[374] Hartknoch, J. F. Johann Friedrich Hartknoch wurde als Sohn des Thorschreibers, Organisten und Stadtmusikus Hartknoch in Goldap in Ostpreußen am 28. 9. 1740 geboren. Sein Vater gab ihm eine, so viel an ihm lag, sorgfältige Erziehung; mit 16 Jahren kam der junge Hartknoch auf die Königsberger Hochschule. Groß war der Einfluß, den die Lehrer, zu deren Füßen der junge Theologe saß, ausübten, insbesondere Im. Kants. Zu freiem Freundesverkehr blieb indessen dem armen Goldaper Theologen wenig Zeit; er mußte seine Zeit zwischen Kollegienbesuch und Unterrichtgeben teilen. 19 Jahre alt, trat er in den Freimaurerorden ein, dem er bis zum Lebensende als eifriges Mitglied angehörte.
Der Hauptsammelplatz der schönen Geister Königsbergs der damaligen Zeit war ⇒ J. J. Kanters Buchladen. Kanter hatte der fleißigen und leselustigen Hartknoch liebgewonnen und ihm gestattet, zu ihm zu kommen, so oft er wollte und zu lesen, was er wollte. Als Kanter 1761 zur Leipziger Ostermesse fuhr, übertrug er Hartknoch die interimistische Leitung seines Geschäfts und dieser wußte das ihm geschenkte Vertrauen so glänzend zu rechtfertigen, daß der Prinzipal ihm nach seiner Rückkunst vorschlug, förmlich in seinen Dienst zu treten und Buchhändler zu werden. Hartknoch, dem sich damit Aussichten auf eine dankbarere und interessantere Laufbahn eröffneten, willigte ein und arbeitete zwei Jahre lang als Gehilfe im Kanterschen Geschäft.
1763 eröffnete Hartknoch in Mitau eine Buchhandlung und wenig später rief er ein zweites Geschäft in Riga ins Leben, dessen persönliche Leitung er dann selbst übernahm und sich dauernd dort niederließ. Kaum ein Jahr nach seiner Niederlassung war Hartknoch bereits unter den leitenden Persönlichkeiten der beiden baltischen Metropolen eine der ersten. Ihm hauptsächlich ist auch die Berufung Herders als Collaborators an der Rigaer Domschule zu verdanken.
Als Hartknoch noch in der Kanterschen Buchhandlung als Gehilfe arbeitete, war Herder nach Königsberg gekommen, um daselbst Theologie zu studieren, und die beiden strebsamen jungen Männer hatten sich rasch und innig befreundet. Herder hatte damals daran gedacht, selbst Buchhändler zu werden, war aber durch den älteren Freund, der des jungen Theologen reizbare, zugleich blöde und wiederum stolze Natur richtig erkannte und beurteilte, davon überzeugt[374] worden, daß er nicht zum Geschäftsmann tauge. Jede freie Stunde hatten sie geteilt, da ihr Bekanntenkreis derselbe war, und in späteren Jahren erinnerte Herder sich mit Wehmut der Zeiten, »da der thätige Freund, mit dem großen Bücherpacket unter dem Arm, den Schloßberg hinauflief und abends zu ihm in sein bescheidenes Stübchen kam, um zu berichten, wie es mit dem Handel gegangen sei«. So wurden die beiden herzlich verbundene Freunde und sind es zeitlebens auch geblieben. Mit dem Sortimentsgeschäft hatte Hartknoch bald einen Verlag verbunden, und gerade in die Jahre von Herders Aufenthalt in Riga fällt ein Teil der wichtigsten seiner Verlagsunternehmungen. Dieselben sind in doppelter Hinsicht von Interesse, denn sie beziehen sich ebenso auf die große deutsche, wie speziell auf die livländische Litteratur der damaligen Zeit. 1763 erschien Kants »Versuch, den Begriff der negativen Größen in die Weltweisheit einzuführen«, 1766 die »Träume eines Geistersehers«. Kant, der in Königsberg schon damals eine bekannte litterarische Größe war, ließ seine Schriften in dem entlegenen Riga erscheinen und ist der Hartknochschen Firma bis an das Lebensende ihres Begründers treu geblieben. Seine bedeutendsten Schriften, »Die Kritik der reinen Vernunft«, »Die Kritik der praktischen Vernunft«, »Die Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik«, »Die Grundlegung zur Metaphysik der Sitten«, »Die metaphysischen Anfangsgründe