[79] Aethiopen (Gr. M.), ein grosses und mächtiges Reich am äussersten Rande der Erde gen Süden, wo die Sonne Alles schwarz brennt. Die Bezeichnung der A. bei Homer: »zwiefach getheilt«, bezieht sich auf die Lage des Landes, welches man vom arabischen Meerbusen gespalten dachte, so dass die eine Hälfte desselben östlich, die andere westlich von dem Meeresarme liege, die erstere also in Asien, die andere in Africa. Jope soll die Hauptstadt gewesen sein, Homer nennt die A. auch »die Untadligen«, deren Fest-Hecatomben sich die Götter vorzüglich gut gefallen lassen. Diess deutet doch wohl auf ein uraltes und im Wohlstande lebendes Culturvolk hin. Ob es die Stammväter der jetzigen Araber und Aegypter, ob diesen verwandte Völker waren, ist nicht zu ermitteln, namentlich macht die schwarze Farbe der A. Schwierigkeit, wenn wir sie arabische Völker, caucasischen Ursprungs, sein lassen wollen; die hieroglyphischen Denkmale der Aegypter, ihre riesigen Intaglio's auf ganzen Fels- und Bergwänden, der Sculpturschmuck ihrer Tempel, zeigen viele Tausende von ganzen langen Reihen menschlicher Gestalten, welche durchgängig die Negerphysiognomie unverkennbar an sich tragen. Was Herodot von dem Tisch der Sonne erzählt, scheint die homerische Schilderung von den Aethiopen zu bestätigen. - »Cambyses beschloss, zu den A. zuvörderst Kundschafter zu senden, die sollten nach dem Tisch der Sonne sehen, der bei diesen A. sein soll, und dazu das Uebrige auskundschaften, zum Vorwande aber sollten sie dem Könige derselben Geschenke bringen. Mit dem Tisch der Sonne soll es diese Bewandtniss haben: es ist eine Wiese dicht vor der Stadt, die ist voll gekochten Fleisches von allen vierfüssigen Thieren; bei Nacht legen nämlich immer diejenigen Bürger, an welchen die Reihe ist, sorgsam das Fleisch darauf, bei Tage aber gehet hinzu, wer Lust hat, und isset, und die Leute des Landes sagen, das käme jedesmal aus der Erde selber hervor etc.« - Was Herodot ferner von ihnen erzählt, schildert sie als einfache, kräftige und edel denkende Menschen, welche ihrer Nahrung und Lebensweise ein langes Leben, und einer Quelle mit äusserst mildem Wasser unerschütterliche Gesundheit verdankten. Astronomische, medicinische Kenntnisse - eine sehr geordnete Religion - waren bei ihnen heimisch, und wenn die Priestercolonieen, welche Aegypten urbar machten, das Steigen und Fallen des Nils ordneten, das Volk entwilderten, auch wirklich, wie man zu vermuthen Ursache hat, aus Indien nach Africa gekommen sind, so kamen sie doch unstreitig zunächst aus Aethiopien nach Aegypten, so dass dieses Land und dieses Volk das früher gebildete war. Uninteressant durfte nicht sein, was man noch zu Plinius' Zeiten von diesem Volke fabelte: »Der äthiopischen Könige sollen jetzt 45 sein. Das gesammte Volk hiess erst das ätherische, dann das atlantische, und zuletzt vom Sohne Vulcans, Aethiops, das äthiopische.« - Dass sehr wunderbare Thier- und Menschengestalten an seiner Grenze erzeugt werden, ist kein Wunder, denn die Bewegbarkeit des Feuers ist in der Bildung der Körper und Formirung der Gestalten sehr kunstreich. Man erzählt für gewiss, dass in dem innern, östlichen Theile Völker leben, die keine Nasen und ein ganz glattes Gesicht haben, anderswo sind welche ohne Oberlippe, und in einer andern Gegend fehlt ihnen[79] die Zunge. Eine Art hat einen zugewachsenen Mund und keine Nase, soll durch eine einzige Oeffnung athmen, trinkt vermittelst eines Haferhalmes und zieht durch denselben auch die Körner dieses Hafers, der wild wächst, als Nahrung in sich. Einige winken, statt zu sprechen, oder machen mit den Gliedern eine Bewegung. Nach einigen Schriftstellern wohnen zwischen den Sümpfen, aus welchen der Nil entspringt, die Völker der Pygmäen: auf der Küste aber, wo wir stehen, liegen Gebirge, die so roth aussehen, als stünden sie im Brande. Die Troglodyten und das rothe Meer schliessen die ganze Strecke von Meroë ein. - Die Insel der Semberriten im Nil steht unter der Herrschaft einer Königin, und acht Tagreisen von ihr wohnen die nubischen Aethiopier; auf der Seite von Africa die Ptoembarer und Ptoemphaner. Die Letzteren haben einen Hund zu ihrem Könige, und schliessen aus seiner Bewegung auf seine Befehle. - Gegen Abend liegen die Nigröer, ihr König hat ein Auge vor der Stirn; die Agriophagen, die von Panther- und Löwen-Fleisch leben; die Pamphagen, die Alles, und die Anthropophagen, die Menschen-Fleisch essen; die Cynamolger mit Hundsköpfen; die Artabatiten, welche wie wilde vierfüssige Thiere herumlaufen; ferner die Hesperier und Perorser, welche wir an der Grenze von Mauritanien anführten. Die Schiffe, welche aus dem rothen Meere auslaufen, sollen, der Hitze wegen, über gewisse Inseln nicht fortkommen können.