Leuchs, Johann Carl

[610] Leuchs, J. C. Johann Carl Leuchs, der weltbekannte Begründer und Herausgeber der Leuchsschen Adreßbücher, wurde am 23. 10. 1797 als zweiter Sohn eines Kaufmanns, des durch seine merkantilischen Schriften, namentlich durch sein »System des Handels« bekannten Selbstverlegers Johann Michael Leuchs geboren. Letzterer war zu Brechofen bei Ansbach am 2. 7. 1763 als Sohn ackerbautreibender Eltern geboren. Als Kaufmannslehrling mußte er acht Jahre lang die Handlung erlernen. Trotzdem ihm das Bücherlesen streng verboten war und er die Nächte ohne Licht zubringen mußte, wußte er sich solches doch zu verschaffen und studierte nur aufs eifrigste was ihm nur irgend in die Hände kam: Theolog. Bücher, Philosophie,[610] Mathemathik bis zur Lehre des Unendlichen, Geschichte, Naturwissenschaft, die damals noch in ihrer Kindheit befindliche Chemie, Rechts- und Staatswissenschaften, Medizin, und erlernte zugleich Lateinisch, Französisch, Englisch und Italienisch. Dabei hat er damals und später nie die schönen Wissenschaften vernachlässigt, wie er dies auch in seinem »System des Handels« (III. Bd. S. 33) näher beleuchtet. »Werdet und bleibet nicht bloßer Gewerbsmann, schreitet nicht allein mit dem Handel, schreitet auch mit der Menschheit fort. Der bloße Geschäftsmann wird leicht sich und anderen ein unerträglicher Mann. Wer immer in demselben Kreise sich bewegt, außer diesem für garnichts Sinn hat, noch Anteil nimmt, wird zu leicht einseitig, verdrießlich und unzugänglich, weiß nur mit seinesgleichen bei voller Kasse über die schlechten Zeiten zu klagen; erkennt nur den Wert der Vergangenheit und vermag sich in die Gegenwart nicht zu finden.«

1783 besuchte Leuchs Wien, wo er auch Vorlesungen über Medizin und Staatswissenschaften hörte, dann Köln, Amsterdam, Brüssel, Paris, Straßburg und kehrte im folgenden Jahre nach Nürnberg zurück, wo er – nach sieben Gehilfenjahren in einer Drogerie – im November 1791 mit einem ersparten Kapital von 600 Gulden eine Materialwarenhandlung en gros errichtete. Bei den damaligen unruhigen Zeiten war es ihm nicht möglich, sein Geschäft weiter auszudehnen. So beschäftigte er sich denn nebenbei mit literarischen Arbeiten und errichtete 1795 eine Handlungsakademie. 1794 begann er seine »Handlungszeitung«, die erste ausschließlich dem Handel gewidmete Zeitung, die in Europa erschienen ist. Sie fand solchen Anklang, daß sie in Deutschland in mehr als 20 Versuchen nachgeahmt wurde, aber niemals überholt werden konnte.

Auf die große Reihe seiner Schriften, von denen hier nur sein »System des Handels (1. Aufl. 1803); »Handelsbriefsteller«. (1823 uff); »Die Kunst reich zu werden« (1826) in welcher Schrift er nachdrücklich den Wert der Sparsamkeit hervorhob usw. erwähnt seien, kann hier nicht näher eingegangen werden. Trotz der kostspieligen Zeiten hatte er eine eigene Bibliothek von über 20000 Bänden gesammelt, die sich aus allen Wissenschaften zusammensetzte. 1812 zog er sich von der Leitung der Handlung, deren Verlagsabteilung schon einen ansehnlichen Umfang angenommen hatte, zurück um dieselbe seinen Söhnen zu überlassen. Er starb am 19. 12. 1836.

Seinen Sohn Joh. Carl Leuchs, hatte er durch Hofmeister unterrichten und später das Nürnberger Realinstitut besuchen lassen. 14 Jahre alt trat J. C. Leuchs in das väterliche Geschäft und übernahm alsbald neben der Besorgung der Handlungsgeschäfte die Herausgabe der vom Vater begründeten »Handlungszeitung« (seit 1794) und des[611] »Verkündigers« (seit 1798), welche er mit wenigen Unterbrechungen 46 Jahre lang fortgeführt hat. An die Stelle des »Verkündigers«, der nach einem halben Jahre auf Befehl Napoleons wegen seines »bösen Geistes« zu erscheinen aufhören mußte, setzte Leuchs Vater alsbald »Das Neueste und Nützlichste der Erfindungen«, (24 Bände), an dessen Stelle seit 1834 die »Polytechnische Zeitung« trat, aus welcher sich dann 1854 die »Monatlichen Nachrichten für Kaufleute und Fabrikanten« entwickelten. Neben der Führung einer bedeutenden Handlung, die Leuchs 1828 auf eigene Rechnung begründete, hat er in seinen Nebenstunden mehr als 100 Werke technischer, merkantiler, ökonomischer und staatswirtschaftlicher Natur verfaßt. In seinem 18. Jahre schrieb er eine »Lehre der Mästung der Tiere«, welche diesen Zweig der Landwirtschaft zum erstenmale wissenschaftlich begründete und durch die Göttinger Akademie der Wissenschaften preisgekrönt wurde. Ferner seien genannt seine Schriften: Ueber die »Schönheit der griechischen Statuen; »Über die Eingewöhnung ausländischer Pflanzen«, welche beiden Schriften ebenfalls preisgekrönt wurden; sowie von den technischen Abhandlungen seine »Lehre der Aufbewahrung und Erhaltung aller Waren«, erstmals 1820 erschienen und demnächst ins Französische, Dänische und Schwedische übersetzt – seine »Farben- und Färbekunde«, seine »Weinkunde« (7 Auflagen); ferner die Schriften über »Fabrikation des Essigs« (7 Auflagen), der Seife, des Tabaks, der Hefe, des Bieres, des Kunststeinbaues, der Gerberei; endlich sein mehr als 100 Bogen umfassendes »Warenlexikon«.