der Naturwissenschaft« erschienen bei Hartknoch. Hamann ließ bei Hartknoch seine »Essais à la Mosaique«, sowie eine Sammlung kleiner Schriften erscheinen; ferner sind zu erwähnen: »Borzins Philosophie der Geschichte«, die deutsche Uebersetzung von Rousseaus Schutzschrift an den Erzbischof von Paris: »Wegmanns Bedenklichkeiten über Kants einzigmöglichen Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes«, »Die Abhandlungen der freien ökonomischen Gesellschaft in St. Petersburg zur Aufmunterung des Ackerbaues und der Hauswirtschaft in Rußland«, Büschings »Abhandlungen und Nachrichten von Rußland« etc. Ein Hauptverdienst Hartknochs bestand mit darin, daß er seinen jungen Freund Herder unablässig zur Produktion ermunterte und dessen erste Schriften so geschickt zu vertreiben wußte, daß sie bald die allgemeinste Aufmerksamkeit erregten. Ein etwas näheres Eingehen auf das Verhältnis zu Herder mag deshalb hier angebracht sein, umsomehr als es ein glänzendes Zeugnis für die Biederkeit dieses echten deutschen Buchhändlers bietet. Schon 1765 waren die beiden Gelegenheitsschriften Herders: »Der Opferpriester« und »Haben wir noch jetzt das Publikum und Vaterland[375] der Alten« gedruckt worden; 1767 erschienen die drei ersten Sammlungen der »Fragmente über die neuere deutsche Litteratur«, 1769 »Die kritischen Wälder«, durch welche der junge Verfasser sich zuerst in den weitesten Kreisen bekannt machte. Der Verlag der Fragmente kostete Hartknoch schwere Opfer. Er unterdrückte die 4. Sammlung der Fragmente und die zweite Auflage der ersten Hefte, obgleich sie reichen Gewinn versprachen, als Herder, durch eine Rezension gereizt, ihre Unterdrückung verlangte. Hartknoch mußte geschehen lassen, daß Herder seine Autorschaft der »Kritischen Wälder« Jahre lang privatim und öffentlich verleugnete. Als Herder 1769 den Entschluß faßte, Riga zu verlassen, that Hartknoch, was in seinen Kräften stand, um den Freund zurückzuhalten; da dieser sich aber nicht halten ließ, und nur zu dem Versprechen zu bewegen war, dereinst an den Dünastrand zurückzukehren, war es Hartknoch, der ihm, ohne jede Rücksicht auf die Jugend seines aufstrebenden Geschäftes, die Mittel zur Reise vorstreckte und mit wahrhaft fürstlicher Großmut fernere Unterstützungen versprach. Am 3. Juni reiste Herder ab; schon am 12. Juli desselben Jahres bat der Reisende, ihm 200 Thaler nach Nantes zu senden. Hartknoch half nicht nur, er that es in der zartesten und großmütigsten Weise: »Meine Umstände«, schrieb er, »sind jetzt ziemlich gut, ich bin meine Mitausche Handlung für 6000 Thaler los und habe mein Geld schon dafür eingenommen. Ich kann Ihnen die verlangten 200 Thaler somit ohne Incommodität senden. Befehlen Sie, mein bester Freund, wenn Sie mich in solchem Falle wieder nötig haben, mein Vermögen soll Ihnen gern zu Diensten stehen. Alles, was ich in Worten hinzusetzen könnte, wissen Sie ohnedem schon zu gut, denn Sie kennen mich. Kurz, was Ihnen fehlt, fordern Sie von mir. Ich verlange dafür nichts, als den ersten Platz in Ihrem Herzen, und daß Sie die künftige Erziehung meines Sohnes übernehmen«. Schon im September machte Herder von diesem Anerbieten Gebrauch. »Was Du thust, lieber Hartknoch, thue bald, schicke mir 200 Dukaten und behalte meinen Zettel für Obligation«. So schwer es ihm wurde, Hartknoch half auch dieses Mal, und da er nicht mehr entmissen konnte, sandte er einen Wechsel auf 200 Thaler. »Reisen Sie nur«, hieß es in dem diese Sendung begleitenden Brief, »nach Frankreich, England, Italien und wo Sie sonst etwas für Sie Nützliches zu finden glauben, reisen Sie aber immer so, als wenn Sie dieses halbe Jahr Ihre Reise endigen müßten. Ach, liebster Freund, könnten Sie doch lange, recht lange reisen und die Welt recht nutzen! mein[376] Sohn würde