Volckmar, Friedrich

[1000] Volckmar, F. Ludolph Franz Friedrich Volckmar wurde am 7. Juli 1799 zu Soest geboren. Nach beendigter Schulzeit kam er zu seinem Vetter, dem Materialwarenhändler Brockhaus in Dortmund in die Lehre, um hier zum Kaufmann ausgebildet zu werden. Hier wurde er mit dem Bruder seines Lehrherrn, dem Verlagsbuchhändler F. A. Brockhaus, bekannt, der die in dem jungen Kommis schlummernden Fähigkeiten richtig erkannte und würdigte, und ihm deshalb auch eine Stelle in seinem Leipziger Verlagsgeschäfte antrug. Volckmar nahm das Anerbieten freudig an und verblieb bis zu seiner Selbständigkeit im Brockhausschen Geschäfte.

Nachdem Volckmar kaum ein halbes Jahr bei der Firma Brockhaus tätig gewesen war, wurde er von seinem Vetter zu einem Unternehmen benutzt, das die Gründung der Firma Friedrich Volckmar & Co. zur Folge hatte. Brockhaus hatte nämlich zu jener Zeit schwere Kämpfe mit der preußischen Regierung zu bestehen, die für seinen gesamten neuen Verlag eine nochmalige Zensur in Berlin angeordnet hatte. Um dieser Störung im Betrieb aus dem Wege zu gehen, wurde die neue Verlagsfirma gegründet, unter deren Namen allerdings nur drei Verlagswerke verausgabt wurden, weil die preußische Regierung sehr bald die Zensur auch auf die Verlagsartikel der neuen Firma ausdehnte.

Am 1. Februar 1829 übernahm Volckmar in Gemeinschaft mit seinem Freunde Fr. Gustav Schaarschmidt das Sortiments- und Kommissionsgeschäft C. H. F. Hartmann in Leipzig (vergl. [Artikel Klinkhardt]). Die Firma wurde als Hartmannsche Buchhandlung, später unter dem Namen Schaarschmidt & Volckmar weitergeführt. 1833[1000] wurde das Gesellschaftsverhältnis indessen gelöst und Volckmar übernahm Verlag und Kommissionsgeschäft auf eigene Rechnung. Obschon Volckmar von Anfang an die Ausdehnung seines Kommissionsgeschäftes sich zum Ziel gesetzt hatte, so ließ er doch die günstige Gelegenheit nicht vorübergehen, die sich ihm 1835 durch den Erwerb der Rengerschen Buchhandlung in Halle bot; er erwarb dieses Geschäft, das bis 1845 in seinem Besitze verblieb.

Inzwischen entwickelte sich das Kommissionsgeschäft langsam aber stetig zu dem grundlegenden Teile der Firma, dem diese hauptsächlich ihr Ansehen im gesamten Buchhandel zu verdanken hat, und auf dem sich alle andern Betriebe des heutigen Geschäfts nach und nach aufgebaut haben. Im Jahre 1839 vertrat F. Volckmar 52 auswärtige Firmen, beim Ausscheiden des Begründers im Jahre 1859: 123, 1870: 234, 1880, nach Aufnahme des Kommissionsgeschäftes von J. G. Mittler, 397, 1901, nach Verschmelzung mit den Firmen T. O. Weigel, Justus Naumann und der Reinschen Buchhandlung 720, und heute etwa 900, also in nur 4 Jahren fast 200 Kommittenten Zuwachs, ohne daß Käufe fremder Geschäfte stattgefunden haben.

Fr. Volckmar hatte das sich anfänglich gesteckte Ziel erreicht und aus eigener Tüchtigkeit bis zu seinem Ausscheiden aus der Firma, im Jahre 1859, ein großes Kommissionshaus geschaffen, das sich der Hochachtung des ganzen Buchhandels erfreute und dessen Bau so solid gefügt war, daß der Begründer die Weitergestaltung ruhig jüngeren Händen überlassen konnte. Bereits seit 1843 gehörte Volckmars Neffe, Carl Voerster (gest. 3. Juni 1899), dem Geschäfte an, in das er ursprünglich als Lehrling und 1854 als Teilhaber eingetreten war. Eine weitere Stütze fand Volckmar in seinem am 26. August 1835 geborenen Sohne Otto Friedrich Volckmar, der sich ebenfalls dem Buchhandel widmete. O. F. Volckmar hatte nach Besuch der Leipziger Handelsschule in der Aschenfeldschen Buchhandlung in Lübeck den Buchhandel erlernt und war nach einem längern Aufenthalte in Wien nach Leipzig zurückgekehrt. Diesem, seinem Sohn und seinem Schwiegersohn übergab Volckmar sen. am 1. Mai 1858 das Kommissionsgeschäft. –

