielt 1759 einen Anteil an der Handlung, die er 1785 ganz übernahm, nachdem er zuvor die Großsche Buchhandlung in Leipzig angekauft hatte. Die Waisenhausbuchhandlung wurde schon seit 1759 unter der Firma Waysenhaus und Frommannische Buchhandlung geführt. N. S. Frommann starb bereits am 5. 3. 1786, die Witwe übertrug nun die Leitung der Handlung ihrem Sohne Friedrich Frommann und das Geschäft wurde unter der neuen Firma N. S. Frommanns seel. Erben betrieben.

Friedrich Frommann war damals, 201/2 Jahre alt, Gehilfe in der Myliusschen Buchhandlung in Berlin, als er plötzlich heimberufen wurde, das Erbe des Vaters anzutreten. 1794, nachdem er sich mit seiner Familie auseinandergesetzt, übernahm er das Geschäft unter der untermehrigen Firma Friedrich Frommann für eigene Rechnung. 1798 trat er das Sortimentsgeschäft an seinen ehemaligen Zögling Carl Darnmann ab, das dieser unter seinem Namen fortführte und das nach mannigfachen Wandlungen heute unter der Firma Hermann Augustin in Züllichau weiterbesteht.

Frommann siedelte mit seinem Verlage nach Jena über. Die Universität Jena stand damals auf ihrem Höhepunkt. Eine stattliche Reihe wissenschaftlicher Größen zierte ihre Lehrstühle. Viele der gefeierten Namen standen in Beziehungen zum Frommannschen Hause auch durch geselligen Verkehr: Thibaut, Hufeland, Loder, Luden, Griesbach, Ludwig Tieck, Steffens, Fichte und Schelling. Mit den Weimarer Berühmtheiten fand ein nicht minder reger Verkehr statt, und namentlich trat Altmeister Goethe zu Frommann sehr bald nach dessen Etablierung in Jena in ein näheres Verhältnis, das dadurch erleichtert ward, daß Riemer, der Lehrer seines Sohnes August, als Korrektor des Schneiderschen Wörterbuchs und als Verfasser des Auszugs daraus mit Friedrich Frommann in Geschäftsverbindung stand und daneben auch den brieflichen Verkehr mit Goethe vermittelte.

Friedrich Johannes Frommann, nachmals einer der tüchtigsten und ehrenwertesten Altmeister des deutschen Buchhandels, Ehrenbürger von Leipzig und Jena, Doktor der Philosophie der Universität Jena, wurde am 9. August 1797 in Züllichau geboren, besuchte das Gymnasium in Gotha und trat, nach überstandener Lehrzeit in des Vaters Geschäft, in die damals unter Friedrich Perthes Leitung stehende Firma »Perthes & Besser« in Hamburg[277] als Gehilfe ein. Von da siedelte er nach Berlin über, um zwei Jahre lang Universitätsstudien obzuliegen.

In die Berliner Studienzeit fällt Frommanns Bekanntschaft mit J. C. B. Stüve, dem späteren hannoverischen Abgeordneten, Minister und Staatsmann, die für sein späteres Leben von Bedeutung werden sollte.

Der Vater ließ seinem Sohne in reichem Maße Freiheit, das Studentenleben in all seiner Lust und Freude zu genießen, denn, so schreibt er an ihn, »zum Buchhandel kommst Du noch früh genug und hast Du nur offene Augen und Ohren, so wirst Du immer mehr begreifen, wie diese Zeit Dich fürs Geschäft und Leben vorbereitet.«

Im Herbst 1818 verließ Frommann die Universität Berlin und trat wieder bei Perthes & Besser in Hamburg ein. Im Sommer 1820, gelegentlich eines Besuchs seiner Mutter, verließ er mit ihr Hamburg. In Cassel, wo die Familie mit dem Vater zusammentraf, wurden die Geschwister Grimm besucht, von denen Wilhelm schon mit dem Frommannschen Hause bekannt war, und schnell Freundschaft fürs Leben geschlossen.

Dem Wunsche seines Vaters folgend, widmete er sich der Buchdruckerkunst, teil im väterlichen Geschäft zu Jena, teils zu Frankfurt a. M., wo wir ihn in den Jahren 1822-1824 finden.

