Elfen

Fig. 104: Elfen
Fig. 104: Elfen

[184] Elfen, (Nord., Brit. und Deutsch. Volksglaube), Zwischenwesen zwischen Göttern und Menschen, deren Name sich bei den genannten Völkern, wenn auch mit einzelnen Abweichungen der Form, doch im Wesentlichen gleichlautend findet. Altnordisch heissen sie Alfar, angelsächsisch Aelf, dänisch Elve, deutsch eigentlich Elbe; die jetzt im Hochdeutschen einzig übliche Form E. ist, nachdem die deutschen Elben aus der Kunde der gebildeten Welt verschwunden waren, durch Schriftsteller des vorigen Jahrhunderts aus England bei uns eingebürgert worden. Was die Wurzel des Worts ursprünglich bedeutet habe, ist nicht mehr mit Sicherheit zu ermitteln; indessen scheinen der Name der schneebedeckten Alpen, der klaren Elbe, das schwedische Wort Elf für Fluss, das mittelhochdeutsche Elbez für Schwan, endlich das lateinische albus, weiss, darauf zu deuten, dass die Grundvorstellung Licht und Klarheit war. Ist aber diese Ableitung richtig, so muss auch angenommen werden, dass der Name E. ursprünglich nur der einen, dem Lichte zugekehrten, Classe dieser Wesen angehörte, und auf die anderen, die wir sogleich kennen lernen werden, nur um gewisser gemeinsamer Merkmale willen übertragen wurde. Die Edda lehrt nämlich drei Classen von Alfen: Licht-Alfen, Dunkel-Alfen und Schwarz-Alfen: wovon die ersten Bewohner der reinen Lichtregion, die zweiten irdischer Bergklüfte und Höhlen, die dritten der Unterwelt sind. Allein die Annahme dieser dreifachen Gliederung scheint sich frühzeitig wieder verloren zu haben und in einen Dualismus übergegangen zu sein, daher Snorre Sturleson ( 1241) sagt: »In Alfheim wohnt das Volk der Licht-Alfen, unten in der Erde die Dunkel-Alfen, beide einander unähnlich in Aussehen und Kräften, jene leuchtender als die Sonne, diese schwärzer als Pech.« Die nunmehr in Eins zusammengeworfenen Dunkel- und Schwarz-Alfen stellt er sodann auch den Zwergen vollkommen gleich, und gibt ihrem Wohnort den Namen Swart-Alfaheim (Schwarzalfheim). - Die Lichte, sind heitere, fröhliche Geschöpfe, bald sichtbar, bald unsichtbar; sie machen sich gern mit den Menschen und Göttern zu schaffen, erfreuen durch ihre schöne Gestalt und Gutmüthigkeit, während die Schwarze, das Licht fliehen, nur während der Nacht aus ihren finstern Wohnungen hervorkommen, und, falls sie die Sonne noch auf der Erde überrascht, versteinert werden durch den Strahl, der sie trifft. Diese sind gewöhnlich auf das Possierlichste missgestaltet, haben ungeheure Nasen und Bäuche, spindeldürre Beine, kahle oder gehörnte, struppige Köpfe; bei alledem sind sie gewandt, geschickt, nicht nur kundig aller Zauberkräfte, sondern vermögen auch mit einer seltenen Kunstfertigkeit Metall-Arbeiten zu machen, die der trefflichste Künstler vergeblich zu machen sich bemühen würde; allein immer ist irgend ein Fluch an dieselben gebunden. - Die Wohnung dieser E. ist immer in tiefer Finsterniss, doch wissen sie sie durch das Licht der Edelsteine und edeln Metalle auf das Glänzendste zu erhellen, ja wahre Prachtpaläste aus den unerschöpflichen Schätzen des Erdenschoosses zu erbauen. Einige wohnen in Steinen, Andere in der Erde, noch Andere im Meer; sie rauben gerne ungetaufte Christenkinder, erziehen dieselben nach ihrer Weise in ihren Erd- oder Fels-Häusern, und schieben an die Stelle der geraubten ihre eigenen hässlichen Wechselbälge unter, welcher man nur dadurch los werden kann, dass man ihre Fusssohlen mit Fett bestreicht und sie am Feuer bratet; auf ihr Geschrei kommen die E. herzu und bringen das geraubte Kind zurück, um das eigene von den Martern zu befreien. - Ganz anders ist es mit den Lichte.; Recht und Billigkeit sind diesen heilig, und sie schaden ungereizt den Menschen nie, ja, selbst beleidigt, rächen sie sich nur durch Neckerei. Sie finden vorzügliches Wohlgefallen an dem Umgange mit Christen; da sie selbst menschlich gestaltet und überaus schön sind, so findet es sich nicht selten, dass sie sich mit den Menschen liebend verbinden; folgen solchem Umgange Kinder, so müssen diese ganz im heiligen Taufwasser gebadet werden, was die Elliser (E.mädchen) ausdrücklich[184] von ihren Liebhabern verlangen, weil sie sonst keine unsterbliche Seele bekommen. Bei heiterer Luft kommen sie gerne hervor und baden sich im Sonnenschein, doch die eigentliche Zeit ihres Erscheinens ist nach Sonnenuntergang, besonders in heiteren, sommerlauen Mondnächten; dann tauchen sie oft in ganzen fröhlichen Schaaren auf, um ihren Freuden nachzuhängen und jede ausgelassene Lust sich zu erlauben. Ihre Lieblingsbeschäftigung ist der Tanz; mit diesem bringen sie ganze Nächte zu, und wo auf einer Wiese ein Kreis von E. sich gedreht hat, da wächst das Gras grüner, frischer und üppiger hervor. Wenn man zur Nachtzeit bei Vollmondschein in einen solchen Kreis tritt, so sieht man die E. um sich her tanzen, und wird dann gewöhnlich