Freia

[207] Freia (Nord. M.), die vorzüglichste der Asinnen nach Frigga, der Gemahlin Odins, Tochter des dunkeln Niord und der schattigen Skade, welche beide man für die zwei Tag- und Nacht-Gleichen des Jahres halten will. F. war[207] in der alten nordischen Natur-Religion eigentlich Mondgöttin; im Fortschritt der ursprünglichen Lehre zu persönlicherer Entwicklung ihrer Gottheiten ward sie die Göttin der Liebe. Sie ist allen Liebenden günstig und findet besonderes Wohlgefallen an Liebes-Gesängen, die sie auch den Skalden eingibt. Sie liebt den Frühling und die Blumen, und ist besonders den Elfen hold. Zu grösserer Eile bedient sie sich eines Paares Falkenflügel, welches sie auch den andern Göttern willig zur Benützung überlässt. Brising heisst der blitzende Halsschmuck, den ihr einige Zwerge verehrt haben; doch sagt man ihr nach, sie habe, als sie diesen Schmuck schmieden sah, aus Begierde nach demselben den Arbeitern eine Nacht hindurch den Genuss ihrer Reize geschenkt, um ihn zu bekommen, wie auch beim Gastmahl Aegers Loke, der den ganzen Götterkreis mit Anzüglichkeiten überhäufte, ihr Schuld gab, dass sie jedem Asen oder Alfen ihre Gunst gesckenkt habe. F. war mit Odur vermählt, und hatte aus dieser Ehe zwei Töchter: Hnos (schön) und Gersemi (anmuthig, einnehmend). Nach einiger Zeit machte Odur eine Reise, und da er nicht zurückkehrte, wollte ihn F. aufsuchen, wesshalb sie durch viele Länder reiste, und überall einen andern Namen annahm: Mardöl, Horn, Gefion, Syr, Vanadys, doch überall vergebens ihn suchte, und desshalb die bittersten Thränen vergoss, welche sich aber in durchsichtiges Gold verwandelten (Bernstein). Ihre Reisen hatten zur Folge, dass man sie weit und breit als gute Göttin kennen lernte, ihr Verwechseln des Namens jedoch zugleich, dass man sie überall unter anderer Gestalt anbetete. In Norddeutschland, Dänemark, Friesland, Sachsen, behielt sie übrigens den Namen F. Man stellte sie mit Helm und Harnisch, Bogen und Schwert bewaffnet dar, oben herab in männlicher, unten in weiblicher Kleidung. - Während Odin die eine Hälfte der Menschen, die für die Geliebte oder für's Vaterland gefallenen Streiter in Walhalla aufnimmt, empfängt F. die andere Hälfte, nämlich alle edeln und schönen Frauen, in ihrer himmlischen Wohnung Folkvangur. Sie selbst weilt am liebsten in ihrem Saale Sesrumner, und gibt sich wehmüthigen Betrachtungen im Gedanken an ihren entflohenen Gatten Odur hin. - Die Schweden hatten ihr mehrere Tempel gebaut, unter denen der zu Upsala besonders berühmt war; zu Freienwalde in der Mark soll sie gleichfalls einen Tempel gehabt haben, auch die Sachsen beteten sie an, und Carl der Grosse zerstörte ihren Tempel zu Magdeburg. Ihr Name hängt zusammen mit dem deutschen Zeitwort: »freien«; auch ist der sechste Tag der Woche, der Freitag, nach ihr benannt.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 207-208.
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