[77] Atalante (Gr. M.), Zwei Heldinnen dieses Namens sind aus dem Alterthume uns bekannt geworden.
1) Die arcadische A., Tochter des Königs Iasus (Iasius oder Iasion) im arcadischen Schönus oder Scirus. Schon waren demselben mehrere Töchter geboren worden; er wünschte sich einen Erben, und seine Gattin Clymene brachte ihm abermals ein Mädchen zur Welt. Zornig über die vereitelte Hoffnung, liess er dasselbe aussetzen. Hülflos in dem Waldgebirge Parthenion liegend, wurde es durch eine Bärin erhalten, der die Jäger ihre Jungen geraubt hatten, und die nun das Kind saugte und dadurch rettete. Nach mehreren Jahren fanden es Jäger und führten es mit sich hinweg; unter diesen rauh erzogen, gewann A. eine unbesiegbare Vorliebe für alle männliche Beschäftigungen, wurde überaus stark und so schnell, dass sie einen Hirsch einzuholen im Stande war. Ihre Schönheit reizte zwei Centauren, Rhöcus und Hyläus, sich ihrer mit Gewalt zu bemächtigen; sie entwand sich ihnen und erlegte beide mit ihren Pfeilen. Später unternahm die edelste Jugend Griechenlands, ⇒ Meleager an ihrer Spitze, eine allgemeine Jagd auf den calydonischen Eber. A. fehlte bei diesem Zuge nicht, und war so glücklich, dem Thiere den ersten Stoss beizubringen. Das Ungeheuer zerriss mehrere der Krieger, bis es von Meleagers Hand erlegt wurde. Allgemein erkannte man ihm den Siegespreis zu: die Haut des »Ebers, welche er öffentlich als Zeichen seines Muthes tragen durfte; doch Meleager, welcher A. liebte, nahm den Umstand, dass sie dem Eber die erste Wunde versetzt, als Vorwand, den Siegespreis der jungen Heldin zuzuwenden. Des Thestius Söhne, Brüder von Meleagers Mutter, fanden es unrecht, dass dieser die Eberhaut nicht angenommen, und sagten,[77] wenn er ihn aufschlage, so gebühre niemand als ihnen der Preis. Ohne Umstände bemächtigten sie sich desselben, allein Meleager, um die Geliebte zu rächen, erschlug seine Oheime, gab das Fell der Geliebten und verliess mit ihr den Kampfplatz. Als die Frucht ihrer Liebe wird Parthenopäus genannt, der nachmals einer der Sieben gegen Theben war. - Als darauf die ersten Helden Griechenlands sich zu dem Argonautenzuge versammelten, schloss A. sich ihnen an. Nach der Beendigung des Zuges war sie auch bei den Leichenspielen für Pelias zugegen und überwand dabei den Peleus im Ringen. Dort erfuhr man erst, wer sie war; ihre Abkunft enthüllte sich, und mit Freuden nahmen die Aeltern ihre berühmte Tochter wieder auf. Sie vermählte sich, um ihr Heldengeschlecht fortzupflanzen, mit Milanion.
2) Die böotische A. war eine Tochter des böotischen Königs Schöneus, eines Sohnes des Athamas, dessen Wohnsitz, nicht bestimmt angegeben wird. Einige wollen, dass die Stadt Schönus, am Flusse Schönus, unweit Theben, nach ihm benannt gewesen sei. Von dieser A. wird erzählt, dass sie von bezaubernder Schönheit war, aber auch ihre Jungfrauschaft in so hohem Preise hielt, dass sie alle ihre Freier die Lust, sie zu gewinnen, mit dem Leben büssen liess. Sie war die schnellste Läuferin, und machte ihren Freiern zur Bedingung, mit ihr einen Wettkampf zu halten; wenn sie die Siegerin blieb, so durchbohrte sie den Mitkämpfer mit ihrem Speere; wenn er Sieger ward, so sollte ihre Hand der Lohn sein. Schon waren Mehrere ihrer Härte zum Opfer gefallen, als Hippomenes, des Megareus Sohn, sich um sie bewarb. Dieser hatte die Venus um ihren Beistand angefleht, und die Göttin hatte ihm drei goldene Aepfel geschenkt, welche Hippomenes nun einen nach dem andern fallen liess, sobald A. nahe daran war, ihn einzuholen. Diese, überrascht durch den seltenen Fund, hob sie auf, versäumte dadurch die Zeit und beschwerte sich mit einer Last, welche sie am Laufen hinderte, so dass Hippomenes das Ziel vor ihr erreichte. A. war also die Seine. Der liebestrunkene Jüngling vergass aber, der rettenden Venus zu opfern; diese, erzürnt, erregte in ihm und der Braut eine unbesiegbare Sehnsucht, der die Unglücklichen in dem Haine der Cybele, in dessen Nähe der Wettlauf geschehen war, nachgaben. Die Göttermutter, erzürnt ob der Entweihung ihres Heiligthums, bestrafte das frevelnde Paar augenblicklich dadurch, dass sie es in Löwen verwandelte, welche sie alsdann vor ihren Wagen spannte. - Indess bleibt es bedenklich, die Annahme zweier verschiedenen A.n consequent durchzuführen; denn mit Ausnahme der Namen der Personen und der Oertlichkeiten, mit denen sie in Verbindung gebracht werden, wird von beiden vollkommen dasselbe erzählt.