Schwann, Christian Friedrich

[882] Schwann, C. F. Schillers Verleger, C. F. Schwan, wurde am 12. Dezember 1733 in Prenzlau geboren, wo sein Vater, Ananias Schwan, welcher aus Krossen eingewandert war, einen kleinen Buchhandel, verbunden mit Buchbinderei, betrieb. Seinen Unterricht empfing er auf dem Gymnasium seiner Vaterstadt, nach beendetem Besuch trat er als Zögling in das Waisenhaus zu Halle ein. Auf den Wunsch seines Vaters widmete er sich dem Studium der Theologie, und zur Vollendung desselben bezog er 1753 die Universität Jena. Die Theologie scheint aber seiner Neigung wenig entsprochen zu haben, denn, wenn er auch die Kanzel einige Male mit Erfolg betrat, so gab er doch diese Laufbahn bald auf und begann eine zwölfjährige fast abenteuerlich zu nennende Wanderperiode, während welcher er seinen geistigen Weitblick schärfte und reiche Lebenserfahrungen sammelte.

Die damaligen kriegerischen Verhältnisse zwangen ihn, einen Aufenthaltsort zu wählen, wo er den preußischen Werbern nicht in die Hände zu fallen fürchten mußte, und er aus diesem Grunde auch eine ihm angebotene Hofmeisterstelle in Neunburg nicht vor dem Jahre 1756 annehmen, während welcher Zeit er sich in Hamburg aufhielt und dort schriftstellerisch tätig war.

1756 wurde ihm von Kopenhagen Hoffnung auf eine Anstellung gemacht. Da er sich durch persönliche Anwesenheit die Stelle sichern zu können glaubte, so reiste er dorthin, fand sich aber in seiner Hoffnung getäuscht. Er machte sich nun nach Petersburg auf. Auf der Reise dorthin lernte Schwan den Sekretär Witte aus Mecklenburg kennen. Diesem vertraute sich Schwan an und erhielt dessen Reisepaß, mit dem er später ungehindert nach Rußland gelangte.[882]

In Petersburg glückte es ihm, eine Ausstellung an der Akademie als Korrektor zu erhalten, in welcher Stellung er einige Jahre verblieb. Der Tod der Kaiserin Elisabeth war auch für Schwan bedeutungsvoll. Kaum hatte die Herrscherin aller Reußen die Augen für immer geschlossen, so hatte ihr Nachfolger, Peter III., in richtiger Erkenntnis der überlegener preußischen Politik und vorzüglichen taktischen Ausbildung der preußischen Truppen nichts Eiligeres zu tun, als mit dem großen Friedrich Frieden zu schließen, wie er denn überhaupt ein blinder Verehrer Friedrichs war. Schon als Großfürst-Thronfolger bewies er dadurch seine Vorliebe für das preußische Militärwesen, daß er sein holsteinisches Dragoner-Regiment vollständig nach preußischem Muster einübte, und er ernannte dieses Regiment unter dem Oberbefehl seines Oheims, des Prinzen Georg Ludwig von Holstein-Gottorp zu seinem Leibregiment, als ihn der Elisabeths auf den Thron berief.

Bei dieser Gelegenheit bewarb sich Schwan um die Stelle eines Auditeurs bei dem genannten Regimente und war so glücklich, sie zu erhalten. Es gelang ihm, die Gunst des Prinzen Georg Ludwig zu erlangen, der ihm. als das Regiment nach dem gewaltsamen Tode Peters III. aufgelöst wurde, mit Empfehlungen nach Holstein versah. Nachdem er sich in Holstein vergeblich nach einer Anstellung umgesehen hatte, trat er noch einmal als Auditeur bei einem preußischen Regimente ein, bis der Friede von Hubertusburg, der bald darauf erfolgte, auch dieser Stellung ein Ende machte.

Er wandte sich nun nach dem Haag, wo er mit dem Buche: Anecdotes russes ou lettres d'un officier allemand, an die Oeffentlichkeit trat. Von dem Aufsehen, das es erregte, liefern verschiedene Nachdrucke den besten Beweis; der Verfasser aber wurde gezwungen, von neuem den Wanderstab zu ergreifen. Wir finden ihn kurz darauf in Frankfurt wieder.

Seine dortige schriftstellerische Tätigkeit, deren Mittelpunkt die Herausgabe der Zeitschrift »Der Unsichtbare« war, brachte ihn in nähere Beziehung zu seinem Verleger Eßlinger, und nach kaum einhalbjähriger Anwesenheit in Frankfurt hatte er das Vertrauen desselben in dem Maße erworben, daß er Schwan seine Tochter zur Frau gab und ihm zugleich die Filiale der Eßlingerschen Buchhandlung in Mannheim übertrug.

Schwans Laden, der sich in der Mitte der Stadt befand, war der Versammlungspunkt vieler hervorragender Persönlichkeiten, die Interesse an neuen Erscheinungen hatten; hier wurden literarische Ereignisse besprochen und ein gegenseitiges Geben und Empfangen gestaltete den Verkehr zu einem recht lebhaften. Von hier ging die erste Anregung zu jener Vereinigung von Männern aus, die[883] später unter dem Namen »Churfürstlich deutsche Gesellschaft« unter dem Protektorate des Kurfürsten Karl Theodor sich einen bedeutenden Ruf verschaffte und die sich kein geringeres Ziel auserwählt hatte, als unsere Muttersprache, die zu einem Chaos aller möglichen Sprachen herabgesunken war, zu reinigen und ihr die ihr gebührende Stellung wieder zu verschaffen.

Diese Bestrebungen mochten auch wohl Schwan veranlassen, seine schriftstellerische Tätigkeit fortzusetzen. In den Jahren bis 1770 gab er die beiden Zeitschriften »Der Unsichtbare« und »Neue Auszüge aus den wichtigsten Zeitschriften des In- und Auslandes« heraus; daneben entstand eine Anzahl kleiner Sing- und Lustspiele, die zum Aufführen auf einem kleinen Liebhabertheater bestimmt waren und teils eigene Arbeiten, teils Uebersetzungen aus dem Französischen waren. Trotz aller dieser arbeiten fand er noch Zeit, die Vorbereitungen zu einem großen Wörterbuch der französischen Sprache zu treffen, dessen Vollendung erst die ruhigeren Tage seines Lebensabends erleben sollten und das als die beste Erscheinung auf diesem Gebiete von allen Zeitgenossen anerkannt wurde.

Der kleine Kreis und Schwan genoß in der damaligen gelehrten Welt eines bedeutenden Rufes, und jeder fremde Gelehrte oder Künstler, der sich kürzere oder längere Zeit in Mannheim aufhielt, suchte sich Zutritt zu verschaffen. Unter vielen anderen war auch Goethe, dessen bekanntesten Schwan schon bei seinem Aufenthalte in Frankfurt gemacht hatte, zu wiederholen Malen bei solchen Versammlungen zugegen, und diese Abende waren dann wohl die glanzvollsten, denn Goethe entzückte alle Anwesenden durch seine Schönheit und Liebenswürdigkeit. Auch von der Hand Lessings besitzen wir aus dem Jahr 1778 einen Brief, in dem er Schwan für die liebreiche Aufnahme in seinem Hause dankt.

Um diese Zeit hatte sich auf der Solitude bei Stuttgart das Dichtergenie Friedrich Schillers ausgebildet, das seiner Unzufriedenheit mit den Verhältnissen in den Räubern Luft machte. Kein Stuttgarter Buchhändler wagte diese Dichtung in Verlag zu nehmen, und Schiller war gezwungen, das erste Kind seiner Muse mit geliehenem Gelde auf seine eigene Gefahr drucken zu lassen. Von den Vorgängen in Mannheim mochte wohl auch Kunde nach der Solitude gelangt sein, namentlich mag Schiller die Nachrichten von Schwans Wirken mit Interesse entgegengenommen haben. Erblickte er doch darin einen neuen Hoffnungsstern! Er übersandte Schwan die ersten sieben Bogen seiner Dichtung und bat ihn, für dieselbe in seinem Kreise zu wirken. In welcher Weise Schwan denn Wunsche Schillers nachkam, geht aus einem Briefe Schwans an Schiller hervor.[884]

