Lorck, Carl Berend

[634] Lorck, C. B. Carl Berend Lorck, der Mitbegründer der Leipziger Illustrierten Zeitung, der Herausgeber von Kuglers Geschichte Friedrichs des Großen, der Wiedererwecker des Holzschnittes in Deutschland, der Begründer des Deutschen Buchdrucker-Vereins und des Deutschen Buchgewerbe-Vereins mit seinem herrlichen Buchgewerbemuseum, der Kgl. dänische Generalkonsul a. D., wurde in Kopenhagen am 29. August 1814 geboren.

Unter der väterlichen Obhut seines mit der Schwester des Vaters verheirateten Oheims, des Direktors der Nationalbank Hoidt, wurde Lorck für die akademische Laufbahn bestimmt. 1833 absolvierte er nach den bei der Universität Kopenhagen bestehenden Einrichtungen das Examen artium, 1834 das examen philosoph. et philolog. min., beide mit erster Zensur. Als es nun aber galt, sich für ein Brotstudium zu entscheiden, fühlte Lorck für keines derselben eine entschiedene Meinung, desto mehr für alles, was Buch hieß, die zuerst Nahrung gefunden hatte in einer dunklen Niederlage, wo die Büchersammlung seines Großvaters Beck, Vorstehers der Repräsentanten der Stadt, der sogenannten »32 Männer«, bei dessen Witwe Lorck lebte, bis unter die Decke aufgestapelt lag; hier wühlte er in Gesellschaft von Ratten und Mäusen, die sich so wenig wie er selbst durch die vielmalige große Kreideaufschrift METARDUS (wahrscheinlich ein mystisches Bannwort, das wenigstens die vierbeinigen Büchernager abhalten sollte) abschrecken ließ.

Als er über ein Taschengeld verfügen konnte, zog er mit ein paar Mark in der Tasche auf die Bücherauktionen, die nicht den buchwissenschaftlichen Charakter hatten, wie in Deutschland. Hier wagte er oft, das erste Angebot mit einer Mark zu machen, wurde freilich gewöhnlich überboten, aber blieb auch manchmal dabei hängen. Bessere geistige Nahrung zog er aber aus den 3 bis 4 Bänden guter Geschichtswerke, Memoiren, Reisebeschreibungen etc. in deutscher Sprache, welche die Großmutter wöchentlich erhielt, wobei Lorck hinter dem Rücken der guten alten Frau seine Kenntnisse erweiterte und deutsch lernte. Der Oheim riet nun, als es galt, endgiltig einen Beruf zu wählen, erst Buchdrucker zu lernen und dann Buchhändler zu werden. Demgemäß trat Lorck, bereits ein zwanzigjähriger, als Setzer in die Lehre bei der damals bekanntesten Buchdruckerei Kopenhagens, Bianco Luno. 1836 wurde er als Gehilfe losgesprochen, reiste nach Leipzig und arbeitete dort in der Breitkopf & Härtelschen Buchdruckerei. Auf seiner Reise nach Leipzig hatte er in Braunschweig dem bekannten Herausgeber des »Journals für Buchdruckerkunst« Dr. Joh. Heinr. Meyer einen Besuch gemacht, der einen entscheidenden Einfluß auf das ganze Leben Lorcks haben sollte.[634]

Meyer hatte ihm einen Empfehlungsbrief an den Faktor Otto der Schriftgießerei Breitkopf & Härtel mitgegeben. Dieser machte ihn wieder mit dem Besitzer der damals noch jungen Firma J. J. Weber, der als Begründer des Pfennig-Magazins und wegen seiner geschmackvollen Bücherausstattung bereits einen guten Ruf erworben hatte, bekannt. In dessen Geschäft trat nun Lorck erst als Volontär, dann, schon 1837, als Teilhaber ein, jedoch auf seinen Wunsch nicht öffentlich, da er sich selbst noch gar zu unerfahren fühlte.

Unter der eigenen Firma hatte Lorck für Jahre hinaus gerade genug zu tun mit der Fortsetzung und Vollendung, sowie mit den neuen Ausgaben der vielen illustrierten und nicht illustrierten Verlagsartikel, die er von J. J. Weber übernommen hatte und die sich zum Teil noch in den ersten Anfängen befanden. Mit seinen neuen Unternehmungen hielt er sich innerhalb der bisherigen Grenzen. Eine liebevolle Pflege fand in erster Reihe die Verpflanzung von Werken der dänischen, norwegischen und schwedischen Literatur auf deutschen Boden durch tüchtige Uebersetzungen. Vor allem ist die autorisierte Herausgabe der gesammelten Werke H. C. Andersens in 38 Bänden zu erwähnen. Viele Auflagen erlebten auch Andersens Bilderbuch ohne Bilder und König Renés Tochter von H. Hertz. Unter den übrigen Dichterwerken dänischer und schwedischer Herkunft nennen wir Chr. Winther, gesammelte Novellen; J. C. Runeberg, Dichtungen; Stagnelius, ausgewählte Werke; Tegnér Werke; Bernh. v. Beskow, dramatische Werke, übersetzt von Oehlenschläger. Schnell bürgerten sich namentlich des pseudonymen Carl Bernhard Romane und Novellen ein. Ein sehr verdienstvolles Unternehmen waren die gesammelten Werke (6 Bände) des berühmten Physikers H. C. Oersted, dessen »Geist in der Natur« großes Aufsehen machte. Wertvoll ist ebenfalls Thiele »Thorvaldsens Leben« in 3 Bänden und Oehlenschläger »Erinnerungen« in autorisierter Ausgabe (4 Bände). An Geschichtswerken erschienen A. F. Allen »Geschichte Dänemarks«; Andr. Fayes »Geschichte Norwegens«; Andr. Frycell »Gustav Adolf«; ferner J. Anderson »Eine Weltumsegelung«; Christoph Hansteen »Reise in Sibirien«; sowie die vortrefflichen »Naturschilderungen« von Schouw. Auch das stammverwandte holländische und vlämische Idiom wurde in den Kreis von Lorcks Unternehmungen hineingezogen. Van den Hagers Romane wurden bereits erwähnt; es traten hinzu Consciences Werke, namentlich dessen Geschichte von Belgien, u.a.m.

Als geistiges Bindemittel zwischen Deutschland und den stammverwandten Ländern sollte eine wöchentlich erscheinende größere Zeitschrift dienen. Es wurde der »Nordische Telegraph« angefangen und durch zwei Jahre mit bedeutenden Opfern durchgeführt.[635]

Zwei sehr zeitgemäße und vielversprechende Unternehmungen, die sowohl vom Publikum als vom Sortimentsbuchhandel freudig begrüßt wurden, hätten aber doch ein besseres Schicksal verdient, als ihnen durch unvorherzusehende Verhältnisse bereitet wurden: »Lorcks Hausbibliothek« und « Lorcks Eisenbahnbücher«. Die erstere und bedeutendere Sammlung bestand aus lauter einbändigen Werken in 8°. von etwa 25 Bogen, gut, aber oekonomisch gedruckt, so daß der Inhalt ziemlich dem von zwei gewöhnlichen Bänden gleichkam. Jeder Band war mit einem Stahlstich-Porträt in bester Ausführung geschmückt. Das Unternehmen, anfänglich nur auf Geschichtswerke berechnet, wurde später auf Länder- und Völkerkunde ausgedehnt, teils durch gute Originale, teils, namentlich was Länder- und Völkerkunde betraf, durch Bearbeitung größerer, im Ausland erschienener Reisewerke. Als das Unternehmen bereits in besten Gange war, traf es ein harter Schlag durch die Gesetzgebung zum Schutz der Autoren gegen Uebersetzung bezw. Bearbeitungen. Dies machte die Fortsetzung der Hausbibliothek in bisheriger Weise so gut wie unmöglich. Die Autoren und Verleger des Auslandes, noch nicht mit den deutschen Verhältnissen vertraut, stellten unerfüllbare Forderungen. Dadurch trat eine teilweise Lahmlegung der Bibliothek ein. Inhaltlich wollte Lorck nicht zurückgehen, und so wurde das Unternehmen vor dem Verkauf von Lorcks Verlag mit dem 83. Bande geschlossen. – Aehnlich ging es mit den kleineren Eisenbahnbüchern, der ersten und wohl auch der besten der vielen folgenden ähnlichen Unternehmungen. Der Inhalt war ein durchaus gediegener; aber doppeltes Honorar für einen Band zu einer Mark zu zahlen war nicht möglich. Auch ein größeres Werk, »Die Männer der Zeit«, ein starker Band von 450 zweispaltigen, enggedruckten Seiten mit ca. 1200 Biographien fand nicht den erhofften Anklang.

