[824] Röder, C. G. Carl Gottlieb Röder, geboren am 22. Juni 1812 zu Stötteritz bei Leipzig, war als Sohn eines wenig bemittelten Bäckers frühzeitig auf eigenen Erwerb angewiesen. Nach verschiedenen vergeblichen Versuchen, sich einen sichern Lebensunterhalt zu beschaffen, erlernte er bereits 26 Jahre alt die Notenstecherei[824] und eröffnete im Oktober 1846 ohne Mittel, und nur von einem Lehrling unterstützt, eine Werkstatt für Notenstich und -Druck. Die erste Zeit seiner geschäftlichen Tätigkeit war unter solchen Verhältnissen mühevoll und sorgenschwer, vermochte jedoch das Vertrauen auf die seiner Persönlichkeit als hervorragende Eigenschaft innewohnende nie rastende Tatkraft nicht zu erschüttern; gar bald erwarb er sich durch die saubere und geschmackvolle Ausführung der ihm übertragenen Arbeiten einen kleinen Kundenkreis, den er trefflich sich zu erhalten verstand. Dank weiterer Anstrengungen dehnte sich in den nächsten Jahren die Kundschaft immer mehr aus, und der Bestand des Geschäftes war gesichert.
Der Ruf der Offizin breitete sich allmählich weit über die Grenzen Deutschlands aus, wozu das ausgezeichnete Geschick des Inhabers, durch eigene praktische Anleitung und Lehre tüchtige Arbeiter heranzubilden, wesentlich beitrug. Von allen Teilen des In- und Auslandes gingen immer zahlreichere Aufträge ein, so daß die gemieteten Räumlichkeiten der Offizin sich bald als zu klein erwiesen und von Jahr zu Jahr vergrößert Jahr vergrößert werden mußten.
Schon 1860 und 1861 hatte Röder, weil nicht weniger als 24 Notendruckhandpressen die immer mehr wachsende Arbeit nur schwer bewältigen konnten, Versuche gemacht, die von G. Sigl in Berlin und Wien gebauten Steindruck-Schnellpressen auch für den Notendruck einzurichten. Diese Versuche gelangen ihm endlich nach vielen Mühen.
1863 wurde die erste Notendruckschnellpresse in Gang gesetzt und damit zuerst die Möglichkeit geschaffen, die schnell zu allgemeiner Beliebtheit gelangenden, trotz ihrer bis dahin unerhörten Billigkeit doch durch Korrektheit und Eleganz ausgezeichneten musikalischen Klassiker-Ausgaben herzustellen. Der ersten Schnellpresse folgte 1864 die zweite und 1865, nachdem eine kleine Dampfmaschine angeschafft worden war, die dritte.
Am 1. März des Jahres 1863 nahm Röder seinen Schwiegersohn L. Hugo Wolff (geboren am 8. September 1835) in das Geschäft auf.
Nicht am wenigsten trug zu dem damaligen Aufblühen der Firma das Erscheinen der »Edition Peters« bei, die 1867 durch Herausgabe von Beethovens Sonaten (in 1 Groß-Oktav-Bande à 11/2 Taler) ihren ersten Erfolg erzielte, dem weitere mit vielen andern Ausgaben folgten, welche der inzwischen wesentlich verbesserte Schnellpressendruck erstehen ließ (vergl. [Artikel ⇒ Peters]).
1871 nahm der Geschäftsinhaber auch seinen zweiten Schwiegersohn Christian Erdmann Max Rentsch (geboren am 7. Dezember 1836) in das Geschäft auf.[825]
Gelegentlich der Feier des 25jährigen Bestehens der Offizin, welche Röder Anlaß zu humanitären Haushilfskassen gab, ernannte ihn König Johann zum Königlichen Kommerzienrat.
Im Mai 1874, nach fast dreißigjähriger segensreicher Tätigkeit, überließ Röder das Geschäft der selbständigen Führung seiner Schwiegersöhne. Er starb am 29. Oktober 1883 zu Gohlis bei Leipzig. Ein Schlaganfall setzte seinem an Mühe und Arbeit reichen Leben ein Ende.
Nach mehreren Umzügen aus kleineren in immer größere Geschäftsräume siedelte die Firma im Jahre 1874 nach dem Gerichtsweg in eigene Gebäude über und mußte auch hier ihr Areal bis auf den heutigen Tag mehr und mehr ausdehnen. Im Jahre 1881 wurde der Firma durch Uebernahme einer kleinen schon bestehenden Druckerei (Graichen & Riehl) eine Buchdruck-Abteilung einverleibt, die sich seither zu einer wichtigen Branche neben den übrigen Abteilungen ausgebildet hat. 1881 wurde ferner an Stelle der nicht mehr zureichenden 40pferdigen Dampfmaschine eine Zwillingsmaschine von 100 Pferdekräften aufgestellt, fünf Jahre später außerdem noch eine Zwillingsmaschine von 75 Pferdekräften lediglich zum Betriebe der elektrischen Anlage.
1889 trat der Schwiegersohn Wolffs, Carl Johannes Reichel (geb. 15. August 1853), in das Geschäft als Teilhaber ein. Am 19. Februar 1889 verstarb Rentsch infolge eines Herzschlages. Seine Erben traten als Kommanditisten dem Geschäft bei, und 1893 trat der älteste Sohn des Verstorbenen, Max Rentsch, als offener Gesellschafter in die Firma ein. Mit Anfang des Jahres 1894 aber schieden Rentsch's Erben sämtlich aus der Firma aus. 1896 wurde der bisherige Transmissionsantrieb der Maschinen umgewandelt in elektrischen Betrieb vermittels Motoren, und durch Hinzunahme der Lichtdruckabteilung im Jahre 1890 fügte die Firma einen neuen Zweig den schon vorhandenen Branchen zu. Die Entwickelung der Ansichtspostkarten-Industrie brachte dieser Abteilung einen ungeahnten Aufschwung.
In London wurde im Jahre 1900 eine Zweiganstalt unter der Firma C. G. Röder Ltd. gegründet, die jetzt schon gegen 180 Arbeiter und Beamte beschäftigt.
Das jetzige Geschäftslokal am Gerichtsweg hat einen Flächenraum von ca. 25100 qm. Ende 1907 betrug die Zahl der Arbeiter und Arbeiterinnen ca. 1100 Personen, und in Betrieb waren folgende Maschinen: 31 Rotationsmaschinen für Notendruck, 34 Flachdruckschnellpressen für Steindruck resp. Zinkdruck, 34 Buchdruckschnellpressen, 34 Lichtdruckschnellpressen und eine große Zahl Handpressen, Setzmaschinen, Schleifmaschinen, Papierschneidemaschinen, Falzmaschinen,[826] Heftmaschinen etc., die von 2 Dampfmaschinen mit 600 PS durch zwei große Dynamos angetrieben werden.
Im Jahre 1905 vollzog sich die Umwandlung der Firma in eine Gesellschaft mit beschr. Haftung, deren gegenwärtige Geschäftsführer die vorerwähnten Kommerzienrat L. H. Wolff und Carl Reichel sind.
Quellen: Erinnerungsblätter an die Feier des 50jährigen Bestehens der Firma C. G. R. 1896.