1824 kehrte Frommann in das väterliche Haus zurück. Der Umgangskreis desselben hatte sich inzwischen wesentlich verändert. Es gehörten zu demselben durch bleibenden oder vorübergehenden Aufenthalt in Jena u. A.: A. W. von Schlegel, Tieck, Gries, Zacharias Werner, Schelling, Hegel, Fichte, Oken, Kieser, Seebeck, Luden, F. A. Wolf, Thibaut, Loder, Hufeland. – Frommanns waren bekannt und befreundet mit einer Reihe hervorragender Personen in Weimarer und an andern Orten, deren Namen zu den besten ihrer Zeit zählen, z. B. Jacobs, Jean Paul, Zelter, Schleiermacher, Henriette Herz, Caroline Wolzogen, Johanna Schopenhauer, Kügelgen, Rochlitz, Heinroth, und mit so vielen Andern, die Beziehungen gewannen und pflegten. – Des alten Frommanns feines Verständnis und sein guter Geschmack waren anerkannt. Goethe schickt ihm z. B. das Manuskript zu einem Festgedicht bei Anwesenheit der Kaiserin von Rußland und fordert ihn auf, mit Bleistift anzumerken was ihm auffalle, da er die Blätter mit frischen Augen ansehe. Schelling schreibt ihm 1808 aus München, nach einem Seufzer über den dortigen, freilich durch den Krieg gedrückten Buchhandel: »Sollte[278] ich die Wissenschaften hier emporbringen, so würde ich eine der ersten Vokationen an Sie erlassen.« –

Am 13. 3. 1836 konnte Frommanns Vater sein 50. Geschäftsführungsjahr festlich begehen, im gleichen Jahre besuchte er zum fünfzigstenmale die Leipziger Ostermesse; die Stadt Leipzig ehrte ihn gleichzeitig durch Verleihung des Ehrenbürgerrechtes. In seinem Wirken allseitig anerkannt, insbesondere durch ehrende Zuschriften des damaligen Großherzogs von Sachsen, Carl Friedrich, sowie von der Universität Jena, starb Frommann sen. am 12. 6. 1837 in seinem 71. Lebensjahre.

Am 8. April 1825 war Fr. Joh. Frommann als Geschäftsteilhaber eingetreten. Seine ebenso gründliche, als umfassende und vielseitige Bildung, welche ihm zuteil geworden war, mußte bald die Augen seiner Berufsgenossen auf ihn lenken, als es galt, den deutschen Buchhandel in neue Bahnen zu lenken. An fast allen Unternehmungen und Vorarbeiten, welche diese Aufgabe zum Ziele nahmen, hat Fr. Joh. Frommann thatkräftigen, vielfach maßgebenden Anteil gehabt, teils als langjähriger Vorsteher des Börsenvereins, teils als Mitglied derjenigen Ausschüsse, welche mit den schwierigsten, umfänglichsten und für die Interessen des Buchhandels bedeutsamsten Aufgaben betraut waren. So war er namentlich Mitglied der Ausschüsse für die Gründung der deutschen Buchhändler-Börse in Leipzig (1833); für die Bearbeitung der in den beiden, der Kgl. sächsischen Staatsregierung in den Jahren 1841 und 1842 übergebenen Denkschriften in Bezug auf die von der Bundesversammlung für das Jahr 1842 verheißene Revision der bundesgesetzlichen Bestimmungen über die »literarischen Rechtsverhältnisse in Deutschland«, und über »Zensur und Preßfreiheit in Deutschland« gemachten Vorschläge betreffs einer Revision der bundestägigen Nachdruckgesetzgebung; für die Bearbeitung der im Jahre 1845 der sächsischen Staatsregierung übergebenen Denkschrift: »Ueber die Organisation des deutschen Buchhandels«; für die Erörterung der Frage, welche Wirkungen der preußisch-englische Vertrag über den gegenseitigen Verlagsschutz geübt habe (1847); für die Bearbeitung der im Jahre 1855 ausgearbeiteten Denkschrift über den internationalen Rechtsschutz gegen Nachdruck zwischen Deutschland, Frankreich und England.

Dieser umfänglichen Wirksamkeit Frommanns auch öffentlich Ausdruck zu verleihen, gab die Feier seines 50jährigen Buchhändler-Jubiläums im Jahre 1875 den besten Anlaß. Aus der Fülle der Ehrungen, die ihm aus ganz Deutschland zuflossen, wollen wir hier[279] nur der Adresse des Börsenvereins der deutschen Buchhändler gedenken. Sie ist ein so schönes ehrendes Zeugnis für Frommanns Thätigkeit für das Wohl des Buchhandels, daß sie im Wortlaut hier folgen möge:


Hochgeehrter Herr!