In der Zeit bis 1845, in welchem Jahre sich die Gesellschafter trennten, entwickelte nun die Firma J. J. Weber eine große Tätigkeit. Mit Vorliebe, aber ohne praktische Liebeserwiderung seitens der betreffenden Werke, wurde das bibliopolisch-bibliographische Fach gepflegt; so erschienen von 1836 bis 1840 das bibliopolische Jahrbuch; 1839 bis 1840 die Zeitung für Buchhandel und Bücherkunde mit Beilage: Rezensionen-Verzeichnis; dann folgte als Fortsetzung 1840 bis 1843 die allgemeine Preß-Zeitung unter Leitung von Dr. Ed. Jul. Hitzig mit den bibliographischen Blättern, und der allgemeine Zeitungs-Katalog und L. A. Constantin, Bibliothekonomie; ferner verschiedene Reisewerke als: Georg Vacks Reise durch Nordamerika; Capt. John Roß, Reise nach dem Nordpol, 2 Bände; John Paget, Ungarn, 2 Bände; P. E. Turnbull, Oesterreich, 2 Bände; dann[636] A. Petzholdts Geologie, sowie dessen Agrikulturchemie und Geognosie von Tirol; Timon (Cormenin), Buch der Redner; G. P. Blom, Das Königreich Norwegen, 2 Teile; F. L. von Soltau, 100 deutsche historische Lieder; F. G. Eichhoff, Vergleichung der Sprachen; O. L. B. Wolff, Buch der geistlichen Beredsamkeit; Becker, Naturgeschichte für die Jugend, 6 Bände mit 500 Abbildungen; Thomas à Kempis, die Nachfolge Christi mit Anwendungen und Betrachtungen in verschiedenen schön ausgestatteten Ausgaben für Protestanten und Katholiken; Schuster und Regnier, deutsch-französisches Wörterbuch, 2 Bände. Eine bedeutende Anzahl von schönwissenschaftlichen Einzelwerken und Gesamtausgaben; Karl Gutzkow, dramatische und vermischte Schriften; Treumund Welp (E. Pelz), Petersburger Skizzen, 2 Bände; aus dem Dänischen: Carl Bernhard (St. Aubin), gesammelte Romanen und Novellen; aus dem Holländischen und Vlämischen: J. van dem Hage, Romane; Conscience, Romane und Erzählungen; aus dem Schwedischen: Bernh. von Beskow, dramatische Werke, deutsch von A. Oehlenschläger; aus dem Englischen: Th. Hooks Werke und Boz' (Charles Dickens) gesammelte Werke, 8°-Ausgabe mit Federzeichnungen von Cruikshank, Phiz (R. Seymour), Cattermole und Brown.

Das Hauptgewicht wurde jedoch auf die illustrierte Literatur gelegt, die Weber den Rufnamen »der illustrierte Weber« verschaffte; in näherstehenden Kreisen wurde er »Jean Jaques« genannt. Lorck folgte willig dieser Richtung. Unter den illustrierten Werken dieser Periode seien genannt: »Die Kaiserchronik« mit 90 historischen Bildern nach der Gallerie des Versailles in Stahlstich-Umrissen; F. A. Mignets, Geschichte der französischen Revolution mit Stahlstichen nach Duplessis-Berthaux; Die Soldaten der französischen Republik und des Kaiserreichs mit 50 kolorierten Abbildungen von Hippolyte Bellangé; Die Donau, ihre Anwohner, Städte, Burgen und Schlösser von O. L. B. Wolff mit 80 Stahlstichen und 80 Holzschnitten von W. Henry Bartlett; Die kleinen Leiden des menschlichen Lebens mit 200 Originalzeichnungen von J. J. Grandville; Bildergallerie zu Dickens Werken (365 Blatt) und vor allem Laurents Geschichte Napoleon I., illustriert mit 450 Vignetten von Horace Vernet, ein Werk von wirklichem künstlerischen Wert, dessen Druck schon mannigfache Schwierigkeiten verursachte. Viel mehr aber war dies der Fall mit Franz Kuglers Geschichte Friedrichs des Großen mit 400 Illustrationen von Adolph Menzel, einem Werke, das bekanntlich im deutschen Illustrationswesen Epoche machte und seinen Wert für Jahrhunderte behalten wird. 1843 wurde dann »die Illustrirte Zeitung« gegründet. Lorck, dem zunächst die technischen Arbeiten bei der Herstellung der genannten Unternehmungen zufielen und der die schwierige Vermittlung zwischen dem streng[637] fordernden Künstler und den mitunter etwas unmutig werdenden Holzschneidern in Berlin, Leipzig und Paris besorgte, verlebte während des Druckes des genannten Werkes seine meiste Zeit in der Brockhausschen Buchdruckerei, so daß deren einer Chef, der hauptsächlich die Druckerei leitete, Friedrich Brockhaus, öfters, wenn Lorck zugegen war, und jemand Bescheid holen wollte, den er nicht geben konnte, scherzend bemerkte: »Fragen Sie doch Lorck, der weiß besser Bescheid hier als ich.«

