Ratdolt, Erhard

[792] Ratdolt, E. Erhard Ratdolt wird als Augsburgs berühmtester Frühdrucker bezeichnet. Er soll gelernter Armbrustschnitzer gewesen sein und entstammte einer Künstlerfamilie, welche sich durch Anfertigung plastischer Figuren aus Gips auszeichnete. Von 1469-73 erscheint Ratdolt nur mit seinem Namen in den Steuerlisten, 1474 aber als Buchbinder Erhard, dann als Drucker, von 1486-1528 sei es als Meister Erhard, sei es als Erhard Ratdolt. Er zahlte zu Anfang des 16. Jahrhunderts bereits 30 Gulden Einkommensteuer. Wahrscheinlich in der Absicht, sich künstlerisch weiter zu bilden, ging er nach Italien, wo er sich alsbald ausschließlich der in der Heimat erlernten schwarzen Kunst zuwandte und zu diesem Zweck sich in Venedig anfangs mit dem Augsburger Maler Bernhard, dann mit Peter Loslein von Langenzenn verband. Eins seiner schönsten hier gedruckten Werke ist der Appian[792] von 1477, welcher durch seine Vollendung selbst den Editio princeps Wendelins von Speyer den Rang streitig macht. Ratdolt lieferte in Venedig auf eigene Kosten, wie er sagt, eine Menge Prachtwerke, wie man sie bis dahin weder in Italien, noch in Deutschland gesehen hatte. Seine schon im Renaissancegeschmack ausgeführten Initialen und Titelblätter waren sowohl durch ihre Verzierungen als ihre Anordnung Kunstwerke ersten Ranges. Selbst unter den ersten Künstlern der stolzen Lagunenstadt nahm Ratdolt eine hervorragende Stellung ein und sein unerhörter Erfolg spricht zugleich für seine besondere Bedeutung. Die Augsburger Bischöfe drängten ihn lange vergebens zur Rückkehr in die Heimat. Erst 1486 folgte er dem Ruf des Bischofs Johann von Werdenberg zu Augsburg und kehrte nach Hause zurück. Hier gab er zuerst unter der Bezeichnung »Index characterum dinersarum manerierum impressioni paratarum« ein vom 1. April desselben Jahres datiertes, Missaltypen und mehrere andere kleinere, auch griechische Schriften zeigendes Blatt mit Proben seiner Schriften aus und druckte dann im Auftrage des Bischofs für die Augsburger Diözese eine Rituale.

Als Drucker der schwierigsten mathematischen Werke erwarb er sich den Namen eines Beschützers und Vaters der Mathematik. In der berühmten Ausgabe des Euclid von 1482 druckte er die Zueignung an den Doyen Moceniyo von Venedig sogar in Gold. Ebenso widmete sich Ratdolt auch dem Druck musikalischer Werke, wie er denn auch der Erfinder des Notendrucks mit beweglichen Typen ist. In Augsburg wurde er durch den Druck seiner unvergleichlich schönen Chorbücher so berühmt, daß ihm von weit und breit Aufträge von Stiftern und Klöstern zur Herstellung von Kirchenbüchern zuteil wurden, die er in brillantem Rot- und Schwarzdruck die 40 Jahre seiner Tätigkeit hindurch gleich ausgezeichnet durchführte. Als ein sehr vermögender Mann starb er im 85. Jahre seines Lebens im Jahre 1528. Sein Buchdruckersignet zeigt einen nackten Mann, der in der Rechten zwei Schlangen hält, die Scham durch einen roten Stern verdeckt.

Des Vaters Buchdruckerei hat noch eine zeitlang fortgeführt Georg Ratdolt, dann verschwindet das Geschäft vollständig.

Quellen: Kapp, Buchhandel I; Archiv für Gesch. d. dtschn. Buchhandels Bd. 5, 6, 9, 14.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 5. Berlin/Eberswalde 1908, S. 792-793.
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