Im Jahre 1850 hatte Volckmar sen. in Gemeinschaft mit Anton Vogel, Mitinhaber der Firma J. G. Mittler in Leipzig, den Verlag von C. F. Amelang in Berlin erworben. Der Amelangsche Verlag, den die beiden neuen Besitzer für 22000 Taler erstanden hatten, war 1806 in Berlin gegründet worden. Amelang war gelernter Buchdrucker. Eine reiche Heirat gab ihm die Mittel,[1001] eine Buchhandlung zu begründen und er wurde in seinem Unternehmen vom Glück begünstigt. Den Hauptbestandteil des Verlages bildeten etwa 70 Kinderschriften, die, mit etwas hausbackenen Kupfern ausgestattet, sich immerhin von damals üblichen Jugendbüchern doch vorteilhaft auszeichneten, da sie insbesondere damals sehr beliebte und hervorragende Jugendschriftsteller zu Verfassern hatten. Daneben bestand der Verlag aus einer großen Reihe gewerblicher Schriften, mehreren Sprachlehrbüchern, ferner aus dem bekannten Wredowschen Gartenfreund, den Andachtsbüchern von Spieker und vor allem aus Scheiblers Kochbuch, dessen erste Auflage 1815 zur Ausgabe gelangte. Die Sortimentsabteilung seiner Handlung hatte Amelang bereits 1841 an Rudolf Gärtner abgetreten.

Die neuen Besitzer stießen zunächst den Jugendschriftenverlag ab, den sie für 4500 Taler an A. Bagel in Wesel verkauften. Die technologischen Verlagswerke wurden im Ladenpreise bedeutend herabgesetzt und so binnen wenigen Jahren ausverkauft. 1853 verkaufte Vogel seinen Anteil an Volckmar, so daß nun dieser Alleinbesitzer war. Mit dem 1853 neu aufgelegten noch heute rühmlichst bekannten und geschätzten »Album für Deutschlands Töchter« begann das erste Produkt der neuen Verlagsrichtung sich einzuführen. 1854 nahm Volckmar auch für den Amelangschen Verlag seinen Neffen, Carl Voerster als Teilhaber auf, womit gleichzeitig der Verlag einen neuen Aufschwung nahm. Von 1859 – nachdem sich inzwischen Volckmar sen. vom Kommissionsgeschäfte frei gemacht hatte – ab erschienen die durch Volckmar angeregten, ausgewählten und nach seiner Idee bearbeiteten »Dichtergrüße« der Frau Elise Polko in Minden. Es war in der Tat Volckmars Arbeit und die damals beliebte Schriftstellerin gab eigentlich nicht viel mehr als den Namen zu diesem Verlagswerk her. Der großartige Erfolg des Werkes veranlaßte Volckmar zur Verwirklichung des Plans, der Damenwelt ein Widmungsbuch zu schenken, das 1861 unter dem Titel »Unsere Pilgerfahrt von der Kinderstube bis zum eigenen Herd«, wiederum von Elise Polko herausgegeben, erschien.

Dem Verlage wurde weiter eine pädagogische Abteilung angegliedert. Es erschienen damals die Lesebücher des Soester Schuldirektors W. Fix, der »Westfälische Kinderfreund« u.a. 1873 übernahm Volckmar von Haude und Spener in Berlin die Archenholtzsche Geschichte des 7jährigen Krieges, in der Absicht, eine illustrierte Ausgabe davon zu veranstalten. Ferner erschienen 1869 die beliebten Frauenbücher von S. J. Milde (Pseudonym für Fräulein[1002] Similde Gerhard in Leipzig). 1874 wurden mehrere Werke aus dem Verlage von R. Lesser in Berlin erworben, und 1875 aus dem Verlage von Carl Fromme in Wien das bald durch Volckmars neue Ausstattung so beliebt gewordene »Souvenir«. Julius Sturm ließ 1866 im Amelangschen Verlage seine »Hausandacht« erscheinen, welchem Werke später die von Paul Thumann so reizend illustrierte Ausgabe des »Immergrün« folgte. Später erwarb der Amelangsche Verlag von O. Wigand in Preußburg Adalbert Stifters Werke, dem die Werke von Martin Greif, Wilhelm Jensen u.v.a. folgten.

1872 erwarb die Firma Volckmar einen Anteil an der Piererschen Hofbuchdruckerei in Altenburg, in der von nun ab die Verlagswerke gedruckt wurden. Der »alte Volckmar« – so nannte man den Geschäftsgründer im ganzen Buchhandel – hatte sich inzwischen nach einem arbeitsreichen Leben zur Ruhe gesetzt. Er starb am 7. März 1876 – mit ihm verlor der Buchhandel einen seiner besten und hervorragendsten Vertreter. –

Die jetzigen Inhaber der Firma F. Volckmar sind Alfred Voerster (seit 1. Januar 1884), Johannes Ziegler (seit 1. Januar 1893) und Hans Volckmar (seit 1. Juni 1900).

Carl Voerster hatte schon 1847 die Schöpfung eines neuen Geschäftszweiges, des Barsortiments, angebahnt, indem er eine Anzahl gangbarer Werke in größeren oder kleineren Partien binden ließ und für den Bedarf der Sortimentsbuchhändler vorrätig hielt. Die Pflege des Barsortiments, das im Jahre 1861 mit einem von Louis Zander begründeten Unternehmen ähnlicher Art verschmolzen wurde, ließ man sich nun besonders angelegen sein. Welchen Aufschwung dieser Geschäftszweig nahm und wie er die Entwicklung des modernen Buchhandels beeinflußt hat, ist jedem Buchhändler aus eigner Praxis genügend bekannt. Immerhin werden einige statistische Angaben hierüber interessieren. Das erste, lithographierte Verzeichnis des Barsortiments vom Jahre 1850 weist etwa 90 Artikel auf, der kleine gedruckte Katalog von 1860 etwa 400. Im Jahre 1880 wuchs diese Zahl auf 3500, nach einem weitern Jahrzehnt auf ca. 9000, im Jahre 1900 auf ca. 25000. Den stärksten Zuwachs aber erfuhren die Bestände des Barsortiments in den darauf folgenden Jahren: der neueste Katalog enthält mehr als 60000 Titel, wozu noch die nach Tausenden zählenden Bände der im Kataloge vertretenen einzelnen Sammlungen kommen, so daß wohl mehr als 80000 verschiedene Bücher in mehr oder minder großen Partien auf dem Leipziger Hauptlager der Firma vorrätig sind.[1003]

Obgleich das Volckmarsche Unternehmen schon Ende der achtziger Jahre, als im Barsortimentsbuchhandel ein lebhafter, bisher sich immer steigernder Wettbewerb eintrat, mit einem sehr bedeutenden Jahresumsatz rechnen konnte, so hat sich trotz aller Konkurrenz dieser Umsatz, der sich jetzt auf die drei Häuser in Leipzig, Berlin und Stuttgart verteilt, fast um das fünffache gehoben; sicher ein beredtes Zeichen des geschäftlichen Aufschwungs, in dem sich die Firma befindet.

Die Reihe der wichtigen Neuunternehmungen begann 1900 mit der Erwerbung der Konkursmasse der Firma R. Mickisch in Berlin, aus der einerseits die Berliner Filiale des Barsortiments und anderseits ein selbständiges Kolportage- und Kommissionsgeschäft unter der Firma R. Mickisch & Co., G. m. b. H. sich entwickelte. Beide Geschäfte haben ihren Umsatz seitdem mehr als verdreifacht.

Im Jahre 1901 wurde dem Barsortiment eine Lehrmittelabteilung angegliedert. Die Firma entsprach damit einem Bedürfnis der Neuzeit, deren völlig umgestaltete Lehrmethode fast in allen Disziplinen auf dem Anschauungsunterricht beruht und deshalb eine Fülle von Lehrmitteln erfordert, die noch vor einem Jahrzehnt zum Teil erst in der primitivsten Form existierten, zum weitaus größten Teil aber noch unbekannt waren. Da alle diese Gegenstände aus verschiedenen Werkstätten hervorgehen, lag der Gedanke nahe, auch von ihnen ein wohlgeordnetes Lager an einer Stelle zu vereinigen und damit zugleich den Wünschen der Sortimentsbuchhändler in der Provinz Rechnung zu tragen, für die im Lehrmittelhandel ein neuer Geschäftszweig entstanden ist. Die letzte Ausgabe des Lehrmittelkatalogs enthält weit über 10000 Artikel und darunter wieder eine ganze Anzahl naturwissenschaftlicher, technischer und andrer Sammlungen, die selbst wieder aus hunderten verschiedener Nummern bestehen.

Die Jahre 1902 und 1903 waren in der Hauptsache dem innern Ausbau der neu eingerichteten Unternehmungen, wesentlichen Umbauten in den Geschäftshäusern, großen Erweiterungen der Barsortimentsläger und einer Vervollkommnung der Bucheinbände in künstlerischer Hinsicht gewidmet. Ein längere Zeit im Hause arbeitender Künstler, R. Koch, unterwarf jede einzelne Einbandart vom einfachen Leinenband aufwärts bis zu den neu geschaffenen Volckmarschen Luxuseinbänden einer genauen Revision und brachte Leder, Leinwand, Deckenpapier, Vorsatzblätter und Schnitt nach den Gesetzen der Aesthetik und eines auserlesenen Geschmacks in Einklang. Viele deutsche, auch englische, holländische und schwedische[1004] Künstler haben die Zeichnungen für die Volckmarschen Einbände geliefert.

