Dido [1]

Fig. 95: Dido
Fig. 95: Dido

[166] Dido, (Röm. M.), Tochter des Belus und Schwester des Pygmalion, welcher nach seines Vaters Tode die Stadt Tyrus beherrschte, war mit Sichäus, ihrem Oheim, vermählt, den sie auf das Zärtlichste liebte; Pygmalion liess ihn tödten, um seine Schätze zu gewinnen, was ihm aber nicht gelang, da Sichäus diese wohl verborgen hatte. Der Erschlagene erschien seiner Gattin im Traume und kündigte ihr an, dass Pygmalion auch ihr nach dem Leben stehe, sagte ihr, wo seine Reichthümer zu finden seien, und rieth zur schleunigsten Flucht. Diese veranstaltete D., vereint mit mehreren Missvergnügten, indem sie heimlich einige Schiffe ausrüsten liess,[166] nach Cyprus segelte, daselbst 80 Jungfrauen raubte und mit diesen nach Africa fuhr, wo sie, an der Stelle des späteren Carthago landend, die unvergleichliche Lage sogleich erkannte und von den Anwohnern sich die Erlaubniss erbat, ein Stück Land, so weit man es mit einer Ochsenhaut umspannen könne, als ihr Eigenthum zu bebauen. Sie erhielt dieselbe, und nun liess sie durch einen tyrischen Künstler eine möglichst grosse und starke Haut in viele tausend feine Riemchen zerschneiden, diese an einander setzen und damit eine beträchtliche Strecke Landes umspannen. Dort gründete sie Carthago, das durch die Schätze ihres Gatten zu schneller Grösse emporwuchs. Virgil nimmt an, D. sei eine Zeitgenossin des Aeneas gewesen, und so entstand eine der schönsten Partien seines unsterblichen Gedichts. Venus und Juno, des langen Haders müde, schliessen Freundschaft: Venus, um ihren Sohn zu beglücken, Juno, um dem verhassten Trojaner die Ehre, Roms Gründer zu werden, zu entziehen. So kommt Aeneas nach Carthago, gewinnt der schönen D. Liebe, muss sie aber, nach wenigen glücklichen Monden, auf Jupiters Befehl verlassen, und sie gibt in der Verzweiflung sich selbst den Tod. Siehe auf unserm Bilde die von einem antiken Gemälde genommene Darstellung ihres Endes. - Der Tod der D. soll indess nach einigen Historikern eine andere Ursache haben: sie wollte einem lästigen Ehebündniss mit Jarbas, König von Mauritanien, das ihr aufgedrungen werden sollte, entgehen.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 166-167.
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