[673] Merian, M. Der Name des alten Matthäus Merian ist durch die Herausgabe der bekannten herrlichen »Topographie« seit Jahrhunderten bekannt, und wird ihm auch für die noch kommenden Erdenjahre ein ewiger Ruhm sein. Merian war aber nicht nur Künstler, sondern er gehörte auch der Buchhandelsgeschichte an; er war in dieser Beziehung sogar ein hervorragender Buchhändler.
Die Familie Merian ist eine alte Baseler Patrizierfamilie, die sich um die Mitte des 16. Jahrhunderts in Basel niederließ. Matthäus Merian wurde als Sohn des Ratsherrn W. Merian am 25. 9. 1593 zu Basel geboren, in dem Hause, das noch heutigen Tages in Klein-Basel im Besitz der jüngeren Linie der Familie sich befindet. Der junge Merian zeigte offensichtliches künstlerisches Talent, dem der Vater Rechnung trug, indem er seinen Sohn 1609 dem Maler und Stecher Dietrich Meyer in Zürich zur weiteren Ausbildung übergab. Während seiner 4jährigen Lehrzeit hatte sich Merian bereits so hervorgethan, daß er 1613 nach Nancy berufen wurde, um hier das[673] Exequien des Herzogs Heinrich II. von Lothrigen nach Claude de Ruelle in Kupfer zu stechen. In Nancy lernte er den berühmten französischen Kupferstecher J. Callot kennen, zu dem er in nähere Beziehungen trat, nachdem er von Nancy nach Paris übergesiedelt war. In Paris hielt sich Merian mehrere Jahre auf, kehrte dann ins Elternhaus zurück, um sich für eine Studienreise nach Italien vorzubereiten, die er aber nicht zur Ausführung bringen konnte, wegen der damals grassierenden Pest. Merian blieb also in Deutschland und wandte sich nach Augsburg, woselbst er mit dem Studium deutscher Städte und Sitten begann. Hier traf ihn 1616 ein Ruf nach Stuttgart, wo er in Gemeinschaft mit Brendel von Straßburg die »fürstlichen Kindtaufs-Solemitäten« in Kupfer stach. Das sehr seltene 1616 bei Rößlein & Cellico in Stuttgart gedruckte Querfoliowerk enthält 79 von Merian gestochene Kupfertafeln, welche mit Ausnahme der ersten, einer Stuttgarter Gesamtansicht, historische und mythologische Aufzüge, Turnierspiele darstellen, oft in den seltsamsten und wunderlichsten Formen. Um die niederländischen Meister kennen zu lernen, begab er sich in deren Land und kam auf dem Rückwege, in der Absicht, nach Italien zu gehen, in Frankfurt a. M. mit dem Buchhändler und Kupferstecher J. Th. de Bry zusammen, der Merian auch für sein Geschäft gewann. Zunächst ging Merian mit nach Oppenheim, wo er die Kupfer zu vier großen Reisewerken über Indien teils selbst stach oder deren Anfertigung doch überwachte. 1618 vermählte sich Merian mit der ältesten Tochter de Brys; so blieb er nun Deutschland erhalten, nachdem es ihn vorher stets nach dem sonnigen Süden gezogen hatte. Einige Zeit war jetzt Merian in dem Geschäft seines Schwiegervaters tätig, zog aber dann nach Basel, wo er eine fruchtbare künstlerische Tätigkeit entwickelte. Hier entstanden die zahlreichen größeren und kleineren Darstellungen Schweizer Ansichten, sowie der Gegenden um Stuttgart, Heidelberg etc., welche in dem bei Aubry in Straßburg erschienenen Werke »Novae regioncam aliquot amoenissimarum delineationes« in zwei Sammelbänden 1624/5 veröffentlicht wurden. 1624 verließ Merian Basel und siedelte mit seiner Familie nach Frankfurt a. M. über, wo er, nachdem 1623 sein Schwiegervater gestorben war, als Frankfurter Bürger seinen bleibenden Wohnsitz nahm. Mit seinem Schwager Wilhelm Fetzer übernahm nun Merian den Buch- und Kupferstichhandel seines Schwiegervaters. Von 1640 ab führte Merian das Geschäft allein fort und firmierte unter seinem Namen. Sein Signet stellt einen Storch dar, der eine Schlange im Schnabel (Ciconia Meriani) hält mit der Divise: Pietas contenta lucratur.
In dieser Zeit entstand nun Merians herrliche Topographie, in der gleichsam die ganze Pracht des Mittelalters an uns vorüberzieht.[674] Wir sehen vor uns im Bilde die architekturreichen Städte des Heil. Römischen Reichs deutscher Nation vom Belt bis zur Rhone, von den Vogesen bis zur Weichsel, vom Zuider See bis zum Adriatischen Meer, wir erblicken sie in ihrem Glanz, in ihrem Reichtum, bevor derselbe durch den 30jährigen Krieg, durch die Raubkriege der Franzosen und die darauf folgenden Kriege zum größten Teil, wenn nicht vollends vernichtet wurde. Der ganze blutige Krieg, Deutschlands Ruin für lange Zeit, wird uns beim Anschauen der Merianschen Bilder ins Gedächtnis zurückgerufen und leicht ist es die »Scenerie mit historischen Figuren und Begebenheiten zu beleben.« Das großartige Werk, dessen Vollendung der Meister leider nicht erlebte, besteht in der ersten Ausgabe aus 29 Teilen und wie der zweite Druck des Hauptregisters ausweist, aus 31 Bänden, deren erster 1642, der letzte 1688 erschien. Die Bände erschienen in folgender Reihenfolge 1642 Schweiz; 1643 Schwaben; 1644 Elsaß, Bayern; 1645 Pfalz am Rhein; 1646 Mainz, Trier, Köln, Hessen; 1647 Westphalen; 1648 Franken; 1649 Oesterreich, Steiermark, Kärnten, Krain, Tirol; 1650 Obersachsen, Böhmen, Mähren, Schlesien; 1652 Brandenburg, Pommern, Preußen, Livland; 1653 Niedersachsen; 1654 Braunschweig, Lüneburg; 1655 Niederdeutschland, Burgund; 1655/56 Gallien, 13 Teile; 1681 Rom; 1688 Italien. Ein Generalregister zu dem ganzen Werke erschien 1672 bis 1726, einzelne Bände sind in neuen, oft vermehrten Ausgaben erschienen. Der Text zu den Topographien rührt wahrscheinlich nur zu der des Elsasses von Merian selbst her. Es war ihm natürlich nicht möglich, alle Ansichten an Ort und Stelle selbst aufzunehmen. Er hatte zum Teil Schüler, die das besorgten, vermutlich auch eine größere Anzahl von Gesellen oder Mitarbeitern, die in den verschiedenen Kreisen zeichneten, während er aus seinen, sowie seiner Söhne und Freunde Skizzenbüchern gleichfalls zahlreiche Ansichten, besonders aus den Kreisen Süddeutschlands entnahm. Auch fertigte er Stiche nach eingegangenen Zeichnungen an, die die Städte vor dem 30jährigen Krieg darstellten, während eine Anzahl Bände doch erst später herauskam. Zur Erlangung des Textes sandte Merian in seiner Eigenschaft als Verleger und Herausgeber Schreiben an die betr. Ortsbehörden und bat im Interesse seines Werkes um Einsendung von Notizen. Diesen so erhaltenen Text sichtete und vervollkommnete Martin Zeiller aus alten Chroniken, Berichten etc. Was dem Werke jedoch unsterblichen Ruhm verliehen hat, das sind die zahlreichen Abbildungen, sämtlich Radierungen und zum Teil von Merian selbst gefertigt. Des Meisters Blätter zeigen namentlich in der Kunst der Perspektive ein großes Geschick und sicheres Wissen. Merian hat durch seine zahlreichen Abbildungen von Städten und altertümlichen Bauwerken, welche inzwischen stark verändert,[675] vielfach sogar bis auf spärliche Ueberreste ganz verschwunden sind, der Kunst und Wissenschaft unschätzbare Dienste geleistet. Mit ganz besonderer Liebe förderte Merian die Topographie der Stadt Frankfurt. Eng verbunden mit Merians Topographie ist sein »Theatrum Europaeum«, welches von historischem Text begleitet, die Ereignisse von 1617 an bildlich darstellt. Es besteht aus 21 Teilen und erschien 1635-1738. Bis zum 19. Bande, der 1723 herauskam, ist es bei Merians Erben erschienen, die beiden Teile, 1734-1738 erschienen, tragen als Verlagsfirma Möller in Frankfurt. Von einzelnen Teilen existieren mehrere Auflagen. Erwähnenswert unter Merians zahlreichen Werken sind ferner seine Darstellungen zur Bibel, welche zuerst in 50 Blättern ohne Text, dann mit Versen, 1625 bei Lazarus Zetzer in Straßburg und endlich 1630 mit vollständigem Bibeltext herauskamen; sein Totentanz, 1649 erstmals gedruckt; und der Fruchtbringenden Gesellschaft Namen, Vorhaben, Gemählde und Wörter, 1646 erschienen.
Matth. Merian der Ältere starb bei einem Badeaufenthalt in Bad Schwalbach am 19. 6. 1650; er wurde mit großen Ehren auf dem Peterskirchhof Frankfurts beigesetzt, doch ist sein Grab jetzt nicht mehr aufzufinden. Er hinterließ seinen Angehörigen ein blühendes Geschäft, das von seinen beiden ältesten Söhnen Matthäus Merian dem Jüngeren (geb. 1621 zu Basel, gest. 15. 2. 1687) und Caspar Merian (geb. 1627) fortgeführt wurde. Nach dem Tode des jüngeren Merian übernahm dessen Sohn Johann Matthäus Merian (geb. 1659) das Geschäft und schritt auf der Bahn seiner Vorfahren weiter, während sein älterer Bruder Karl Gustav Merian eine eigene Buchhandlung errichtete. Johann Matthäus Merian ist als Künstler der bedeutendste seines Namens gewesen, der größte Porträtmaler seiner Zeit; in ihm erreichte die Meriansche Familie den Gipfel des Reichtums und Glanzes. In den Adelstand erhoben und zum kurfürstlichen Geheimrat ernannt, nahm er sich besonders des Kunstverlages an. Er starb am 4. 3. 1716 und seine Erbin, seine Tochter Charlotte Maria führte das Geschäft mit den Verwandten unter der Firma Merians Erben fort. Sie vermählte sich mit General J. F. Ersander von Goethe, der in wenigen Jahren das Geschäft durch seine Verschwendungssucht an den Ruin brachte. In dieser Beziehung heißt es in den »Kleinen Schriften von Loen«: »Der ganze Meriansche Bücherverlag, der sonst wegen der Theatri Europaei und anderer kostbarer Werke, eine rechte Goldgrube zu sein schien, war dazu nicht hinlänglich. Diese Quellen versiechten; der Aufwand war zu groß; man machte Schulden; man versetzte Bücher an Juden und Christen: diese verkauften solche in Mangel der Zahlung weit unter ihren Preisen; damit lag Handel und Wandel und Kredit[676] auf einmal«. 1726 wurde zu guterletzt noch durch einen Brand fast ganz zerstört, was der verschwenderische Besitzer noch nicht verschleudert hatte. Der Meriansche Verlag, der in den Bodenräumen des Carmeliterklosters aufgespeichert war, wurde nun in seinen Restbeständen gänzlich verkauft und damit hatte die alte Firma ein wenig glanzvolles Ende gefunden. 1727 kann man als Auflösungsjahr bezeichnen, da von da ab die Meriansche Firma in den Meßkatalogen nicht mehr vorkommt.
Quellen: H. Eckardt, M. Merian, Basel 1887; Weißbachs Buchhändler-Akademie Band I (Kelchner); eine zuverlässige bibliographische Beschreibung aller Zeiller-Merianschen Topographien gibt C. Schuchhard im Centralblait für Bibliothekswesen 1896 Heft 5/6.
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