[886] Schwann, L. Leonhard Schwann war seines Zeichens ein Goldschmied. Erst in seinem 43. Lebensjahr, als seine kinderreiche Familie ihn nötigte, sich nach einem zweiten Erwerbszweige umzusehen, wandte er sich der Buchdruckerkunst zu. Durch Empfehlung eines Oheims wurde er durch den Kanonikus in Kevelaer, der die schwarze Kunst als Dilettant betrieb, in die Geheimnisse des Setzens und Druckens eingeweiht. Am 31. 3. 1821 trat Schwann die Reise an, ein Tag wurde zur Hinreise, ein Tag zur Rückreise gebraucht, und da der Lehrling am 2. April abends schon wieder in Neuß eintraf, so hatte die ganze Lehrzeit nur diesen einzigen Tag gedauert. Schwann hatte sich die Handgriffe beim Setzen und Drucken zeigen lassen und von der Handpresse eine genaue Zeichnung mit Maßen mitgebracht, auf Grund deren er nun selbst eine Presse bauen wollte. Schon am 22. Juli war alles soweit gefördert, daß die Konzession einer Buchdruckerei bei der Kgl. Regierung nachgesucht werden konnte. Im November 1821 begann die L. Schwannsche Druckerei, deren ganze Einrichtung einschließlich der Kevelaerer Reise 218 Reichstaler 39 Stüber gekostet hatte, ihre Tätigkeit. Die ersten Erzeugnisse waren naturgemäß sehr bescheidener Art; die Ausführung[886] einer Tabelle für einen Steuerempfänger, der erste Schritt zu dem später so bedeutenden Formulargeschäft, machte viel Kopfzerbrechen. An Personal waren außer dem Gründer nur die ältesten Kinder und der Oheim, ein Geistlicher, vorhanden, welch letzterer eifrig mitsetzte und auch als Verfasser eines kleinen Gebetbüchleins der erste Autor der Firma wurde.
Das Geschäft dehnte sich, wenn auch in bescheidenem Maße, aus und Leonard Schwann, mit scharfem Blicke die Entwickelungsfähigkeit desselben erkennend, bestimmte, daß sein vierter Sohn, Franz, für die Buchhandlung und Druckerei ausgebildet werde, um in demselben später Stütze und Nachfolger zu haben.
Franz Schwann wurde zu Neuß am Rhein am 1. August 1815 geboren. Nachdem er einige Jahre die Volksschule seiner Vaterstadt besucht, trat er in das Progymnasium ein, war aber auch schon damals in Vorbereitung auf seinen späteren Beruf in seinen Nebenstunden in der von seinem Vater im Jahre 1821 gegründeten Buchdruckerei tätig. Ja, um sich auch in der damals im Aufblühen begriffenen Steindruckerei auszubilden, wanderte er in den schulfreien Nachmittagen nach dem benachbarten Düsseldorf und erhielt in der lithographischen Anstalt von Arnz & Cie. die erste Unterweisung in der Kunst Senefelders. Nachdem Franz Schwann alle Klassen des Progymnasiums mit Glanz durchlaufen hatte, trat er in Köln in die Sortimentsbuchhandlung von Renard & Dubyen als Lehrling ein, wo er sich in kurzer Zeit mit dem Sortimentbuchhandel vertraut machte. Von dort kehrte er nach Neuß in das väterliche Geschäft zurück, um diesem von nun an bis zu seinem Tode seine ganze Kraft zu widmen.
Schwann wandte sich nun, um für die Druckerei genügend Beschäftigung zu haben, der Ausdehnung des Formulargeschäfts zu. Der Verlag entwickelte sich nach zwei Hauptrichtungen, katholische Literatur und Schulbücher. Für den Verlag der Schulbücher war die Verbindung mit dem Schullehrerseminar in Kempen von großen Bedeutung. Die Büschersche Fibel, welche es auf 100 Auflagen brachte, die Lesebücher desselben Verfassers, die Rechenbücher von Kentenich u.s.w. fanden größte Verbreitung.
Franz Schwann hatte nach dem 1867 erfolgten Tode des Geschäftsgründers das umfangreiche Geschäft für eigene Rechnung übernommen.