Nach Beendigung der Napoleonischen Kriege, als der internationale Handel sich in der folgenden Friedensperiode allmählich wieder hob, trat Leuchs 1816 mit seinem zweibändigen Adreßbuch von Europa an die Öffentlichkeit, um die Kaufleute und Fabrikbesitzer Deutschlands, nach zwanzigjährigen Störungen des Handels, unter sich mit dem Ausland von neuem bekannt zu machen und die bessere Zukunft schneller herbeizuführen, wie er – »im Vorbericht« – dazu sagt. Es war das erste Unternehmen dieser Art und gab in 4 Abteilungen über 50000 Adressen in etwa 2000 Städten, Mitteilungen über Art der Geschäfte und Fabrikate, Ortsstatistik und Warenregister. Die Einrichtung hatte außerordentlichen Erfolg und aus den 2 Bänden sind heute 47 geworden: 24 über Deutschland, 8 über Oesterreich-Ungarn, 15 über das gesamte Ausland. Allein die Nachschlagewerke vom Deutschen Reiche enthalten jetzt mehrere Millionen Adressen aus etwa 70000 Orten auf rund 31000 Seiten. Diverse Bände sind schon in mehreren Auflagen erschienen. Mehrere Bände von Deutschland, Oesterreich-Ungarn und der Schweiz stehen in 12. bis 16. Auflage.[612]

Kein anderes Adreßbuchunternehmen der Welt hat ähnliche Erfolge zu verzeichnen gehabt, selten auch ist die Beliebtheit, welche gerade die Leuchsschen Adreßbücher sich erfreuen. Nach Verlust eines großen Teils seines Vermögens, das Leuchs bei einem technischen Unternehmen zugesetzt hatte, begann er seine Ideen und Erfindungen von Fall zu Fall zu verkaufen, wodurch er seine Verhältnisse bald wieder besserte; zu erwähnen sind von solchen die Schnellessigfabrikation, Sodaküpe, Catechubraun, Chromschwarz, Kaliblau, Chromgelb, Schnellschwarz, Schnellseifenfabrikation, der verbesserten Bleiche und des Kunststeinbaues.

In Verbindung mit dem bekannten Trierer Chemiker Dr. Gall errichtete er ein Institut zur Herstellung von billigem Kunstwein mit dem Hauptzweck, dem Volke ein billiges Genußmittel zu schaffen. Eine Zusammenstellung der in seinen verschiedenen Zeitschriften und Büchern enthaltenen für Gewerbe und Volksleben wichtigen Tatsachen gab er 1871 heraus unter dem Titel »10000 Erfindungen und Ansichten aus einem Leben von 1797-1870«. 1872 begann Leuchs auf Veranlassung von F. Gerstäcker die Herausgabe eines »Exportadreßbuches des deutschen Reiches«, das sich großen Beifalls zu erfreuen hatte und der Vorgänger der berühmten Leuchsschen »Adreßbücher für Kaufleute, Fabrikanten etc.« war, welche, jetzt in 47 Bänden vorliegend, die Firma C. Leuchs & Co. in Nürnberg zu einem Weltruf erhoben haben. 1871 begründete Leuchs den »Generalanzeiger« (die spätere »Nürnberger Stadtzeitung«) eine politisch belehrende Zeitung, die es schnell zu einer Auflage von 3000 Exemplaren brachte, jedoch von ihm verkauft werden mußte, da ein Augenleiden ihn zwang, seine Tätigkeit einzuschränken. Trotz seines immer weiter umsich greifenden Augenleidens hat er bis zu seinem am 22. Mai 1877 erfolgten Tode noch 20 kleinere Schriften herausgegeben; außerdem beschäftigte er sich mit verschiedenen technischen Untersuchungen, mußte jedoch die Leitung seines umfangreichen Geschäftes seinen drei Söhnen überlassen. Dasselbe befindet sich jetzt, nachdem der jüngste Sohn Friedrich Leuchs im Jahre 1897 starb, im Besitze von Georg Leuchs und Wilhelm Leuchs. Letzterem ist im Jahre 1899 der Titel eines Kgl. Kommerzienrates verliehen worden.

Quellen: Biographie von J. C. Leuchs, Nürnberg 1877; Neuer Nekrolog der Deutschen, 14. Jahrgang 1836.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 4. Berlin/Eberswalde 1907, S. 610-613.
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