[497] Hoepli, U. Ulrich Hoepli wurde am 18. Februar 1847 in Tuttwyl in der Schweiz geboren, besuchte in Zürich die höhere Schule und erlernte bei C. Schmidt daselbst den Buchhandel. Seine Wanderjahre führten ihn nach Mainz, Triest und Breslau. 1871 erwarb er die 1840 als Filiale der Wiener Stammfirma gegründete Buchhandlung von Tendler & Schaefer in Mailand (vergl. Artikel Tendler), die seit den sechziger Jahren im Besitze von Theodor Laengner war und unter dessen Namen auch geführt wurde.
Im Jahre 1882 vereinigte Hoepli G. Brigolas Buchhandlung in Mailand mit der seinigen. Dem neu errichteten Sortiment gab er immer größere Ausdehnung und rief in Neapel und Pisa Filialen ins Leben. Das Neapeler Geschäft ging 1877 an Fr. Furchheim über; das Pisaer 1885 an H. Spörri.
Mit großem Erfolg wandte sich Hoepli dem Verlage, der seinen Namen populär machen sollte, zu. Sein Jubel-Verlagskatalog aus dem Jahre 1896, ein stattlicher Großoktavband von 494 Seiten, zeigt uns die erstaunliche Entwickelung dieses Verlagshauses. Da ist zuerst das Gründungsjahr, 1871, mit nur einem Verlagswerke, einem Elementarbuch der französischen Sprache, sodann 1872 mit 2 Publikationen; das folgende Jahr weist schon 9 Bücher auf, das nächstfolgende[497] 24, 1880 bringt es auf 53, 1885 auf 67, 1890 auf 100 und 1895 auf 127. Die Produktion steigt von da ab immer mehr bis auf über 200 Publikationen im Jahr und überschreitet heute bereits die Gesamtzahl 2700. der Charakter der Verlages ist ein rein wissenschaftlicher. Hoeplis Wirksamkeit ging darauf hinaus, der Wissenschaft und Kunst in ihren sichtbarsten Formen zu dienen, sei es durch Veröffentlichung großartiger Werke, sei es durch wirksame Mitarbeit an den Veröffentlichungen der hervorragendsten Institute des Reichs. Ein glücklicher Gedanke war die Herausgabe seiner Handbücher, welche dazu bestimmt waren, die Resultate der Wissenschaft ins Volk zu tragen. Sie umfaßten technische und juridische Fächer und bald gesellten sich zu diesen Materien auch die kritischen und historischen Wissenschaften, sodaß diese Encyklopädie in schnellem Fortgang auf mehr als 600 Bände anwuchs. Die Abteilungen der Natur- und Arzneiwissenschaften bieten uns nur ausgezeichnete Werke. Sehr reichhaltig ist die Abteilung der geographischen und historischen Wissenschaften, die außer der eigentlichen Geschichte auch Archäologie und Numismatik umfaßt. Ausgezeichnet ist auch die Abteilung der philologischen Wissenschaften. Sie umfaßt auch eine Dante-Abteilung zur Illustration der »Göttlichen Komödie« mit über 30 Publikationen. Die Abteilung der schönen Künste zerfällt in zwei Unterabteilungen. Die erste umfaßt die Geschichte der Kunst, die monographischen Untersuchungen der Denkmäler, und enthält einige Bücher, die ein sichtbares Zeichen italienischer Kultur und Kritik unserer Zeiten bleiben werden. Die zweite umfaßt die Kunst in ihrer Anwendung auf die Industrie. Hoepli hat niemals das kluge und praktische Ziel aus dem Auge verloren, womit er seine Laufbahn in Italien begann. Eine feste Aufschichtung von Werken, die unmittelbaren Nutzen bringen sollten, mußte die Basis sein für die Werke der Kunst und der reinen Wissenschaft. Dies hat Hoepli immer gewollt, und dieser Gedanke hat den Verleger bewogen, in der Abteilung der nützlichen Künste zu bescheideneren Industrien hinabzusteigen; aber allen widmete er gleichen Fleiß und gleiche Sorgfalt. Es macht in der Tat einen seltsamen Eindruck, zu sehen, daß dasselbe Verlagshaus, aus dem der Codice Atlantico, die Datenausgaben und die der alten Klassiker hervorgingen, das so viele bewundernswürdige Werke hoher Wissenschaft und Kunst herausgab, daß aus diesem selben Verlage auch Abhandlungen über Zootechnik, Weinbau und Handbücher weiblicher Arbeiten hervorgingen.[498]
Die berühmtesten Namen des neuen wissenschaftlichen Italiens finden sich unter seinen Autoren vertreten; im einzelnen seien genannt die Historiker Amari und Villari; die Philosophen Roßmini, G. Negri, Cantoni; die Kunsthistoriker und Archäologen Luca Beltrami, C. Boito, Lanciani, Corr. Ricci, Venturi; der Orientalist Ceriani; der Dantist Scartazzini; die Mathematiker Betti, E. Beltzami, Brioschi; die Elektriker Colombo und Gius. Ferraris; der Astronom Schiaparelli; der Geolog Stoppani; der fürstl. Entdeckungsreisende Ludwig von Savoja, Herzog der Abruzzen u.a.m. Besondere Erwähnung verdient die schon angezogene, 1894 begonnene Veröffentlichung der vollständigen Reproduktion der Codice Atlantico des Leonardo da Vinci, die in 1384 Tafeln in Groß-Folio abgeschlossen wurde und der weitere getreue Reproduktionen wichtiger italienischer Codices (Homer de Ambrosiana, Neues Testament der Vaticana usw.) folgen werden.
Alles dieses in Italien geschaffen zu haben, in einem Lande aufstrebender, moderner Kultur, in dem bis dahin die Traditionen und Gewohnheiten einer auf eigener Kraft ruhenden wissenschaftlichen Litteratur nicht vorhanden waren, bewies den hohen Mut des Verlegers und ist zugleich ein Beispiel von einer Möglichkeit des Erfolges selbst bei den anscheinend schwierigsten Unternehmungen, wenn man nur das richtige Gefühl für die Bedingungen des Orts und der Zeit besitzt und jene Künheit, die vor dem Angriff die Gefahr vorauszusehen und zu bemessen versteht.
In Anerkennung seiner Verdienste sind Hoepli die höchsten Ehrungen zu Teil geworden die jemals in Italien an einen Buchhändler verliehen wurden; er ist Verlagsbuchhändler des Königl. Hauses, Kommandeur sowohl des italienischen Kronenordens als auch des Ordens der HH. Mauritius und Lazarus; viele gelehrte Institute ernannten ihn zu ihrem Buchhändler: Die R. Academia des Linoes, das Instituto Lombardo u.a.m., die philosophische Fakultät der Universität Zürich verlieh ihm 1901 das Doktordiplom honoris causa.
Quellen: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 1896; eigene Mitteilungen und Verlags-Katalog.