für den Frevel tüchtig geneckt; eben so, wenn man zufällig in einem solchen Kreise schläft, was Schnittern, Landleuten manchmal begegnet. Die E.männchen tragen leichte Kappen, welche sie unsichtbar machen; vermag man sich eine solche zu verschaffen, so sieht man auch ihre Tänze. Ein solcher Moment ist auf unserem Bilde dargestellt. Man denkt sich nun die E. zum Theil nur einen Zoll hoch und so leicht und zierlich, dass, wenn sie auf einen Thautropfen treten, dieser zwar leise erzittert, doch nicht auseinander fliesst; dagegen können sie jede beliebige Grösse und Gestalt annehmen, sind bald hässlich, bald schön, wie es ihrem Zwecke im Augenblick am angemessensten ist; nach anderen Sagen haben sie zwar menschliche Form und Grösse, doch sind sie so überirdisch schön, dass Nichts sich mit ihren blühenden Reizen vergleichen lässt; wieder Andere beschreiben sie als schöne Mädchen oder Jünglinge von den vollendetsten Formen, doch hohl und unkörperlich, wesswegen sie sich nur von vorne zeigen, indem ihr Rücken leer und vertieft ist. Die Schotten und Irländer stehen zum Theil noch in dem Glauben, dass ihr Land vorzüglich von den E. besucht und geliebt sei, wesshalb man dort die heitersten und anmuthigsten Sagen von ihnen findet, auch die Leute, wenn sie irgendwo auf einer Landstrasse einen Staubwirbel aufsteigen sehen, in der Meinung, dort zögen die E. einher, ihre Wohnungen verändernd, sich ehrerbietig vor ihnen neigen und sie grüssen. Gewöhnlich erscheinen sie von einem silberglänzenden Duft umhüllt, durch welchen ihre zarten Formen nur wie die Umrisse eines lieblichen Gemäldes durchschimmern; die Kopfbedeckung der Männer ist eine Blüthe des Fingerhutes (Digitalis), deren Farbe dann meistentheils eine gewisse Partei andeutet, zu welcher sie gehören. Sie unterrichten nicht selten die Menschen in ihren geheimen Zauberkünsten, und obwohl sie denselben nur einen höchst geringen Theil ihres Wissens geben, so werden die so Eingeweihten doch übermächtig und furchtbar, denn auch der geringste Theil ihrer unbegränzten Kunst wirkt schon ganz ausserordentliche Dinge. Die Musik wird von ihnen über Alles geliebt, und obwohl die E.musik einfach ist, übt sie doch auf den Menschen die überraschendsten Wirkungen aus: das E.königsstück zwingt jeden Zuhörer, selbst zuletzt Tische und Stühle, zu einem Tanze, der so lange dauert, als die Musik erklingt; aber der Spielende kann nicht aufhören zu spielen, denn der Arm, welcher geigt, ist gleichfalls bezaubert; er müsste denn ganz genau rückwärts dasselbe Stück spielen können, oder es müsste unaufgefordert Jemand kommen, der dem Spielmann von hinten über die Schulter die Saiten der Geige zerschneidet. In dem Gedanken, dass die E. vom Himmel verstossene Engel seien, die nicht bis zur Hülle gesunken sind, liegt die grösste Aehnlichkeit zwischen ihnen und den Peris der Perser; diese nämlich sind auch so anmuthige, überirdische Wesen, des Himmels verlustig, doch der Hölle noch nicht verfallen. Die E. drücken häufig durch einen lieblichen Gesang Hoffnung auf einstige Erlösung aus; dieser Gesang verwandelt sich sogleich in tiefes Weinen und Wehklagen, wenn Jemand so grausam[185] ist, diese ihre Hoffnungen zu stören. - Ihrer viele wohnen in dem Lande der Jugend, unter dem Meere, in wahren Hesperidengärten, wo Niemand altert, Niemand stirbt; an manchen Tagen erheben sie sich über die Meeresfläche zu fröhlichen Gelagen, rauschenden Tänzen und Festlichkeiten; doch sieht man sie nicht, denn der Regenbogen in seiner höchsten Farbenpracht umzieht ihren Spielplatz; nur wenn ein Schiff diesen durchschneidet und in den Ring hineinfährt, kann die Mannschaft desselben sie erblicken, doch immer zu ihrem Unglück, denn nur einmal sieht man sie, und im Zorn ziehen sie das Schiff mit Mann und Maus in den Strudel des Meeres hinab. - Der E.-Glaube hat noch deutschen Dichtern der neuesten Zeit Anlass zu den lieblichsten oder heitersten Darstellungen gegeben. Man vergleiche das Mährchen: »die Elfen«, in Ludwig Tiecks Phantasus; desselben Novelle: »die Vogelscheuche«; dann besonders eine Stelle aus der Erzählung Cordelia von A. Treuburg (Friedrich Vischer), im Jahrbuch schwäbischer Dichter von Mörike und Zimmermann. - Manche Sagen von Zwergen, Trollen, Wichten oder Wichtelmännchen, lassen alle diese Wesen als die nächsten Verwandten der E. erscheinen; man vergleiche daher die genannten Artikel.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 184-186.
Lizenz:
Faksimiles:
184 | 185 | 186

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Feldblumen

Feldblumen

Der junge Wiener Maler Albrecht schreibt im Sommer 1834 neunzehn Briefe an seinen Freund Titus, die er mit den Namen von Feldblumen überschreibt und darin überschwänglich von seiner Liebe zu Angela schwärmt. Bis er diese in den Armen eines anderen findet.

90 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon