Hallberger, Eduard von

[363] Hallberger, E. v. Eduard von Hallberger wurde am 29. 3. 1822 in Stuttgart geboren und trat nach Absolvierung des Gymnasiums seiner Vaterstadt in die väterliche Handlung als Buchdrucker-, später als Buchhandlungslehrling ein. 1845 begab er sich nach Norddeutschland und konditionierte in Berlin und Potsdam in größeren Sortimentsbuchhandlungen. 1847 kehrte er in seine Vaterstadt zurück und nahm wieder thätigen Anteil an der Führung des väterlichen Geschäfts.

Sein Vater Louis Wilhelm Friedrich Hallberger, 1796 in Plochingen geboren, 1879 zu Stuttgart gestorben, war wie der Großvater ehemals Kaufmann und betrieb später ein ausgedehntes und angesehenes Verlagsgeschäft unter der Firma »Hallbergersche Verlagsbuchhandlung«, welches er 1830 durch Ankauf der [363] Franckhschen Verlagsbuchhandlung bedeutend vergrößerte (vergl. Artikel Franckh). Die damalige Bedeutung des Geschäftes wird am besten durch Anführung der Autoren gekennzeichnet, die in den dreißiger und vierziger Jahren ihre Werke bei ihm erscheinen ließen: C. Spindler, der erste deutsche Romanschriftsteller der vierziger Jahre, C. J. Weber, Fürst Pückler-Muskau, von Prokesch-Osten, v. Gentz, v. Hügel, Laube, Menzel, v. Rotteck, Schneller u.s.w. –.

Am 1. September 1848 begründete der junge Hallberger ein eigenes Verlagsgeschäft unter der Firma Eduard Hallberger.

Die Anfänge waren indes sehr bescheiden und mit seinem und seiner Frau Vermögen von 10000 Gulden mußte er haushalten, denn Kredit war im Revolutionsjahr 1848 nicht erhältlich. Die ersten Verlagswerke waren Jugendschriften; durch sein koulantes Benehmen gewann Hallberger bald die ersten Namen unter den Jugendschriftstellern der damaligen Zeit. In der Zeitschrift »Jugend-Album« und in den jährlich erscheinenden »Weihnachtsblüten« wußte er zugkräftige Verlagsunternehmungen zu schaffen. Diesen folgten der »Deutsche Volkskalender« von Hoffmann und die »Militärbibliothek« von Hackländer. Daran schloß sich das »Zentralorgan für die deutschen Bühnen«, redigiert von Dr. Edmund Zoller.

Schon im Beginne seiner selbständigen Thätigkeit hatte Hallberger sein Augenmerk auf die damals in Frankreich und England gepflegte wichtige Verbindung des schriftlichen Worts mit der darstellenden Kunst gelenkt und in seinen Jugendschriften der Illustration mittels des Holzschnitts mehr und mehr Raum verschafft. Er entschloß sich daher 1853 zur Herausgabe einer illustrierten Zeitschrift größeren Stils unter dem Titel »Illustrierte Welt« und associierte sich zu diesem Zwecke, da es ihm teils an den erforderlichen Geldmitteln, teils an der nötigen Zahl von geschickten Xylographen fehlte, mit zwei Franzosen. Sie erreichte in wenigen Jahren eine Auflage von 100000 Exemplaren, und nach kurzer Zeit war Hallberger nicht nur in der Lage, seine französischen Teilhaber abzulösen, sondern auch brauchbare Holzschnitte in genügender Zahl aus einem selbst errichteten Atelier zu beschaffen. Er hat damit zur Begründung einer modernen Holzschneidekunst in seinem Vaterlande neben J. J. Weber in Leipzig viel beigetragen.

Die stetige Vergrößerung seines Geschäftes zwang ihn, nachdem er auch noch die Buchdruckerei seines Vaters übernommen hatte, in den fünfziger Jahren ein größeres Anwesen zu erwerben und ein erweitertes Geschäftshaus und Druckereigebäude dort zu[364] errichten. Aber auch dieses Haus war bereits Ende der sechziger Jahre in allen Abteilungen zu enge, weshalb 1870 ein großer Neubau begonnen und 1871 vollendet wurde.

Nach den Plänen seiner Freunde F. W. Hackländer und Dr. E. Zoller rief Hallberger 1858 die Zeitschrift »Ueber Land und Meer« ins Leben, die von jetzt ab das hervorragendste und bedeutendste Verlagsobjekt des Geschäfts wurde. Die Grundidee war die, daß die neue Zeitschrift auf dem Gebiete der Unterhaltungslektüre, der Belletristik, der Poesie und der illustrativen Kunst das werden und bieten sollte, was schon damals die »Leipziger Illustrierte Zeitung« auf dem Gebiete des politischen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens war und bot. Hackländer, der zu jener Zeit auf der Höhe seines Ruhmes als einer der beliebtesten Erzähler stand, verpflichtete sich, für jeden Jahrgang einen Roman in die Zeitschrift zu liefern und als Herausgeber derselben zu fungieren, Zoller aber übernahm die Redaktion.

Nach wenigen Jahren begründete Hallberger eine weitere illustrierte Zeitschrift: »Zu Hause«, welcher die Idee zu Grunde lag, daß sein Verlag allen Volksschichten gute Unterhaltungslektüre darzubieten habe; an ihre Stelle sind später die »Illustrierten Romane aller Nationen« getreten. Ferner schlossen sich noch an: »Illustrierte Volkszeitung« 1874-75; »Der Kapitalist, Finanzblatt für Jedermann« 1874-76; seit 1873 erscheint »Die Romanbibliothek«, eine Ergänzung zu »Ueber Land und Meer«. Hallberger hatte eine Erfindung erworben, durch welche der Notendruck mittels der Buchdruckpresse viel billiger hergestellt werden konnte, als es bis dahin auf lithographischem Wege möglich war, was ihm Veranlassung wurde, die musikalischen Klassiker Beethoven, Mozart, Haydn, Weber, Clementi in einer Prachtausgabe herauszugeben; aus dem Verlage des Vaters übernahm er Liszts Salon- und Reisers Klavierschule. Anfangs wurde der musikalische Verlag gesondert unter der Firma »Verlag zum Haydn« geführt. Weiterhin begann er mit seinem überall bekannt gewordenen Prachtwerkverlag mit Illustrationen: Perrraults »Märchen« und »Münchhausen«, illustriert von Gustav Doré, Hauffs »Märchen« mit Illustrationen von Hosemann und Weber, Buschs »Müllerstochter« und »Hans Huckebein«, Dorés Prachtbibel in drei Ausgaben, später Gilberts illustrierte Prachtausgabe von Shakespeares Werken, sodann Goethes und Schillers Werke, diese illustriert von den ersten deutschen Künstlern, Ebers »Aegypten« und »Palästina«. Daran reihten sich ferner die in vielen[365] Auflagen erschienenen viersprachigen Anthologien von Georg Scherer, E. Borel, Ferd. Freiligrath und Paul Heyse und Freiligraths »Illustrated Magazine« 1875-80.

Zum Großfinanzmann und Großindustriellen mit unbeschränkten Zielen geboren, begann Hallberger nunmehr sich an allen größeren wirtschaftlichen Fragen der Vaterstadt und des Heimatlandes zu beteiligen. 1865 entspann sich ein ernstlicher Kampf des württembergischen Handels- und Gewerbestandes mit der Landesregierung wegen Errichtung einer einheimischen Notenbank. Hallberger nahm an dem Kampfe lebhaften Anteil und lernte bei dieser Gelegenheit Alwin Moser, Herausgeber der »Zeitschrift für Kapital und Rente«, kennen; die Folge war, daß Moser den öffentlichen Dienst aufgab und als Hallbergers erster Mitarbeiter in dessen Geschäft eintrat.

Sofort nach dem Eintritt Mosers wurde das Württembergische Kohlengeschäft ins Leben gerufen und zwar als Produkt der Vereinigung württembergischer Industrieller zum Bezug billigerer Kohlen. 1868 traten unter der Aegide Hallbergers gleich zwei Unternehmungen größeren Stils ins Leben; die Stuttgarter Pferdebahn, eine der ersten in Deutschland, und dann die Aktiengesellschaft Zuckerfabrik Stuttgart. Daran reihte sich im Jahre 1869 der Ankauf der vormals Gräflich v. Viereggschen Güter Tutzing und Rösselsberg am Starnberger See. Hallberger schuf das unvergleichlich schön gelegene Schloß Tutzing alsbald zu einem wahren Tuskulum um und machte aus dem Garten desselben eine weit und breit bekannte Berühmtheit. Hier entwickelte sich denn auch jener geradezu idyllische Verkehr zwischen den Mitgliedern der ganzen Familie, sodann zwischen den Freunden von nah und fern und nicht am wenigsten zwischen dem Verleger Eduard Hallberger und den Schriftstellern wie Schriftstellerinnen und Künstlern, die er bereits für sich gewonnen hatte oder gewinnen wollte. Hallberger war der liebenswürdigste Wirt, den man finden konnte. Das Verhältnis zwischen ihm und den Mitarbeitern an seinem Verlage gestaltete sich daher fast ausnahmslos zu dem der persönlichen Freundschaft. Da brach der deutsch-französische Krieg aus und drohte alle Geschäftsthätigkeit zum Stocken zu bringen. Es trat eine schwere Zeit ein. Fast die Hälfte der Arbeiter wurde sowohl aus den Bureaux und Werkstätten des Verlagsgeschäfts als von den Baustellen zu den Fahnen abberufen. Auch in der Versendung der Journale und Bücher erhoben sich Schwierigkeiten aller Art. Und doch war ein Institut wie das Hallbergersche genötigt, von dem nationalen Kriege, der alle Volksschichten aufgerüttelt[366] und zur patriotischen Begeisterung entflammt hatte, auch litterarisch Notiz zu nehmen. Dies geschah durch die Herausgabe einer illustrierten Kriegszeitung unter dem Titel »Vom Kriegsschauplatz«, an welche sich später eine Geschichte des deutsch-französischen Kriegs von Professor Wilhelm Müller anschloß. 1871 führte Hallberger die Umwandlung seiner Ziegelfabrik, seines Steinbruches und Bauareals in eine Aktiengesellschaft unter der Firma Stuttgarter Immobilien- und Baugeschäft durch. Aus eigenen Mitteln erwarb er die vier Papierfabriken der in Konkurs geratenen Firma Schwarz & Söhne in Göppingen, wovon die drei kleineren alsbald wieder veräußert wurden, die Hauptfabrik zu Salach aber sofort wesentlich vergrößert, technisch erneuert, verbessert und in eigenen Betrieb genommen wurde. In Leipzig wurde bald darauf eine Filiale eröffnet. 1872 errichtete Hallberger, nachdem er für seine eigenen Arbeiter angesichts der fortwährend steigenden Mietspreise der kleinen Wohnungen für billige Quartiere gesorgt hatte, im Verein mit andern Männern humaner Gesinnung die »Stuttgarter Gemeinnützige Baugesellschaft«. 1873 folgte der Ankauf der damaligen Strohstofffabrik in Süßen, welche später in eine Papierfabrik umgewandelt wurde, das Jahr 1874 brachte die käufliche Erwerbung der Papierfabrik Wildbad, mit der bald darauf zwei Holzstofffabriken verbunden wurden.

In den sechziger Jahren trat Professor Dr. Georg Ebers mit Hallberger in Verbindung und zwischen ihnen entwickelte sich bald ein intimes Freundschaftsverhältnis, das von den nebenhergehenden geschäftlichen Beziehungen niemals auch nur im geringsten gestört worden ist. Ebers hatte damals seine Studien als Aegyptologe gemacht und den ersten seiner ägyptischen Romane: »Eine ägyptische Königstochter« (1864) geschrieben. Dieser war der Anfang der großen Reihe Ebersscher Romane, die einen ungeahnten Erfolg erzielten: »Uarda« (1877), »Homo sum« (1878), »Die Schwestern« (1880), »Der Kaiser« (1881), »Serapis« (1885), »Die Nilbraut« (1887), »Die Gred« (1889) u.s.w.; gesammelte Werke, 32 Bände. Eduard Hallberger starb, in Anerkennung seiner Verdienste von seinem Landesfürsten geadelt und zum Geheimen Kommerzienrat ernannt, vielfach dekoriert, am 29. August 1880, wenig über 58 Jahre alt.

Die Leitung des Buchhandlungsgeschäftes übernahm nun Karl Hallberger, sein Bruder, während die ganze übrige geschäftliche Erbschaft Alwin Moser zufiel. Mit einem Grundkapital von drei Millionen Mark wurde unter der Firma Deutsche Verlags-Anstalt[367] (vormals Eduard Hallberger) 1881 eine Aktiengesellschaft gebildet.

Ueberblicken wir die reiche Verlagsthätigkeit des Hauses, so fällt uns vor allem der umfangreiche Roman-Verlag ins Auge, der natürlich in engem Anschluß an die Zeitschriften erschien: A. Achleitner, O. Blumenthal, W. Bölsche, Ida Boy-Ed, Rob. Byr, J. v. Dewall, G. Ebers, K. Frenzel, A. v. Gersdorff, Jul. Grosse, K. Gutzkow, F. W. Hackländer, Edm. Höfer, H. Hopfen, Gräfin M. Keyserling, A. v. Klinckowström, O. von Leitgeb, R. Lindau, O. Meding (Gregor Samarow), J. R. zur Megede, W. Meyer-Förster, A. Niemann, A. v. Perfall, W. Raabe, H. Rosenthal-Bonin O. Schubin, B. Schulze-Schmidt, A. Sperl, A. G. v. Suttner, R. Voß, H. Wachenhusen, J. v. Wickede, E. Zahn, F. v. Zobeltitz; daneben eine große Reihe guter Uebersetzungen fremdländischer Romane von Autoren wie A. Daudet, M. Gorjki, R. Kipling, P. Loti, H. Sienkiewicz, L. Tolstoj, E. Zola. Aus dem Gebiete der schönen Litteratur im engeren und weiteren Sinne ist sonst zu nennen: Ludwig Bechstein, Heinrich Düntzer, Franz Hoffmann, W. Menzel, Ludwig Pfau, Pückler-Muskau, Graf von Schack, Fr. Strehlke, C. J. Weber, F. Freiligrath, A. Grün, Theobald Kerner, N. Lenau, G. Scherer, F. Th. Vischer u. v. a. Mit »Gesammelten Werken« sind vertreten außer Ebers, S. H. Mosenthal, M. G. Saphir, C. Spindler, C. J. Weber, abgesehen von den billigen und illustrierten Prachtausgaben der Klassiker. Es ist übrigens keine der Wissenschaften im Verlagskatalog unvertreten. Die Staats- und Rechtswissenschaft mit Politik stellt Namen wie Heinrich von Poschinger (Bismarckschriften); Jos. Kürschner; C. v. Rotteck; aus der Geschichte und Geographie nennen wir: H. Berghaus; F. Graf Frankenberg; Oskar Medings Kaiserbuch: 91 Jahre in Glaube, Kampf und Sieg; Moltkes Briefe an seine Braut und Frau; Dr. A. Pfister; Schillers Briefe, kritische Gesamtausgabe in 7 Bänden von F. Jonas u.s.w. Das Kunstgebiet haben wir schon berührt und die Philologie bringt eine Reihe Schulbücher. Wenn wir im Uebrigen noch anführen Otto Luegers Lexikon der gesamten Technik, 7 Bände à 30 Mk. (1894 uff); Dr. Kurt Lampert, Die Völker der Erde, 2 Bände Mk. 25.–; die Schriften Amalie Baischs und J. von der Lütts; Wilhelm Busch, Justinus Kerner etc., so dürften wir damit unsere gedrängte Uebersicht über den umfassenden Verlag beschließen können.

Quellen: Jubiläumskatalog 1898; Illustrierte Zeitung Nr. 1716 (vergl. dort die vorzügliche Schilderung der Persönlichkeit Hallbergers durch Paul Lindau);[368] Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 1879, 1880, 1890; Gegenwart 1880; Adreßbuch des deutschen Buchhandels 1892. (Darin noch Nachweis folgender Litteratur: Journal für Buchdruckerkunst 1880 und 1890; österr.-ungar. Buchdruckerzeitung 1880, 1890; österr.-ungar. Buchh. Korrespondenz 1890; Württembergs Großindustrie und Großhandel; Ueber Land und Meer 1880, Nr. 52; Neue freie Presse vom 21. September 1880; Wiener Salonblatt 1871, Nr. 43; Deutsches Montagsblatt 1880, Nr. 36; Stuttgarter Neues Tageblatt vom 31. August und 2. September 1880; Schwäbischer Merkur vom 31. August und 2. September 1880); Allgem. Deutsche Biographie X. Band.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 2. Berlin/Eberswalde 1903, S. 363-369.
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