[11] Adonis, Sohn der Myrrha oder Smyrna und ihres eigenen Vaters, des Königs Thias von Assyrien. Myrrha war überaus schön, so dass sie sich für schöner hielt, als Venus, wofür diese sie auf das Härteste bestrafte, indem sie sie in ihren eigenen Vater verliebt machte. Bemüht, diese verbrecherische Neigung zu unterdrücken, ward sie von ihrer Amme verführt, derselben nachzugeben; allein nach vollbrachtem Verbrechen entflieht sie schaudernd und bittet die Götter um Hülfe, welche sie in einen Baum verwandeln, dessen immerfort fliessende Thränen das köstliche Myrrhenharz sind. Aus dem Baume trat, seine Rinde sprengend, A. in göttlicher Schönheit hervor. Den holden Knaben barg Venus in einem Kästchen und übergab dasselbe der Proserpina zur Aufbewahrung, doch diese verweigerte die Rückerstattung, worauf Jupiter dahin entschied, dass beide Göttinnen sich in des Jünglings[11] Besitz theilen sollten, ein Drittel des Jahres aber A. zu freier Verfügung bleibe; dieses schenkte er der Venus, so dass er nun acht Monate auf der Oberwelt und vier bei Proserpina zubrachte. Mars ward eifersüchtig auf ihn, und sandte dem jagdlustigen jungen Helden einen Eber zu, mit dem er einen Kampf einging, in welchem der Eber zwar erlegt, doch vorher A. tödtlich verwundet wurde. Venus eilte auf die Nachricht von dem Unglück so schnell herbei, dass sie nicht einmal der zarten Füsse schonte, denen, von Dornen geritzt, Blut entquoll, wovon die bis dahin weissen Rosen roth wurden; allein die Göttin kam zu spät, sie konnte nur um ihren Liebling weinen und sein Blut mit Nectar besprengen, worauf aus demselben Anemonen entsprangen.
Doch erlangte sie von Jupiter, dass er nach seinem Tode die Hälfte jedes Jahres bei ihr im Olymp zubringen durfte. Die Trauer der Venus um Adonis Tod ist vielfältig Gegenstand der antiken Kunst geworden; nebenan sehen wir die Nachbildung eines dahin gehörigen alten Gemäldes. Von Venus' Liebe zu A. schreibt sich der gemeinschaftliche Dienst her, den Beide an mehreren Orten hatten; auch hatte A. nicht selten Capellen in dem Tempel anderer Götter, wie zu Argos in dem des Jupiter Servator. - Die Mythographen weichen in ihren Angaben über Adonis sehr von einander ab: so gibt man ihm bald Cinyras und Metharme, bald Phönix und Alphesiböa, bald Thias und Myrrha zu Eltern. Syrien und daselbst besonders Byblus war der Hauptsitz der Verehrung dieses Gottes, welche erst später unter bedeutenden Modificationen nach Griechenland wanderte, wesshalb man annehmen darf, dass sein Name mit dem hebräischen Adon, (Herr) zusammenhängt. Wahrscheinlich versinnbildlicht der Mythus von A. und Venus ursprünglich die Idee von der alljährlich absterbenden und sich wieder erneuernden Vegetation der Erde, welche von der Einwirkung der Sonne abhängt, worauf auch die Zeiten der Adonis-Feste hinweisen, welche in Phönicien und Aegypten um die Sommer-Sonnenwende, in Griechenland um die Frühlings-Tag- und Nachtgleiche Statt fanden. Da von Aegypten bei diesem Feste ein Schiff nach Byblus geschickt wurde, welches bei seiner Rückkehr die Nachricht von der Wiederfindung des A. mitbrachte, und ganz derselbe Zusammenhang beider Länder in der Sage von Osiris' zerstücktem, auf dem Meere nach Byblus getriebenem und wiederbelebtem Leichnam vorkommt, so deutet diess stark auf die ursprüngliche Einheit des Adonis und des Osiris hin.