wenigstens den Nutzen davon haben. Ich kann das Glück nicht genug beschreiben, das er haben wird, wenn Sie sein Mentor sind. Ich selbst würde wenig Nutzen davon haben, denn die Jahre meiner Bildung sind vorbei, meine Seele ist so unbeugsam, daß wenn ich anders werden wollte, ich es nicht könnte. Ich klebe an den Geschäften, daß ich kaum den Sonntag deren ohne bin. Ueberdem machen mich Geldsorgen mürbe«. Herder antwortete mit der erneuten Bitte um »die magischen Papiere, wodurch man Alles in der Welt ausrichtet«. Hartknoch verspricht wirklich, einen auf Zuckerbecker gezogenen Wechsel mit 50 Dukaten zu honorieren und außerdem bis Ende März 1770 noch 50 Dukaten zu schicken. Nichts desto weniger klagte Herder über des Freundes Gleichgültigkeit und dieser mußte ihm schreiben: »Sie wissen, daß ich zur Schwärmerei durch mein Temperament unfähig bin, alles aber, was Freundschaft nach kalter Entschließung mit dem zärtlichsten Anteil an des Andern Schicksal genannt zu werden verdient, ist bei mir in Absicht auf Sie im höchsten Grade zu finden..... Ich habe nichts weiter, als das Verdienst der Dankbarkeit gegen einen Freund, der mich gebildet und selbst meine Geschäfte durch stille Empfehlungen an Freunde, die mich unterstützten, vergrößern half«. Herder war aber manchmal wohl etwas zu anspruchsvoll, sodaß Konflikte kaum ganz ausbleiben konnten. Charakteristisch in dieser Beziehung ist ein Brief Hartknochs an Herder aus dem Jahre 1784; dort heißt es: »Daß ich Ihnen die Anordnung des Drucks überlassen habe, ist wahr, aber daß ich für jeden Bogen, groß oder klein, 2 Louisd'ors zu geben versprochen habe, ist nicht wahr. Daß es Ihnen in Ihrem Leben auf eine Zeile mehr oder weniger nicht angekommen, weiß ich nicht, mein Beispiel beweist dies nicht..... Daß Sie mir, wenn ich Zeilen und Worte zahlen wollte, Pferde.... l zu verlegen raten, ist grob so habe ich Ihnen nie geschrieben. Ihre Werke machen mir Ehre, ich habe aber auch andere verdienstvolle Autoren. Bescheidenheit ist eine schöne Sache«.
1774 erschien von Herder »Die älteste Urkunde des Menschengeschlechts«, 4 Bände; »Fünfzehn Provinzialblätter an Prediger«, »Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit«; 1775 »Erläuterungen zum Neuen Testament, aus einer neu eröffneten morgenländischen Quelle«; 1778 »Die Plastik« und die Schrift »Vom Erkennen und Empfinden der menschlichen Seele«; 1779 »Das Buch von der Ankunft des Herrn«; 1784 »Die Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit«, 4 Bände. Neben Kant und Herder sind[377] ferner hier zu nennen: Hamann durch seine anonym erschienene, aber sehr rasch verbreitete Schrift »Golgatha und Scheblimini. Von einem Prediger in der Wüste«, 1818; Bahrdt durch seine große Bewegung hervorrufenden Schriften »Vorschläge zur Aufklärung und Berichtigung des Lehrbegriffs der lutherischen Kirche«, 1771; Die »neuesten Offenbarungen Gottes«, 1773 und das »System der moralischen Religion«, 1792 F. M. Klinger durch nicht weniger als vier Bände seiner Theaterstücke und andere Schriften; Knigge durch eine für die Jugend bestimmte Ausgabe des berühmten Buchs »Ueber den Umgang mit Menschen« u.s.w. Ungemein groß war der Einfluß, den Johann Friedrich Hartknoch als Verleger livländischer Werke geübt hat; es läßt sich behaupten, daß die in weiteren Kreisen verbreitete Kenntnis livländischer Geschichte, Rechts- und Landeskunde ganz ausschließlich aus Hartknochschen Verlagsartikeln geschöpft ist. Der Verlagskatalog des Hartknochschen Verlags vom Jahre 1834 verzeichnet neben den schon genannten Autoren noch folgende wichtige Veröffentlichungen: Ernst Moritz Arndt, Nebenstunden, 1826; Bibliothek der Romane, 21 Teile, 1773-94; Ant. Fr. Büschings historische Schriften; Fr. Kinds Schriften, 1790 uff.; Theodor Körner, poetischer