Die große Ausdehnung des Verlags mit all den Arbeiten, Korrespondenzen, Reisen u.s.w.; welche dieselbe im Gefolge hatte und welche von Franz Schwann sämtlich persönlich besorgt wurden, hinderte ihn nicht, auch der Druckerei seine Aufmerksamkeit zu widmen[887] und sich hier keineswegs mit der Herstellung der Drucksachen, so schlecht und recht, zufrieden zu geben. Vielmehr ging auch hier sein Streben dahin, in Accidenzen und in Ausstattung der von ihm verlegten Werke nach Form und Material Mustergiltiges zu bieten. In den illustrierten Werken, wie Rheinlands Baudenkmale usw., wurde auf den Druck der Holzschnitte die äußerste Sorgfalt verwandt. Im Farbendruck, der von ihm unter großen Opfern an Zeit und Arbeit gepflegt wurde, leistete die Schwann'sche Druckerei bald so Hervorragendes, das häufig aus den bedeutendsten Centren des deutschen Buchhandels, aus Leipzig, Berlin etc., sogar aus Paris, Druckaufträge für feinere Farbendrucksachen nach dem entlegenen Neuß kamen. Die Wiener Ausstellung 1873 und die Düsseldorfer im Jahre 1880 erkannten die Leistungsfähigkeit der L. Schwannschen Druckerei durch Verleihung hoher Auszeichnungen an, wie auch die kunstsinnige Kaiserin Augusta Franz Schwann das Prädikat eines Königlichen Hofbuchhändlers verlieh.
Als die Falk'sche Aera einen Teil der im L. Schwannschen Verlage erschienenen Schulbücher aus den Schulen entfernte, wurde in einem neuen Zweige der Literatur, dem juristischen, dafür Ersatz gesucht und gefunden. Die großen Grotefendschen Gesetzsammlungen, preußische, deutsche, hannoversche etc., nebst einer ganzen Reihe von Einzelausgaben von Gesetzen mit Kommentar traten in die Lücke, ohne daß es darum versäumt wurde, das verlorene Terrain im Schulbücherverlage wiederzugewinnen.
Mittlerweile war das L. Schwann'sche Geschäft auf einem Punkte angelangt, wo es, sollte seine natürliche Weiterentwickelung nicht Schaden leiden, absolut notwendig wurde, dasselbe nach einer größeren Stadt zu verlegen. Dies geschah 1878 durch den Umzug nach Düsseldorf. Die Sortimentsbuchhandlung in Neuß wurde an J. von Haag verkauft, und nur der älteste Verlagsartikel, die im Jahre 1826 gegründete Neußer Zeitung, mit Zeitungsdruckerei dort belassen.
Das Wiederaufleben der älteren strengeren Richtung in der katholischen Kirchenmusik gab Schwann Veranlassung, seinen Verlag auch auf dieses Gebiet auszudehnen, sowie den Verlag des »Gregoriusblattes« und des »Gregoriusboten« zu übernehmen. Nebenher gingen Verhandlungen zur Uebernahme einer neuen »Zeitschrift für christliche Kunst«, die gleichfalls zum Ziele führten. Jahrelang beschäftigte er sich mit einer reich illustrierten Prachtausgabe des Thomas von Kempen. Das Erscheinen des ersten Heftes der »Zeitschrift für christliche Kunst« sollte er jedoch nicht mehr erleben. Franz Schwann starb bereits am 5. 5. 1888. Das Geschäft wurde von[888] seinem Neffen Theodor und Peter Francken fortgeführt.
Als Spezialität pflegt der Verlag außer der Unterrichtsliteratur Jurisprudenz und Kunstwissenschaft, mit besonderer Vorliebe die Kirchenmusik. Den Anfang dieser Entwickelung bildete der Ankauf der ersten Werke P. Piels aus dem Verlage von P. J. Tonger in Köln. Bald traten die hervorragendsten Kapazitäten auf diesem Gebiete in den Kreis des Verlages und im Jahre 1894 gab der Ankauf des Jos. Seilingschen Kirchenmusikverlages in Münster dieser Verlagsabteilung die notwendige Abrundung.
Aus dem Gebiete der Geschichte und Kunstwissenschaft seien folgende Namen genannt: Stadtarchivar Ennen, Kanonikus Bock, Paul Clemen, Firmenich-Richartz, Joh. Jak. Merlo u. a.
Die Jurisprudenz zeigt neben dem schon genannten Namen Grotefends, diejenigen von Rudorff, Schoeller, Wendt u. a.; auch die Schwann'schen Handausgaben preußischer und deutscher Gesetze seien hier erwähnt.
Quellen: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 1888; Hoefler, Festschrift zum 50-jährigen Jubiläum v. Bernh. Hermann, Leipzig 1889; Verlagskataloge 1847, 1859, 1876, 1894, 1898.
Buchempfehlung
Der junge Naturforscher Heinrich stößt beim Sammeln von Steinen und Pflanzen auf eine verlassene Burg, die in der Gegend als Narrenburg bekannt ist, weil das zuletzt dort ansässige Geschlecht derer von Scharnast sich im Zank getrennt und die Burg aufgegeben hat. Heinrich verliebt sich in Anna, die Tochter seines Wirtes und findet Gefallen an der Gegend.
82 Seiten, 6.80 Euro