Mitten im Trubel des Weihnachtsgeschäfts 1903 trat an das Haus F. Volckmar eine außerordentliche wichtige Entscheidung heran. Die bisherige Konkurrenzfirma Albert Koch & Co. in Stuttgart bot sich der Leipziger Kollegin zum Kaufe an. Nach wenigen Tagen wurde der Kauf abgeschlossen und die Firma F. Volckmar hat ihre Entscheidung nicht zu bereuen gehabt.

In Anerkennung der treuen Dienste des Personals hat die Firma F. Volckmar ausgedehnte Wohlfahrtseinrichtungen ins Leben gerufen, die den Angestellten Witwen-, Waisen- und Invalidenversicherungen sowie Reisestipendien und Unterstützungen in Krankheitsfällen sichern.

Die drei Geschäfte in Leipzig, Stuttgart und Berlin beschäftigen in der ruhigen Zeit mehr als 400 Angestellte. In Zeiten des lebhaften Geschäftsganges, wie in den Wochen vor Weihnachten und zur Schulbücherzeit, wird das Personal noch durch eine größere Anzahl von Hilfskräften vermehrt. Von der Arbeit, die von diesem Personal zu bewältigen ist, gibt vielleicht am besten die Anzahl der aus den drei Häusern abgehenden Sendungen einen Begriff. An Postpaketen werden von den drei Firmen etwa 400000 Stück im Jahre befördert. Dieser gewiß bedeutenden Paketexpedition entspricht bei den drei Firmen der Ballenversand. Wenn man den süddeutschen Expreßgutverkehr mit einrechnet, werden von drei Geschäften weit mehr als 100000 Ballen alljährlich zur Bahn gegeben.

Das Barsortiment expediert zur Schulbücherzeit oder bei Lagerergänzungen Ballen von 10-12 Zentner Schwere und die großen Uebersee- und Auslandsballen des Kommissionsgeschäfts erreichen sogar oft ein Gewicht von 15 Zentnern. Es gibt das ungefähr einen Begriff, wie der Ballenversand, obgleich er numerisch den Paketversand lange nicht erreicht, doch dem Gewicht nach diesem weit, weit überlegen ist. Zum Einpacken und Einschnüren aller dieser Sendungen verbraucht das Leipziger Haus jährlich im ganzen 210000 Kilogramm Pappen und etwa 12000 Kilogramm Stricke und Bindfaden, das Berliner Haus rund 10000 Kilogramm Pappen und etwa 2500 Kilogramm Stricke und Bindfaden und das Stuttgarter etwa 50000 Kilogramm Pappen und etwa 3000 Kilogramm Stricke und Bindfaden.

Einen Begriff über den Umfang der Expedition des Leipziger Barsortiments gibt der Umstand, daß zum Kopieren der Fakturen im Jahr ca. 90 Kilometer Rollen Kopierpapier verbraucht werden, bei der Stuttgarter Firma beläuft sich dieser Verbrauch auf etwa 40 Kilometer, in Berlin auf etwa 25 Kilometer. Zu einem einzigen[1005] Streifen vereint, würden diese Fakturen-Kopien es ermöglichen, auf diesem Streifen etwa von Leipzig nach Berlin zu laufen.

An Briefen – gemeint ist damit nur die reine Korrespondenz, ohne die durch die Bestellanstalt beförderten unzähligen kleinen Mitteilungen, Zirkulare usw. – gehen im Laufe des Jahres allein aus dem Leipziger Barsortiment etwa 100000 Stück zur Post.

Nicht minder bedeutend ist der telegraphische und der telephonische Verkehr bei allen drei Häusern. In der lebhaftesten Geschäftszeit laufen in Leipzig täglich durchschnittlich 420, in Berlin 75, in Stuttgart 155 Bestellungen auf Telegrammen ein, während der telephonische Verkehr die folgenden Zahlen aufweist. Das Leipziger Haus führt in der lebhaften Geschäftszeit täglich etwa 400-500 Stadt- und 70-90 Ferngespräche, die Berliner Filiale etwa 450 Stadt- und Ferngespräche, das Stuttgarter Geschäft etwa 100 Stadt- und 60-80 Ferngespräche.

Quellen: Zur Geschichte der Firma F. V. Leipzig 4. Mai 1898; Handschriftliche Quellen, von Herrn A. Voerster-Leipzig dem Verfasser dieses Werkes zur Verfügung gestellt.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 6. Berlin/Eberswalde 1908, S. 1000-1006.
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