Nachlaß, 2 Bde., 7. Aufl., 1830; Fr. Laun mit seinen vielverbreiteten Erzählungen und Gespenstergeschichten; Dr. A. Schopenhauer, über das Sehen und die Farben, 1816; C. A. Tiedge, Denkmale der Zeit, 1814; ferner eine große Reihe fremdländischer Uebersetzungen namentlich aus dem französischen: Segur, Rousseau u.s.w. Hartknoch, der sich übrigens auch als Schriftsteller mit einigen ethnographischen Arbeiten versuchte, starb, noch nicht 49 Jahre alt, am 1. April 1789. Das Geschäft kam hierauf an seinen Sohn Johann Friedrich Hartknoch (geb. zu Riga 27. Juli 1769), der seine Ausbildung zum Teil im väterlichen Hause, zum Teil in Zürich, wo er zur reformierten Konfession übertrat, empfangen hatte. Er führte das Geschäft mit gleicher Tüchtigkeit, geriet aber später in unangenehme Differenzen mit der russischen Regierung, die er in seiner Schrift: »Geschichte der Gefangenschaft des Buchhändlers Hartknoch unter der Regierung Paul I.«, erzählt. Dies verleidete ihm seine dortige Stellung, er veräußerte sein Sortimentsgeschäft an Carl Joh. Gottf. Hartmann für einen verhältnismäßig sehr niedrigen Preis und siedelte mit seinem Verlage 1803 nach Leipzig über. Hier widmete er sich nun mit erneutem Eifer der Pflege seines Verlagsgeschäftes und erwarb einen Teil des Verlages von G. Müller in Gießen. In einer für den deutschen[378] Buchhandel besonders wichtigen Epoche hat er thätig für die Gesamtheit gewirkt.
Mit Göschen zusammen leitete er die Arbeiten und Verhandlungen, welche den Vertrag von 1804 zu Folge hatten; mit Kummer, Vogel u. a. war er thätig bei den Schritten, die beim Wiener Kongreß zur Unterdrückung des Nachdrucks geschahen, dann bei der deutschen Bundesversammlung fortgesetzt und auch im engern Kreise des Buchhandels durch versuchte Vereinbarungen gefördert wurden.
Ein Unglücksfall machte seinem Leben zu früh ein Ende. Nach seinem Landhause in Pillnitz am 19. Sept. 1819 gehend, las er einen Brief, glitt unversehens an dem abhängigen Ufer der Elbe aus und fand seinen Tod in der reißenden Strömung des angeschwollenen Flusses.
Die Handlung kam nun an seinen Sohn Georg Hartknoch, welcher u. a. die erste billige Gesamtausgabe von Seumes Werken (1826) verlegte.
Er starb am 23. Dez. 1832 und hinterließ das Geschäft seiner Witwe Elisabeth Hartknoch, geb. Krauß, die es am 9. April 1834 ihrem zweiten Manne, Carl Otto Baumann, zedierte.
Im Verein mit dem Besitzer der Firma Im. Müller (F. A. Modes) verlegte dieser eine neue Gesamtausgabe von Im. Kants Werken, die unter der Firma: Modes & Baumann debitiert wurde. Baumann starb plötzlich am 14. Nov. 1861 und hinterließ das Geschäft seinem Sohne Georg Baumann. Im Jahre 1868 erwarb das Geschäft, das immer noch unter der alten Firma Johann Friedrich Hartknoch geführt wurde, William French.
1879 ging der Hauptteil des Verlages an Ed. Wartigs Verlag (Ernst Hoppe) in Leipzig (gegr. 1865) über; einzelne Werke kamen an Otto Janke in Berlin, H. A. Pierer in Altenburg, Veit & Co. in Leipzig, Stuhrsche Buchhandlung in Berlin und D. Soltau in Norden.
Quellen: In Eckardt, Jungrussisch und Altlivländisch, Leipzig 1871 (wortgetreuer Abdruck der vorher im Rigaischen Almanach erschienenen Arbeit), die auch im Börsenblatt veröffentlicht ist; Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 1863; Verlagskatalog 1834; Buchholtz, Geschichte der Buchdruckerkunst in Riga 1588-1888, Riga 1890.
Buchempfehlung
Beate Heinold lebt seit dem Tode ihres Mannes allein mit ihrem Sohn Hugo in einer Villa am See und versucht, ihn vor möglichen erotischen Abenteuern abzuschirmen. Indes gibt sie selbst dem Werben des jungen Fritz, einem Schulfreund von Hugo, nach und verliert sich zwischen erotischen Wunschvorstellungen, Schuld- und Schamgefühlen.
64 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro