[891] Seemann, E. A. Ernst Elert Arthur Heinrich Seemann war der Sohn des Gerichtsrates Justus Seemann in Herford. Geboren am 9. 3. 1829, arbeitete er im Laufe seiner buchhändlerischen Wanderjahre in Bielefeld, Leipzig, Berlin und Altenburg. Am 1. 12. 1858 eröffnete er in Essen a. Ruhr unter der Firma E. A. Seemann eine Verlags- und Sortimentsbuchhandlung. Unter den Verlagsartikeln mit denen er begann, befanden sich bekannte bedeutende Werke, u. a. Gesenius' hebräische Grammatik, Gesenius' hebräisches Lesebuch, Tiedge's Urania, Lübke's Geschichte der Architektur und Lübke's Vorschule zur Kirchenbaukunst. Im Beginn des Jahres 1861 übergab er das Sortiment an Julius Deiter aus Halberstadt (seit August 1900 im Besitz von Victor Wernaer). Mit dem Verlagsgeschäft siedelte er im August desselben Jahres nach Leipzig über, wo sich ihm ein reiches Feld verlegerischen Schaffens erschloß. 1865 erfolgte die Gründung der »Zeitschrift für bildende Kunst«, und seitdem hielt Seemann die Pflege der Kunst, der Kunstgeschichte und des Kunstgewerbes als Leitstern seines Verlages fest im Auge. 1868 erwarb er dazu die im Schweighauserschen Verlage in Basel erschienenen bedeutenden Werke des Kunstgelehrten Jakob Burckhardt.
Seit 1885 half dem überlasteten Vater als Teilhaber des Geschäfts sein Sohn und Nachfolger Artur Seemann die Bürde der Arbeit tragen. Zu Weihnachten 1898 schied Ernst Seemann aus dem Geschäfte aus und zog sich nach seinem Landhaus zu Großbothen an der Mulde zurück, wo er am 5. 10. 1904 verstarb.
Ungeachtet der beständigen Anspannung seiner Kräfte durch das wachsende eigene Geschäft hat sich Seemann stets bereitwillig in den Dienst der öffentlichen Angelegenheiten gestellt und hat mit diesem Wirken insbesondere dem Beruf dankenswerteste Förderung gebracht. Wie er schon 1863 durch sein lehrreiches Buch »Fingerzeige[891] zur Abschätzung von Sortiments- (Antiquariats-) und Verlagsgeschäften« und durch die Eröffnung einer »Agentur zur Vermittelung von An- und Verkäufen buchhändlerischer Etablissements« sich in den Dienst der Oeffentlichkeit gestellt hat, so hat er auch in Ehrenämtern des Vereins der Buchhändler zu Leipzig, insbesondere aber des Börsenvereins ein großes Maß von Arbeit und persönlicher Aufopferung geleistet. Dem Vorstand des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler hat er von 1883 bis 1884 als zweiter, und von 1884 bis 1889 als erster Schatzmeister angehört, in besonders arbeitsreichen und sorgenerfüllten Jahren, in denen es galt, den großen Bau des Deutschen Buchhandlerhauses in die Wege zu leiten und sein Fortschreiten zu beaufsichtigen. Ernst Seemann hat sich dieser Aufgabe mit voller Hingebung gewidmet. 1890 war er im außerordentlichen Ausschuß zur Ausarbeitung einer Verlagsordnung tätig, von 1893 bis 1896 im Außerordentlichen Ausschuß zur Revision der Gesetze über das Urheberrecht. 1887, noch während seines Amtes als erster Schatzmeister, wirkte er gleichzeitig auch im Außerordentlichen Ausschuß zur Revision der Satzungen des Börsenvereins, deren Entwurf in der Frankfurter Hauptversammlung einen entscheidenden Sieg errang.
Ernst Seemann war ein Mann von unvergleichlicher Arbeitslust und Arbeitskraft. Immer voller Pläne, die er vorsichtig reifen ließ, immer arbeitend, wägend, wagend und geistig aufs äußerste angestrengt, machte sein Auftreten doch den Eindruck vollkommenster, heiterer Ruhe. Große Lebenserfahrung, Klarheit des Urteils und niemals ihn verlassende Besonnenheit befähigten ihn zu diesem außerordentlichen Maß beständiger Tätigkeit, die ihn die verschiedenartigsten Dinge gleichzeitig erwägen, leiten und erledigen ließ. Im persönlichen Verkehr zeichnete ihn Offenheit und große Liebenswürdigkeit aus.
Seit 1899 gehört dem Verlag als zweiter Teilhaber Gustav Kirstein an. Auf den umfangreichen Verlag möge hier noch kurz eingegangen werden, denn einige der Seemann'schen Unternehmungen sind so sehr sein eigenes Werk, daß sie wie wichtige Charakterzüge zu seinem Bilde gehören. Vor allem sind zu nennen die Deutsche Renaissance, Dohmes Kunst u. Künstler und die Kunsthistorischen Bilderbogen. Eine der glücklichsten Ideen hatte Seemann, als er Anton Springer bat, ihm einen Leitfaden zu dieser losen Bilderfolge zu schreiben. Daraus ist nach und nach das bekannte »Handbuch der Kunstgeschichte«, der Stolz des Hauses, erwachsen. Seit 1871 erscheint pünktlich zur Weihnachtszeit Seemanns[892] Literarischer Jahresbericht, an dem sich der Verleger viele Jahre lang eifrig als Kritiker beteiligte.
Quellen: G. K., Ernst Seemann, Leipzig 1904; Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 1904.