Die Wiederkehr des Tages, an welchem Sie vor fünfzig Jahren als selbständiges Glied in die Genossenschaft der deutschen Buchhändler eintraten, ist für den Vorstand des Börsenvereins eine freudige Veranlassung, Ihnen die herzlichsten Glückwünsche zu dieser seltenen Feier darzubringen.

Wohl preisen wir zunächst die Gnade Gottes, welche Ihnen vergönnt, auf ein so langes und reich gesegnetes Leben zurückzublicken. – Ihr Verdienst aber ist es, daß der Name Friedrich Johannes Frommann im gesamten Buchhandel mit Verehrung, und von Denen, die Ihnen im Leben näher getreten sind, mit Liebe genannt wird.

Allseitig vorbereitet durch die Lehrzeit im väterlichen Hause, durch den Aufenthalt bei Perthes & Besser in Hamburg, durch praktische Ausbildung in der Buchdruckerkunst, sowie durch wissenschaftliche Studien traten Sie am 8. April 1825 als Teilhaber in das väterliche Geschäft ein. Der Buchhandel der damaligen Zeit hatte Schwierigkeiten zu überwinden und Kämpfe zu bestehen, wie sie dem jetzigen Geschlechte fast unbekannt sind. Noch wurde die Presse von oben her mit Mißtrauen und Argwohn angesehen, die Censur wurde als eine für das Wohl des Staates unentbehrliche Einrichtung betrachtet, die Rechte der Schriftsteller und Verleger waren von Privilegien abhängig, während der Nachdruck offen und ungescheut sein schamloses Handwerk betrieb; der Buchhandel selbst aber entbehrte jener festen und straffen Organisation, die allein ein gedeihliches Wirken ermöglicht.

Wenn wir heute auf die Zustände jener Tage zurückblicken und uns vergegenwärtigen, was seit jener Zeit geschaffen ist, um den Buchhandel und die Litteratur zur vollen freiheitlichen Entfaltung zu bringen, dann müssen wir mit Dank und mit Stolz jener Männer gedenken, welche ihre höchste Ehre darein setzten, ihre Kräfte dem Wohle der Gesamtheit zu widmen. Zu diesen Männern aber können wir Sie, hochverehrter Herr Jubilar, in erster Reihe rechnen.

Das Vertrauen Ihrer Genossen hat Sie zu wiederholten Malen in den Vorstand des Börsenvereins berufen, fast allen Kommissionen, welchen die Aufgabe oblag, für die Feststellung des litterarischen Rechts oder für das Wohl des Buchhandels zu wirken, haben Sie als Mitglied angehört. Durch Ihre genaue Kenntnis der geschäftlichen Verhältnisse, durch Ihre unermüdliche Arbeitskraft, durch Ihre wahrhafte Begeisterung für unsern Beruf haben Sie dem Buchhandel und der Litteratur Dienste geleistet, welche stets in dankbarer Erinnerung bleiben werden. Hierzu gesellte sich die Geradheit und Festigkeit des Charakters, welche Sie stets unerschrocken für Ihre Ueberzeugung eintreten hieß, und mit vollem Selbstbewußtsein dürfen Sie von sich sagen:

Denn ich bin ein Mensch gewesen,

Und das heißt ein Kämpfer sein.[280]

Fast zu gleicher Zeit mit Ihnen feiert auch der Börsenverein der Deutschen Buchhändler sein fünfzigjähriges Jubiläum. Als es nun galt, die Geschichte jener Tage zu schreiben, in denen der Grundstein unserer heutigen Organisation gelegt wurde, und die Entwicklung des deutschen Buchhandels in den letzten 50 Jahren zu schildern, da wandten sich unsere Blicke nach Jena, und es erging unsere Bitte an Sie, diese schwere und mühevolle Arbeit zu übernehmen. Ihre stets bewiesene Bereitwilligkeit, dem Wohle der Gesamtheit zu dienen, hat sich auch hierbei bewährt und wir werden in der nächsten Ostermesse die Frommannsche Geschichte des Börsenvereins dem gesamten Buchhandel als eine wertvolle, sicher Allen hochwillkommene Gabe darbieten können.

