[677] Metzler, J. B. Im vorletzten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts kam als ehrsamer Buchbindergeselle August Metzler, geb. 1654 als Sohn eines sächsischen Pfarrers nach Stuttgart, nachdem er in Zwickau »das Handwerk erlernt«, und trat in das im Jahr 1670 von Joh. Gottfried Zubrod (ein Johann Peter Zubrodt wird um dieselbe Zeit in Frankfurt a. M. als Buchhändler genannt) daselbst gegründete Geschäft, welches ohne Zweifel nach damaliger Sitte Bücher nicht bloß einband, sondern auch verkaufte. 1682 heiratete Metzler eine Schwäbin und betrieb von da an, wohl selbständig, den Buchhandel, erst aber mit einiger Bedeutung nach Zubrodts im Jahre 1690 erfolgten Tode.
Dieser Betrieb dauerte bis 1716, in welchem Jahre Metzler starb und von seinen fünf Söhnen der eine, Johann Benedikt[677] Metzler, geboren 1696, das Geschäft übernahm und zwar in Gemeinschaft mit seinem Schwager, dem Bruder seiner Frau, Hofbuchdrucker Rößlin (ein Buchhändler Johann Meyrich Roßlin in Stuttgart kommt 1625 schon vor). Rößlin besaß vom Herzog das Privilegium auf 20 Jahre, von 1718 ab »alleiniger Buchhändler« zu »Stuttgarten« zu sein. Johann Benedikt Metzler hatte von 1713 bis 1716 den Buchhandel bei dem Bibliothekar und Buchhändler Johann Felix Bielcke in Jena erlernt und wurde, nach eben beendigter Lehrzeit, durch den Tod seines Vaters in die Heimat zurückgerufen.
Etliche Jahre später, 1720, assoziierte er sich mit Christof Erhard, geboren 1684 zu Thumm in Sachsen, dem Sohne eines Spitzenhändlers. Dieser war 1704 als Gehilfe zu Metzler's Vater gekommen und in dieser Stellung bis 1718 geblieben, in welchem Jahre er die Gründung eines buchhändlerischen Geschäftes in Heilbronn versuchte, nachdem ihm im Hinblick auf das oben erwähnte Privilegium die Konzession in Stuttgart verweigert worden war; indessen scheint dies nicht prosperiert zu haben, denn zwei Jahre später gab er dieses reichsstädtische Geschäft wieder auf, kehrte nach Stuttgart zurück und assoziierte sich dort mit Joh. Benedikt Metzler, nachdem er durch die eheliche Verbindung mit der Tochter des Handelsmanns Christof Metzler in Frankfurt a. M. in verwandtschaftliche Beziehung zu ihm getreten war. Kinderlos starb jedoch schon 1722 diese Frau in ihrer Heimat. Aus einer zweiten, Ende 1723 geschlossenen Ehe unseres Christof Erhard mit der Tochter des Apotheker Palm zu Schorndorf entsproßten aber zwei Söhne: Johann Christof und Johann Philipp Erhard.
Im Jahre 1740 trennte sich deren Vater von Metzler und gründete nach Uebereinkunst mit letzterem eine zweite Buchhandlung in Stuttgart, starb jedoch bald darauf, 1742. Sein älterer Sohn, Johann Christof, führte nun die Buchhandlung fort und der jüngere gründete eine Buchdruckerei. Aus dieser Zeit stammt wohl die auf vielen Verlagswerken noch zu findende Firma »Johann Christof Erhard & Söhne«, sowie »J. Chr. Erhard's Söhne«, welche z. B. eine Reihe der schönsten Erzeugnisse württembergischer Theologen, namentlich Bengel's und seiner Schüler tragen. Überhaupt scheint die Verlagstätigkeit der Firma gegen und um die Mitte des vorigen Jahrhunderts eine sehr bedeutende gewesen zu sein.
