Daedalus

Fig. 89: Daedalus
Fig. 89: Daedalus
Fig. 90: Daedalus
Fig. 90: Daedalus

[154] Daedalus, (Gr. M.), ein Athener aus königlichem Stamm, Zeitgenosse des Theseus, Sohn des Eupalamus und der Alcippe, Vater des Icarus, der älteste Meister in Bildhauerei und Baukunst, überdiess Erfinder zahlreicher nützlicher Werkzeuge. Seine Bildsäulen waren aus Holz geschnitzt, und man sagte sogar, dass sie gehen konnten, was wohl nur darauf deutet, dass er sie mit frei entwickelten Gliedern bildete, während man früher nur hermenartige Bildsäulen hatte, deren Hände und Füsse eng an den Leib schlossen. Sein Schwestersohn, Talus, von ihm unterrichtet, zeigte noch mehr Erfindungs-Gabe als der Lehrer selbst, erfand die Töpferscheibe, das Drechseleisen, und erweckte damit den Neid des Oheims, welcher ihn ermordete und eben begraben wollte, wobei er jedoch überrascht, des Mordes angeklagt und vom Areopag dessen schuldig befunden wurde. Er entfloh zuerst in den attischen Flecken, welcher von ihm den Namen des dädalischen empfing, und dann nach Creta zu Minos, dessen Freund er bald wurde. Er verfertigte dort viele Kunstwerke, unter andern die berühmte hölzerne Kuh der Pasiphäe, durch welche diese letztere den Minotaurus empfing, für welchen D. nun das Labyrinth baute. Als Minos erfuhr, D. habe seiner Tochter Ariadne den Rath gegeben, den Theseus mit jenem Faden-Knäuel zu versehen, durch den er den Rückweg aus dem Labyrinth fand, setzte er ihn und seinen Sohn Icarus gefangen. Nun verfertigte D. für sich und seinen Sohn Flügel von Federn, die er mit Wachs in hölzerne Gerippe einsetzte, und entwich so durch die Luft, gewiss, dass ihm Niemand nachfolgen könne. Sein Sohn flog in jugendlichem[154] Uebermuth zu hoch, der Sonne zu nahe; diese schmolz das Wachs, und so stürzte er in das Meer, das von ihm den Namen des icarischen empfing. D. kam nach Sicilien zum König Cocalus, der ihn gleichfalls freundschaftlich empfing, und auch Ursache hatte, die Anwesenheit des Künstlers zu loben, denn die grössten Kunstwerke dankten seinem Geiste ihr Entstehen: so die unbezwingliche Feste bei Agrigent, in welcher der König seine Schätze aufbewahrte; dann die natürlichen Dampfbäder, in einer Höhle bei Selinus; der Tempel der Venus auf dem Gipfel des Berges Eryx etc. Er stand bis zu seinem Tode in grösstem Ansehen bei dem Könige, so dass dieser lieber den Minos umbrachte, als dass er den Künstler an diesen, der ihm nachgefolgt war, ausgeliefert hätte. Kunstdarstellungen des D. geben unsere beiden Abbildungen: Fig. 89, wo er sich und seinem Sohne Flügel macht, und 90, wo er sich mit Pasiphaë über die Vollendung der hölzernen Kuh bespricht.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 154-155.
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