Aus der Reihe der sonstigen Verlagswerke Lorcks heben wir nur noch zwei hervor. Das eine, weil es in der Journalliteratur Deutschlands, das andere, weil es in der inneren Geschichte der Presse eine Rolle gespielt hat. Das erstere ist die 1835 in Stuttgart von August Lewald gegründete, später in Besitz Dr. Gustav Kühnes übergangene Zeitschrift »Europa«, Chronik der gebildeten Welt. Gustav Kühne war in langer literarischer Tätigkeit und langem literarischem Kampf ermüdet und konnte trotz vorzüglicher schriftstellerischer Begabung, Charakterfestigkeit und Unbestechlichkeit als Kritiker, oder vielleicht gerade auf Grund dieser Eigenschaften als Redakteur nicht recht prosperieren, und die Abonnenten des Blattes waren auf ein Minimum gesunken, als es Lorck 1857 übernahm. Die Herstellung des Blattes geschah in Leipzig, wenn auch die Redaktion in Dresden verblieb. Es vereinigten sich als vierblättriges Kleeblatt Dr. Fr. Steger, Dr. Emil Kneschke, Dr. Hüttner, Redakteur des Leipziger Tageblattes, und der Verleger. Die Abonnentenzahl stieg rasch auf 1200, eine für ein Wochenblatt zu dem alten hohen Preise, den Vier- und Sechs-Mark-Blättern gegenüber, sehr bedeutende Zahl. Das Blatt ging bei dem Verkauf des Lorckschen Verlags 1867 an Ernst Keil über. Ueber das zweite Unternehmen sagt die Denkschrift des Vereins der Leipziger Buchhändler Seite 77:

»Das zensurfreie Buch: Glaßbrenners »Neuer Reineke Fuchs« sollte, und zwar auf Antrag der preußischen Regierung, der das Buch als gefährlich denunziert war, noch vor der Ausgabe konfisziert werden. Der Verleger hatte von auswärts Kunde davon erhalten und beschleunigte nunmehr selbstverständlich die Versendung der Exemplare an die auswärtigen Buchhandlungen, jedoch unter Innehaltung aller gesetzlichen Bestimmungen, während die Ausführung der Beschlagnahme durch Zufall mehrere Tage unerledigt geblieben war. Infolge davon fand man bei dem Verleger nur einige wenige Exemplare vor, vermutete deshalb, daß die Exemplare nicht versandt seien, sondern bei den Kommissionären lagerten. Man ließ nun ohne weiteres die Lokalitäten derselben durchsuchen und ging sogar so weit, zum Versand bereit liegende Bücherballen aufschneiden zu lassen.«[638]

Am 1. Juli 1856 hatte Lorck die Fr. Nies'sche Buchdruckerei und Schriftgießerei in Leipzig übernommen. Nies hatte sich einen angesehenen Namen durch seinen orientalischen Bücherdruck erworben, namentlich als der erste, der mit hieroglyphischen Typen druckte, und hatte das Riesenwerk »Das alte Aegypten« des Dr. M. G. Schwartze, einen mächtigen Quartband, der ebenso dick wie hoch ist, fertig gebracht. Lorck hatte mit dem Kauf die sehr schwierige Aufgabe auf sich genommen, das Geschäft völlig zu reorganisieren und den technischen und wissenschaftlichen Ansprüchen der Zeit gemäß zu vervollständigen, was ihm auch schnell, wenn auch unter großen Opfern gelang, so daß er nach kurzer Zeit imstande war, bedeutende Aufträge für Verleger in England, Frankreich, Italien, Rußland und den skandinavischen Norden auszuführen. 1868 ging die Druckerei auf W. E. Drugulin über, der selbst in der Niesschen Buchdruckerei gelernt, jedoch die typographische Laufbahn nicht weiter verfolgt hatte.

Einmal noch trat Lorck später wieder und vorübergehend mit einer Firma seines Namens und einem eigenen Geschäft hervor. Auf Grund seiner persönlichen Bekanntschaft mit Gustav W. Seitz in Wandsbeck übernahm er im Jahre 1877 dessen Leipziger Kunst-Depot für eigene Rechnung, woraus sich nach und nach ein ausgedehntes Geschäft mit Werken der plastischen Kunst und des Kunstgewerbes entwickelte und das seit 1880 unter der Firma Carl B. Lorck (seit 1889 Besitzer C. Jul. Oehlmann) geführt wurde.

Nach Verkauf seines Geschäfts gründete Lorck die »Annalen der Typographie, Central-Organ für die technischen und materiellen Interessen der Presse«, deren erste Nummer am 1. Juli 1869 erschien. Das Blatt war vornehm angelegt und ausgestattet und versprach einen bedeutenden Platz in der buchgewerblichen Literatur einzunehmen. Es hat dies auch gehalten, obwohl die Verhältnisse Lorcks Plan – wenn auch in anscheinend sehr günstiger Weise für ihn – durchkreuzten. Kaum war nämlich das Blatt erschienen, so verlautete die Nachricht, daß die Prinzipale einen Verein zur Förderung ihrer Interessen und Bekämpfung der Agitation seitens der Gehilfen, die eine stete Kriegsbereitschaft erforderte, zu begründen beabsichtigten. Als aufmerksamer Redakteur wurde Lorck hierdurch veranlaßt, einen Artikel mit der Überschrift »Ein allgemeiner deutscher Buchdrucker-Verein« und mit dem, seine Auffassung charakterisierenden Motto »res severa verum gaudium« zu drucken. Dieser Artikel fand allgemeinen Beifall und seine Vorschläge wurden wie ein Programm aufgenommen, so daß, nachdem der Vorstand gewählt war, dieser Lorck aufforderte, die Geschäftsleitung des Vereins zu übernehmen und sein Blatt als Organ des Vereins fortzusetzen. Lorck nahm[639] dies an und ging an die Arbeit, zuerst an die Entwerfung eines Statutes. Die nächste schwierige Aufgabe für Lorck war, den Plan der Kriegsanleitung und die Durchführung derselben vorzunehmen, wozu jedoch jahrelange Arbeit gehörte. In einer Festschrift zu der im Juni 1894 abgehaltenen fünfundzwanzigsten Jahresversammlung im Begründungsorte Mainz heißt es: »Herr Lorck, der gelernter Buchdrucker war, besaß nicht nur umfassende Kenntnisse, sondern vereinigte auch eine bedeutende Arbeitskraft und ungewöhnliche Energie mit schriftstellerischer und diplomatischer Begabung, und wenn der junge Verein seine äußerst schwierigen Probe- und Lehrjahre ohne Fährnisse überstand, so war dies zu einem nicht geringen Teile seinem Wirken zu verdanken.«

Die Festschrift bedauert ferner Lorcks für den 31. Dezember 1875 ausgesprochenes Demmissionsgesuch, umsomehr, als der Verein damit »sein Organ, die Annalen, verlor«, und das sei sowohl gegenüber den Strömungen im Verein selbst, wie gegenüber den sich mehrenden Anfeindungen von außen vom Übel. Der Grund seines Ausscheidens lag nämlich in der Spaltung des Vereins in zwei Parteien, von denen die Minorität über die verschiedenen typographischen Journale verfügte, die in einer, das Maß des Erlaubten weit überschreitenden Weise wöchentlich über Lorck herfielen, waren jedoch von ihrer ersten Bestimmung bereits zu weit abgekommen, um wieder umkehren zu können, und so ließ Lorck mit Ende 1877 das Blatt eingehen.

1873 wurde Lorck zur Weltausstellung in Wien als Juror für das Buchgewerbe seitens des Reichs delegiert und fungierte dort mit G. Masson aus Paris und Moritz Gerold aus Wien als Berichterstatter der großen internationalen Gruppe für das Buchgewerbe in dessen weitestem Sinne. Von der Reichskommission wurde ihm die Abfassung des amtlichen Berichtes für das große Ausstellungswerk anvertraut, wovon ein Sonderabdruck bei Vieweg in Braunschweig erschien unter dem Titel: »Die graphischen Künste auf der Ausstellung zu Wien von Carl B. Lorck in Leipzig.«

1875 wurde Lorck nach der Ausstellung in Philadelphia gerufen, ging aber wohl selbst hin. Es bildete sich ein Ausschuß in Leipzig, der Lorck zum Vorsitzenden wählte. Es nahmen 144 Firmen an der Ausstellung teil. Die buchgewerbliche Ausstellung in Leipzig gelegentlich der sächsisch thüringischen Gewerbeausstellung 1879 wurde Lorck die Veranlassung zu einer geschichtlichen Schrift: »Die Druckkunst und der Buchhandel in Leipzig durch vier Jahrhunderte« erschienen im Verlag von J. J. Weber in Leipzig; außerdem zu einem Ausstellungsbericht, unter dem Titel: Der Buchhandel und die graphischen Künste auf der Kunstgewerbe-Ausstellung zu Leipzig 1879.[640]

1883 erschien Lorcks »Geschichte des Vereins der Buchhändler zu Leipzig während der ersten 50 Jahre seines Bestehens 1833-82 und bald nachdem die umfangreichste literarische Leistung Lorcks, sein »Handbuch der Buchdruckerkunst« 2 Bde. Lorck hat daran vier Jahre gearbeitet. Wie er selbst sagt, wäre ihm die Arbeit ohne die reiche Börsenvereins-Bibliothek eine reine Unmöglichkeit gewesen.

Im Frühjahr 1884 schrieb Lorck »Die Zukunft des Buchhandels in Leipzig,« eine Denkschrift, dem Kgl. Sächsischen Ministerium des Innern ehrerbietigst überreicht von den Vorständen des Kreises Sachsen des Deutschen Buchdrucker-Vereins, des Vereins Leipziger Buchdruckereibesitzer und der Typographischen Gesellschaft in Leipzig, eine in ihren Folgen sehr wichtige Publikation.

Es werden in derselben als Mittel, die graphischen Künste zu heben, vorgeschlagen: 1. Errichtung eines Buchgewerbe-Museums ersten Ranges; 2. Errichtung einer höheren graphischen Fortbildungs-Anstalt (Akademie); 3. sorgsame Pflege des Ausstellungswesens; 4. Begründung eines Vereins der Angehörigen des Buchgewerbes. Die Regierung nahm die Denkschrift wohlwollend auf und erklärte, daß sie geneigt sei, bei Aufstellung des nächsten Haushaltplanes die Vorschläge in Erwägung zu ziehen. 1885 wurde der Ankauf der Klemmschen Sammlung für 400000 M. einstimmig von beiden Kammern bewilligt und der Regierung überlassen, wie sie darüber verfügen wollte. Diese widerstand den mehrfach geäußerten Wünschen, die Sammlung unter den öffentlichen Bibliotheken zu zerstückeln, und überwies sie dem Zentralverein unter der Bezeichnung »Königlich Sächsische Bibliographische Sammlung« als einen herrlichen Grundstein für das deutsche Buchgewerbemuseum.

Nach der vorläufigen Erklärung des Ministeriums in betreff der Denkschrift wurden sofort die Vorarbeiten samt Abfassung eines Vereinsstatutes Lorck übertragen, und nachdem der provisorische Vorstand, unterstützt von einem bewährten Juristen, alles geordnet hatte, konnte die konstituierende Versammlung des Zentralvereins für das gesamte Buchgewerbe stattfinden, als dessen Sekretär dann Lorck fungierte.

Dem buchhändlerischen und buchgewerblichen Ausstellungswesen hat Lorck Form und Richtung gegeben. Auch auf diesem Gebiet ist er der Mann des energischen Willens und der Tat gewesen. Um den deutschen Verlagsbuchhandel hat er sich durch seine sichere Leitung der Oestermeß-Ausstellungen, die Jahres-, Weihnachts- und Sonderausstellungen, insbesondere aber die Vertretung der Buchgewerbe auf Welt- und Landesausstellungen hoch anzuerkennende Verdienste erworben.[641]

Zu seinem 90. Geburtstage wurde er mit hohen Ehren bedacht. U. a. teilte ihm der Rat der Stadt Leipzig mit, daß er nach dem Jubilar »in dankbarer Würdigung seiner vielfältigen Verdienste um das Leipziger wie um das deutsche Buchgewerbe« eine Straße nach ihm Lorckstraße benannt habe.

Quellen: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 1894 uff.; vergl. die betr. Fachblätter (Buchhandel und Buchdruck).

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 4. Berlin/Eberswalde 1907, S. 634-642.
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