Bhawani

[103] Bhawani (Ind. M.), einer der ehrendsten Bezeichnungsnamen der Gattin des Schiwa, »die Alles Gebärende, die Dasein Gebende.« Sie ist identisch mit der mächtigen Göttin Maja, der Alles erweckenden Liebe, die von der absoluten Gottheit getrennte weibliche Urkraft, die erste Mutter, und die zuerst aus der Gottheit selbst Gewordene. Die Mythen der Indier erzählen, sie sei sowohl Mutter als Gemahlin der grossen Götterdreieinheit, Brama, Wischnu und Schiwa, gewesen; die Gottheit unterredete sich mit ihr, der Urwirksamkeit (Schakli), über die ferneren Schöpfungen, erhielt ihre Zustimmung, und ihr schaffendes Wort (Om, es sei, oder es werde so), war zugleich Bestätigung und Schöpfung. Sie schlug freudig[103] die Hände zusammen, und hieraus entstanden drei Blasen, die sich zu den Göttern gestalteten, oder es entfielen ihrem Schoosse drei Eier, mit denen das Nämliche vorging. Die am meisten geglaubte Fabel sagt, sie habe nur Wischnu geboren, aus dessen Nabel eine Lotosblume erwuchs, in deren Mittelpunkt Brama ruhete, und aus dieses Letztern Blut ging Schiwa hervor; denn stets wird Brama's Geburt so vorgestellt, und wenn B., welche alle Zerstörungen des Weltalls überdauert, aus ihrem Schoosse den Keim aller Dinge ausschüttet, die sie vor deren beginnendem Untergang in sich aufnahm, so erwächst immer wieder Brama aus der genannten Lotosblume. - B. ist Spenderin aller Glückseligkeit, darum sie auch durch mehrere Feste hoch geehrt ist, wie durch das Fest Egadaschi, bei welchem die Frauen, nach dem jeder religiösen Ceremonie vorhergehenden Reinigungsbade, sich durch Braminen das Zeichen des Mondes (der Fruchtbarkeit) auf die Stirne zeichnen lassen, hierauf aber fasten und opfern. Allein wie die meisten indischen Gottheiten, hat auch diese ihre Schattenseite, nach welcher sie zu der furchtbaren Kali wird. Wie nämlich ihr Gatte Schiwa zugleich der Erzeuger (nicht Schöpfer, das ist Brama) und der Zerstörer ist, so ist auch seine Gattin als Kali oder Wadrakali die furchtbare Rächerin, deren Feuerblicken keine That entgeht. Wadrakali.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 103-104.
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