Johann Benedikt Metzler, sonach von 1740 an wieder alleiniger Besitzer seines Geschäftes, trieb dieses noch eine Reihe von Jahren bis zu seinem am 6. 3. 1754 erfolgten Tode. Sein Geschäftslokal war schon damals Calwer- und Büchsenstraßenecke. Nach dem Hingang des Vaters übernahm dasselbe der 1727 geborene Sohn Johann Benedikt Metzler II gründete 1785 die erste Leihbibliothek, trat[678] dieselbe jedoch, »überhäufter Handlungsgeschäfte wegen«, dem vorerwähnten Buchdruckerei-Inhaber Johann Philipp Erhard ab. Die Ehe J. B. Metzlers wurde nur mit einer Tochter, Auguste gesegnet, welche sich 1780 mit C. L. Enßlin verheiratete, 1784 aber schon Witwe wurde. Aus diesem Stande heraus ehelichte sie nun 1795 der Advokat Christof Heinrich Erhard, der 1756 geborene Sohn des obengenannten Johann Philipp Erhard. Diesem seinem Tochtermann übergab, vielleicht gegen dessen Neigung, da er ja einen anderen Beruf hatte, Johann Benedikt Metzler 1796 seine Handlung, und starb bald darauf im nächstfolgenden Jahre.
Der einzige Sohn des Advokaten und Buchhändlers Erhard war Heinrich Erhard, geboren zu Stuttgart, den 16. 4. 1796. In seiner Jugend wurde ihm eine gute wissenschaftliche Bildung zuteil; er durchlief das Gymnasium seiner Vaterstadt, war in den alten Sprachen sehr bewandert, wie er denn selbst im hohen Alter noch liebte, Horazsche Verse zu citieren; ebenso trieb er mit großem Eifer Mathematik. Der Vater, der selbst keine sonderliche Neigung zum Buchhandel zu haben schien, bestimmte auch den Sohn nicht für denselben, sondern ließ ihn in dem Handlungshause Stahl & Federer die Handlung erlernen. Nach Vollendung derselben sollte er nach Antwerpen abgehen, als die Rückkehr Napoleons von Elba diesen Vorsatz hintertrieb. Er trat nun als Kommis in das Bankgeschäft von Johann Benedikt Metzler sel. Sohn & Konsorten in Frankfurt a. M. ein. Kaum aber hatte er, 1815, zum ersten Male die Heimat verlassen, als plötzlich der Vater starb. Der junge Mann mußte eilig zurückkehren, es blieb ihm für seinen ferneren Lebensgang keine Wahl, das verwaiste Geschäft forderte den einzig möglichen Leiter, und so übernahm, noch nicht 20 Jahre alt, und ohne alle spezielle Vorbildung dazu, Heinrich Erhard am 1. Dezember 1815 die Metzler'sche Buchhandlung. Sie war in ziemlich ungeordneten Zuständen, die Uebernahme also die schwierigste, welche sie nur sein konnte.
Bald blühte unter Erhards immer sicherer werdenden Hand die Buchhandlung neu auf. Sie umfaßte alle Zweige. Das Sortimentsgeschäft war das älteste in Stadt und Land, und auch als nach und nach Konkurrenz erwuchs, hatte es eine alte Kundschaft mit alter Anhänglichkeit für sich. Großartig entwickelte sich das Verlagsgeschäft, sehr vielseitig die verschiedensten Zweige des menschlichen Wissens umfassend. Es stand schon in den 20er und 30er Jahren mit an der Spitze des immer bedeutender sich entfaltenden Stuttgarter Buchhandels. Besondere Sorgfalt widmete Erhard der von ihm gegründeten Buchdruckerei; sie war eine Lieblingsschöpfung und ihr Inhaber stets bemüht, ihr alle Fortschritte und neuen Erfindungen zuzuführen. Schriftgießerei, Stereotypie, Galvanoplastik wurden mit ihr verbunden.[679] Erhard stellte in Stuttgart die erste Schnellpresse von König & Bauer in Kloster Oberzell auf. Von seinen Geschäftsgenossen war er hochgeachtet, der deutsche Buchhandel zählte ihn mit Stolz zu seinen hervorragendsten Mitgliedern. Wenn der Börsenverein in wichtigen Angelegenheiten einen besonderen Ausschuß ernannte, fehlte Erhard selten unter dessen Mitgliedern. So hatte er Teil an der wichtigen Denkschrift über die Organisation des deutschen Buchhandels vom 5. 6. 1845. In den Jahren 1843 bis 1845 war er Vorsteher des Börsenvereins. Auch im Süddeutschen und im Stuttgarter Lokalverein nahm Erhard stets eine hervorragende Stellung ein. Seiner Tatkraft besonders dankt Stuttgart seine Bedeutung als süddeutscher Kommissionsplatz und Sitz der süddeutschen Buchhändlermesse.