Nach dem Leben voll ernster Arbeit, welches Sie in Treue gegen Gott, gegen sich, gegen Ihre Berufs- und Bürgerpflichten geführt haben, erfreue Sie nun eine lange Reihe von Jahren hindurch ein schöner und friedenvoller Lebensabend.

Ungemindert bleibe Ihnen die Frische der Seele und des Leibes, damit Sie ferner wirken, so lange es Tag ist, zu Ihrer Genugthuung und zur Freude der Ihrigen, Ihrer Freunde und Genossen. Das walte Gott!

Berlin, Bonn und Leipzig, 8 April 1875.

Der Vorstand des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler.

Adolph Enslin. G. Marcus. C. Voerster.


Auch litterarisch war Frommann thätig. Das Börsenblatt für den deutschen Buchhandel enthält eine lange Reihe von Artikeln aus seiner Feder, meistenteils sich mit der Praxis des Buchhandels beschäftigend. Ferner schrieb er: Das Frommannsche Haus und seine Freunde (3. Aufl. 1889); Geschichte des Börsenvereins der deutschen Buchhändler (1875); Die neuesten Versuche zur Preßgesetzgebung (1851); daneben redigierte er 1830/31 den Thüringer Volksfreund und 1848/51 Das Deutsche Blatt aus Thüringen, deren Vorläufer der »treue Eckardt« war.

Frommanns Verlag bestand aus wohlgeordneten Gruppen. Die Schul- und Wörterbücher (es erschien in seinem Verlage das erste griechisch-deutsche Wörterbuch) nahmen bei ihrem Umfang und ihrer Zahl überaus beträchtliche Mittel in Anspruch, forderten eine rege Arbeit und einen stets wachsamen Blick auf die Schule und die Lehrer. Daneben steht eine ansehnliche Reihe von Werken anderer Wissenschaften, die sich aus den Verbindungen mit der Universität, aus den Kreisen, welche dieselbe anzog und aus der engen Verbindung mit Weimar zusammensetzten. Aus der Poesie seien hier Ariost und Tasso von Gries erwähnt. Der Verlagskatalog führt u. a. Werke auf von Hufeland, Oken, Kieser, Luden, Schmid, Ritter, Baumgarten-Crusius, Fernow etc., die alle lebhaft begehrt waren. Sein Verlag war einer der bedeutendsten Deutschlands[281] damaliger Zeit, er gewährte ihm neben reichlicher Arbeit auch reichlichen Gewinn. – In der Buchdruckerei, welche Frommann in Gemeinschaft mit seinem Schwager Wesselhöft betrieb, wurden Goethes Schriften für Cotta gedruckt.

Das 1829 gegründete Sortiment trat Frommann 1863 seinem Sohne und bisherigen Teilhaber Eduard Frommann ab (Ed. Frommanns Aufsätze zur Geschichte des Buchhandels im 16. Jahrhundert, 2 Hefte 1876, mögen hier als tüchtige Arbeiten nicht unerwähnt bleiben). 1878 ging es an Paul Matthaei über, von dem es 1883 an Emil Behrend gelangte. Als dieser 1885 seine Verlagsbuchhandlung (jetzt in Wiesbaden befindlich) errichtete, kaufte das Jenaer Geschäft Anton Passarge, der es im Jahre 1890 an den jetzigen Besitzer Armin Bräunlich abtrat, von dem es unter der Firma Frommannsche Großh. Sächsische Hofbuchhandlung weitergeführt wurde, 1900 aber an Eckard Julius Klostermann überging und seitdem firmiert Frommannsche Hofbuchhandlung (Bräunlich & Klostermann).

Friedr. Joh. Frommann starb am 6. 4. 1886; sein Sohn Professor Dr. C. Frommann verkaufte den Verlag an Emil Hauff, der ihn unter der Firma Fr. Frommanns Verlag (E. Hauff) nach Stuttgart verlegte.

Die Druckerei ging an Hermann Pohle über, dessen Familie zur Zeit Besitzerin der Frommannschen Hof-Buchdruckerei (H. Pohle) in Jena ist.

Quellen: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 1836, 1870, 1875, 1886; Schulz, Adreßbuch des deutschen Buchhandels 1888; vergl. auch die Angabe der Quellenschriften im Bibliotheks-Katalog des Börsenvereins (siehe auch oben im Text); Allgem. dtsche. Biographie Bd. VIII etc.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 2. Berlin/Eberswalde 1903, S. 276-282.
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