»Bei meiner Freundschaft,« so schreibt Schwan, »denke ich nie an den Kaufmann. Ich liebe und ehre den Mann und die Sache um des Mannes und der Sache willen, ohne die mindeste Absicht auf Interesse. Dies ist nun auch der Fall zwischen uns beiden. Hören Sie deshalb, was ich Ihnen als Freund rathe: Ohne sich gleich die Hände zu binden, lassen Sie sich einmal Vorschläge von dem Herrn Dalberg machen. Sie können ihm dabei nicht undeutlich zu verstehen geben, wie Sie gegen mich gesinnt sind. Vielleicht macht man Ihnen Vorteile, die ich Ihnen nicht machen könnte, und dann würde ich Ihnen selbst raten, dort zu entriren. Nur lassen Sie sich mit niemand anders ein, wer es auch sei, als unmittelbar mit dem Herrn von Dalberg selbst. Er ist ein rechtschaffener, braver Herr, um den es mir leid tut, daß er sich mit gewissen Leuten eingelassen hat, von denen, wenn aus zwei Uebeln eins gewählt werden muß, ich lieber wünsche, daß sie meine Feinde, als daß sie meine Freunde seien; wenigstens hätte ich von den letzteren weniger Ehre. Ich war der erste, der den Herrn von Dalberg mit den Räubern bekannt machte. Voller Enthusiasmus lief ich gleich zu ihm, als ich von Ihnen die ersten sieben Bogen erhielt, und las sie ihm brühwarm vor, und es reut mich nicht, Sie mit diesem Manne bekannt gemacht zu haben, der ebenso viel durch seine eigenen Verdienste als durch seinen Stand der pfälzischen Literatur Ehre macht, und den ich ebenso hochschätze, als er mich, von üblen Ratgebern geleitet, seit einiger Zeit verkennt. Ohne ihn würde unser hiesiges Theater schon längst nicht mehr sein was es ist, und da er reich genug ist, um aus Liebe zur Kunst einigen Verlust von seinen eigenen Mitteln nicht zu achten, so wird er auch den Schaden, den er am Ende bei dem ihm zum Nutzen der Theaterkasse von dem Herrn Professor Klein vorgeschlagenen Verlag der für die hiesige Bühne bearbeiteten Schauspiele sicher leiden muß, leicht verschmerzen. Doch das geht Sie, mein Freund, nichts an; wenn Sie gut und richtig bezahlt werden, woran Sie, wenn Sie mit dem Herrn von Dalberg selbst zu thun haben, nicht zweifeln werden, so bekümmert Sie das Uebrige wenig......«

Die Räuber gelangten auf der Mannheimer Bühne zur Darstellung; Schiller selbst entledigte sich seiner Fesseln und widmete sich ganz der Muse zunächst in Mannheim oder doch in dessen Nähe. Während seines ganzen dortigen Aufenthaltes verkehrte er mit Schwan so freundschaftlich, und Schwan nahm sich seiner so liebreich an, daß sich Schillers Vater in einem Briefe an Schwan hierfür ganz besonders bedankte.

Seit dem Weggange Schillers begann Mannheim merklich von seiner Höhe herabzusteigen. Nachdem der kurfürstliche Hof nach München verlegt war, fehlte der geistige Mittelpunkt, und so war[885] es nur zu erklärlich, daß sich Künstler wie Gelehrte eine neue Heimat suchten. Auch Schwan fühlte wohl jetzt das Bedürfnis nach Ruhe; wenigstens zog er sich mehr und mehr vom öffentlichen Leben zurück und widmete sich ganz seinen literarischen Arbeiten.

Zunächst ließ er sich die Vollendung seines Wörterbuches der französischen Sprache angelegen sein, von dem der ersten Teil im Jahre 1783 erschien und dort im Jahre 1793 vollendet vorlag. Es war ein großes Unternehmen, fast zu groß für ihn; aber auf je mehr Schwierigkeiten er stieß, desto mehr wuchs seine Ausdauer und Liebe zu der schwierigen Arbeit.

1779-81 beschäftigte er sich mit der Herausgabe der »Abbildungen aller geistlichen und weltlichen Orden nebst einer kurzen Geschichte derselben«, sechsundvierzig Hefte, durch welches Werk er sich auch um die Kostümgeschichte ein hervorragendes Verdienst erwarb. Nach dieser Zeit aber beschränkte er seine publizistische Tätigkeit auf eine neue Bearbeitung seines französischen Wörterbuches und die Herausgabe eines Auszuges aus demselben, der im Jahre 1800 erschien.

Bis 1797 hatte Schwan seinen Wohnsitz in Mannheim; von da ab hielt er sich zuerst in Stuttgart und später in Heidelberg auf wo er am 19. Juni 1815 im Alter von fast 82 Jahren starb.

Quellen: Schwan, Kurze Nachricht von meinem Leben (nicht vollendet); Börsenblatt f. d. deutsch. Buchhandel (Kellner); desgl. 1904 05 (J. G. Eckardt).

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 5. Berlin/Eberswalde 1908, S. 882-886.
Lizenz:
Faksimiles:
882 | 883 | 884 | 885 | 886

Buchempfehlung

Hume, David

Untersuchung in Betreff des menschlichen Verstandes

Untersuchung in Betreff des menschlichen Verstandes

Hume hielt diesen Text für die einzig adäquate Darstellung seiner theoretischen Philosophie.

122 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon