[737] Otmar, J. Johannes Otmar ist der erste Buchdrucker der Städte Reutlingen und Tübingen. Er stammte auch aus Reutlingen und hatte den Magistergrad erworben.
1482 stellte er die erste Presse in Reutlingen auf und siedelte Ende 1497 nach Tübingen über, wo 19 Drucke seine Presse verlassen haben, während man aus seiner Reutlinger Zeit deren 33 zählt. Die letzten datierten Tübinger Drucke stammen aus dem Jahre 1501, von 1502 ab kommt der Name Johannes Otmar auf Augsburger Drucken vor, er war nach dort verzogen. Aus seiner Presse gingen viele reformatorische Flugschriften hervor, auch die 13. deutsche Bibel im Jahre 1507; sein Sohn und Nachfolger Silvanus Otmar wird 1495 in Tübingen inscribiert, wird 1511 bis 40 in den Augsburger Steuerbüchern aufgeführt und druckt von 1513-33. 1518 ging aus seiner Presse die 14. (letzte) vorlutherische deutsche Bibel hervor. Für die Verbreitung von Schriften Luthers und seiner Freunde hat er mehr als jeder andere süddeutsche Drucker getan. Gegen 150 Drucke dieser Art sind bekannt.
Seine Druckerei lag beim St. Ursulakloster am Lech, sein Sohn Valentin Otmar führte sie später fort. Hans Burkmair, Hans Schäuffelin und Daniel Hopfer lieferten Holzschnitte für Otmar.[737]
K. Haebler bezeichnet den Kalenderdrucker Michel Greyff als den ersten Buchdrucker der Stadt Reutlingen. Von seinen Lebensumständen ist fast nichts bekannt, erst vom Jahre 1486 nennt er sich öfter als Drucker, sagt gelegentlich auch, daß er das Reutlinger Bürgerrecht erworben habe. Er hat aber schon 1478 in Reutlingen gedruckt, wie ein auf der Tübinger Universitätsbibliothek befindlicher »Aderlaßkalender« aus diesem Jahre ausweist, überhaupt scheint Greyff als Kalenderdrucker eine hervorragende Rolle gespielt zu haben. Einen Meister von gleicher Vielseitigkeit, sagt Haebler, hat es neben Michel Greyff im 15. Jahrhundert sicher nicht gegeben. Steiff hat 34 Drucke von ihm nachgewiesen, darunter solche von Sebastian Brant, sowie einige lateinische Schulbücher.
Zehn Jahre nach Otmar erhielt Tübingen seine zweite Presse durch Thomas Anshelm, der aus Baden-Baden stammte, aber von Pforzheim kam. 74 Drucke sind bis jetzt aus seiner Tübinger Zeit bekannt geworden.
1485 kommt er in Basel vor; aus dem Jahre 1488 ist von ihm ein Druck aus Straßburg bekannt »Evangelj mit der glos vnnd Epistl«, wahrscheinlich war er aber dort noch Gehilfe. Von 1500 ab druckte er selbständig in Pforzheim, von 1511 ab in Tübingen, wo er auch 1524 gestorben zu sein scheint. »Mit Anshelm kam«, schreibt Steiff in seiner Monographie (siehe unten) »der bedeutendste Drucker und Buchhändler nach Tübingen, den die Universitätsstadt in jener ganzen ersten Zeit nicht nur, sondern man kann wohl sagen bis herab auf Joh. Friedr. Cotta gehabt hat. Seine Bedeutung spiegelt sich schon in dem Ansehen wieder, das er im Kreise der Gelehrten, speziell der Humanisten genoß«. Besonders befreundet aber war Anshelm mit Mich. Hummelberger und Melanchthon; Joh. Reuchlin wandte dem Drucker seiner Vaterstadt Pforzheim seine volle Gunst und Unterstützung zu: so wurde Anshelm einer der wichtigsten Drucker des süddeutschen Humanismus.
Er führte drei verschiedene Druckerzeichen, darunter eins mit einer Komposition H. Baldung Grüns. Unter seinen gelehrten Korrektoren sind zu nennen Prof. Joh. Hiltebrant und Ph. Melanchthon (dieser besorgte u.a. Dialogus Mythologicus, 1514.)
Anshelms Wirksamkeit in Tübingen dauerte bis 1516, er zog dann nach Hagenau, seine letzten Drucke stammen aus dem Jahre 1522. Seine Presse ging in die Hände des mit den Reformatoren befreundeten Joh. Secerius (Setzer) über.
Der dritte Tübinger Buchdrucker, Ulrich Morhart aus Augsburg, ist der erste, welcher dort seinen bleibenden Wohnsitz nahm und zugleich derjenige, mit welchem die Buchdruckerkunst ihren definitiven Einzug in Tübingen hielt. Morhart hatte seit 1519 in[738] Straßburg gedruckt und war 1523 in Tübingen erschienen. Seine Drucke, 81 an der Zahl, sind vielfach mit Zierinitialen, worunter sich ein prächtiges Kinderalphabet befand, und Titelrandleisten geschmückt. Auch ein Lutherdruck »Ermanunge zum frid, auff die zwölff Artickel der Bawrschaft in Schwaben« befindet sich darunter. Morhart kam später, wie so viele Buchdrucker des 16. Jahrhunderts, auf den Index, was er den zahlreichen evangelischen Druckschriften, welche nach 1534 aus seiner Presse hervorgingen, zu verdanken hatte.
Er muß vor 1554 gestorben sein; seine Witwe führte das Geschäft, unterstützt von ihren aus früherer Ehe mitgebrachten beiden Söhnen Oswald und Georg Gruppenbach, fort. In diese Zeit fällt die bekannteste Leistung der Morhartschen Presse, der slavische Bücherdruck. Der südslavische Prediger Primus Truber war aus seiner Heimat Krain wegen seiner evangelischen Überzeugungstreue vertrieben worden und kam 1540 nach Württemberg, wo er nacheinander in Urach, Laufen und Darendingen wirkte. Um auch aus der Ferne unter seinen Landsleuten für die Sache der Reformation zu wirken, fing er um 1550 an, das in den südslavischen Ländern weit verbreitete slovenische Idiom nach deutscher Aussprache mit lateinischen, später auch mit deutschen Lettern zu fixieren und wurde damit der Gründer einer bis dahin nicht bestehenden slovenischen Nationalliteratur. Nun verfaßte ein er slovenisches Abcedarium und übersetzte Brenz' und Luthers Katechismen. Nach vergeblichen Versuchen, die Schriften in Nürnberg oder in Schw. Hall drucken zu lassen, gelang es endlich, Ulrich Morhart zur Herstellung, wenn auch heimlich und unter falscher Firma, zu bewegen. Im Einverständnis mit Vergerius übertrug dann Truber von 1550 an das Neue Testament meist nach Luthers Übersetzung ins Windische. Dasselbe wurde in der Offizin von Morharts Erben gedruckt, da, wie erwähnt, Morhart bereits 1554 gestorben war.
Quellen: K. Steiff, der erste Buchdruck in Tübingen, Tübingen 1881 (siehe dort auch ein vollständiges Verzeichnis und Beschreibung der Drucke von Otmar, Anshelm und Morhart); vergl. außerdem Nachträge im Centralblatt für Bibliothekswesen 1887, 1889 und 1896; Goetze, hochdeutsche Drucke der Reformationszeit, Straßburg 1905; Steiff in Reutlinger Geschichtsblätter 1890, 1892 u. 1896; Haebler, M. Greyff als Kalenderdrucker in Zeitschrift für Bücherfreunde Dezemberheft 1905; Kapp, Buchhandel.