Heinrich Erhard starb am 14. 8. 1873, das Geschäft ging auf seine Schwiegersöhne Leopold Werlitz und Adolf Bonz über; ersterer gehörte seit 1843, letzterer seit 1851 dem Geschäfte an. Leopold Werlitz hatte 1832 seine buchhändlerische Tätigkeit bei Trautwein in Berlin begonnen und daselbst bis zum Jahre 1836 verweilt. Seine Wanderjahre führten ihn nach Riga und Petersburg und nach wiederholtem kurzem Aufenthalt in Berlin trat er 1842 als Gehilfe in die Metzlersche Buchhandlung ein, deren Teilhaber er im nächsten Jahre wurde, nachdem kurz vorher seine Verlobung mit der Tochter Erhards, Emilie, stattgefunden hatte. 1858 erfolgte eine Trennung von Verlag und Sortiment; letzteres ging 1879 an Adolf Nast, den späteren Besitzer des ⇒ G. J. Göschenschen Verlages in Stuttgart über, der das Geschäft 1889 an Friedrich Stahl und Oskar Geißler abtrat, von denen ersterer es gegenwärtig unter seinem Namen betreibt.
Beim Ausscheiden des alten Erhard war zugleich Heinrich Erhard Egon Werlitz als Teilhaber eingetreten, 1874 folgte als vierter Mitinhaber Adolf Mehl. 1876 schieden Bonz und Mehl aus, übernahmen einen Teil des Metzlerschen Verlages und begründeten damit ihre Firma ⇒ Adolf Bonz & Co.
Für Leopold Werlitz, der 1888 ausschied, trat Arthur Werlitz als weiterer Teilhaber ein, gegenwärtig sind dieser sowie der schon erwähnte Kommerzienrat Egon Werlitz Inhaber der J. B. Metzlerschen Buchhandlung in Stuttgart.
Überblicken wir den Verlag der Firma, so muß als eins der größten Unternehmen die durch Tafel, Osiander und Schwab herausgegebene umfangreiche Sammlung der griechischen und römischen Prosaiker und Dichter in deutschen Uebersetzungen, sowie der Klassiker des Altertums in 759 Bändchen gelten. Eine große Anzahl Schulbücher sowie Werke von Berzelius, Bentzel-Sternau, Daniel (Taubstummenlehrbücher),[680] die berühmte Paulysche Real-Encyklopädie der klassischen Altertumswissenschaft, Rebaus Naturgeschichte; wir finden ferner Namen wie M. Eyth, Th. Lüders, J. J. Moser, Noisette (Handbuch der Gartenkunst), Paul Pfizer, Scheffel, Fr. v. Schiller (Venuswagen 1782, Anthologie auf 1782), Schmidlin (berühmter Blumenkalender), K. Th. Welcker u. a. Neben einer besonders umfangreichen Abteilung »Württembergia« finden wir in den älteren Verlagskatalogen eine große Bibliothek von Uebersetzungen englischer Schriftsteller mit Shakespeare an der Spitze. Eine Reihe von Zeitschriften vervollständigen das Gesamtbild. Von dem neueren Verlag sind hauptsächlich zu nennen die Schriften von J. P. Baltzer, Dr. H. Conrad, C. v. Dillmann, W. Jordan (Handbuch der Vermessungskunde), Ferd. Kraft und Walter Sigel. Die Osiander-Schwabschen Übersetzungen sind in den Verlag von H. Kerler in Ulm übergegangen.
Quellen: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 1873; Verlagskataloge 1869, 1875.
Buchempfehlung
Bereits 1792 beginnt Jean Paul die Arbeit an dem von ihm selbst als seinen »Kardinalroman« gesehenen »Titan« bis dieser schließlich 1800-1803 in vier Bänden erscheint und in strenger Anordnung den Werdegang des jungen Helden Albano de Cesara erzählt. Dabei prangert Jean Paul die Zuchtlosigkeit seiner Zeit an, wendet sich gegen Idealismus, Ästhetizismus und Pietismus gleichermaßen und fordert mit seinen Helden die Ausbildung »vielkräftiger«, statt »einkräftiger« Individuen.
546 Seiten, 18.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro