Heß, Isaak

[435] Heß, I. Isaak Heß wurde 1789 zu Lauchheim von jüdischen Eltern geboren und verlor schon als kleiner Knabe seinen Vater. Die Mutter, eine strengreligiöse Frau, hegte den sehnlichen Wunsch, dadurch, daß sie ihren Sohn dem Dienste der jüdischen Kirche weihe, ein gottgefälliges Werk ausführen zu können. Obgleich mittellos, brachte sie den 13jährigen Knaben, der zu Hause die Wohlthat eines geregelten Schulunterrichts nicht genossen, sondern nur Anleitung im Studium des Talmuds und den rabbinischen Schriften erhalten hatte, in die Rabbinerschule nach Fürth. Jedoch der junge Mann, den es nach Allgemein-Bildung gelüstete und dessen Wissensdurst an den spezifischen Fachstudien nicht gesättigt wurde, verschmähte es, auf der eingeschlagenen Bahn zur Kanzel zu verharren. Nachdem er eine Reihe von Jahren an verschiedenen Orten als Hauslehrer thätig gewesen war und daneben auch, um sein Leben zu fristen, als Buchhalter in kaufmännischen Geschäften fungiert hatte, finden wir ihn 1817 wieder in seinem Geburtsorte, wo er durch ein kleines, mit spärlichen Mitteln begonnenes Bücherantiquariat sich und seiner Familie eine Nahrungsquelle erschloß. Das Vertrauen seiner israelitischen Ortsgenossen hatte ihn an die Spitze ihrer Kulturgemeinde gestellt; mit Eifer unterzog er sich der Aufgabe, die Bildung seiner württembergischen Glaubensbrüder und die Regelung der bürgerlichen Verhältnisse derselben nach Kräften zu fördern, zuvörderst durch Abhilfe der Mängel des damals in argen liegenden Schulunterrichts der jüdischen Jugend, der unter keiner öffentlichen Aufsicht stand und von meist unfähigen, ungeprüften Lehrern erteilt wurde. In einer diesen Uebelstand nach allen Seiten gründlich beleuchtenden Denkschrift wandte er sich an die Regierung mit Vorschlägen zur Abhilfe. Er hatte die Genugthuung, daß in dem Organisationsedikte vom 18. Novbr. 1817 die Einsetzung einer Kommission für das israelitische Kirchen-, Schul- und Stiftungswesen in Aussicht gestellt wurde, eine Aussicht, die freilich erst geraume Zeit darnach in Erfüllung gehen sollte. Heß faßte nun die Gründung eines über das ganze Land sich verbreitenden Vereins ins Auge, der unter Benutzung freiwilliger und der durch Religionsvorschrift gebotenen wohlthätigen Leistungen der Israeliten in das jüdische Schul- und Armenwesen Regel und Ordnung bringen sollte; und als 1819 verlautete, daß die Regierung einen Gesetzentwurf über die politischen und bürgerlichen Verhältnisse der Israeliten vorbereitete, zögerte Heß nicht, höchsten Ortes geltend zu machen, wie es im Interesse einer nach beiden Seiten gerechten und ersprießlichen Festsetzungen des Rechtszutandes der Juden im Lande[435] geboten sei, bei den Vorberatungen über diese Gesetzgebung auch erprobte Männer mosaischen Glaubens beizuziehen oder doch deren Ansicht über den bezüglichen Entwurf zu vernehmen. Diesem Ansinnen wurde seitens der Regierung entsprochen und Heß in die zu diesem Zweck aus Mitgliedern der letzteren sowie der Kammer und aus fünf Israeliten zusammengesetzte Kommission im April 1821 berufen. – 1830 wandte er sich an die Regierung um Bewilligung von Mitteln für ein jüdisches Waisenhaus. Trotzdem diese sich einer Verpflichtung zur Gründung oder Subvention einer israelitischen Waisenversorgungsanstalt erwehrte, so versuchte er es, seinem Plane auf dem Wege der Privatwohlthätigkeit Verwirklichung und Gestaltung zu verschaffen, was ihm nach vieler Mühe durch Stiftung der Anstalt glückte. 1838 hatte er sein Antiquariat nach Ellwangen verlegt, dasselbe nahm bald einen bedeutenden Umfang an. Manch kostbaren Fund verdanken wir seinem Kennerblick und seinen Späheraugen; es sei hier nur erwähnt ein Psalterium, das erste datierte Druckwerk Guttenbergs aus dem Jahre 1457, welches er in Eichstädt auffand und froh, es dem Untergang entrissen zu haben, ohne eigenen Nutzen der Kgl. Staatsbibliothek in Stuttgart verschaffte, von wo dieses kostbare Druckdenkmal vierzehn Jahre später in die Berliner Kgl. Bibliothek wanderte; ebenso hob er aus Staub und Moder ans Licht einen gleich alten und wertvollen Holztafeldruck der Apocalypsis Johannis, ferner ein Exemplar des xylographischen Druckwerks Mirabilia urbis Romae und eine, die bekannte Laßbergsche an Vollständigkeit übertreffende, alte Pergamenthandschrift des Schwabenspiegels usw. Er hat mehrere Kataloge veröffentlicht, die musterhaft bearbeitet sind. Das Geschäft wurde seit seinem am 6. 10. 1866 erfolgten Tode von seinen Söhnen Moritz und Sigmund Heß fortgeführt. Die Firma, die bis jetzt 64 umfangreiche Antiquar- und Auktionskataloge herausgegeben hat, besitzt ein ständiges großes Bücherlager; unter den verkauften Inkunabeln der letzten Jahre ist hervorzuheben: Vocabularium latino teutonic Eltvil 1469, von dem überhaupt nur vier Exemplare bekannt sind.

Quellen: Schwäbischer Merkur 1867.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 3. Berlin/Eberswalde 1905, S. 435-436.
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