Iduna

[270] Iduna (Nord. M.), die lieblichste unter den Asinnen, Göttin der ewigen Jugend, der Unsterblichkeit, nicht erzeugt noch geboren, sondern von Anfang da. Sie ist die Gattin des weisen Braga, des Gottes der Dichtkunst; in ihrer Verwahrung befinden sich die Aepfel der Verjüngung, ohne welche selbst die Götter altern würden, daher sie täglich davon speisen. Ein Zufall und Loke's Bosheit hätte sie beinahe um diesen Schatz gebracht. Odin, Loke und Hänir machten eine Reise in Menschengestalt durch das Land der Riesen und Zauberer. Nach langem Wandern empfanden sie grossen Hunger, und da sie in einem schönen Thale eine Heerde fetter Ochsen fanden, schlachteten sie einen derselben zum Mahl, allein das Fleisch blieb roh, - wiederholte Versuche scheiterten an einer Zauberei, welche sie nicht lösen konnten. - Da ertönte aus dem Gipfel des Baumes, unter welchem sie sassen die Stimme des Zauberers Thiassi in Adlergestalt, welcher sagte, dass er das Fleisch weich zu werden hindere, bis sie ihm auch einen Theil davon zusicherten. Die Götter versprachen diess, da liess sich der Adler auf den Rand des Kessels nieder und frass beide Vorderviertel auf, worüber ergrimmt Loke ihn mit einer Stange schlug; diese aber blieb an dem Adler, und an der Stange blieb Loke hängen, der nun von dem Riesen durch die Lüfte mit solcher Schnelligkeit hinweggeführt wurde, dass er glaubte, sein Arm reisse aus, und daher dem Zauberer Alles für seine Erlösung versprach; jener forderte I.s verjüngende Aepfel, und Loke machte sich verbindlich, sie ihm zu schaffen. Um diess zu bewerkstelligen, sagte er zu der Göttin, er habe in einem nahen Haine Aepfel gefunden, welche den ihrigen an Schönheit gleich wären, wenn sie nicht dieselben noch überträfen; sie möchte ihn, um sich selbst zu überzeugen, dahin begleiten. I. nahm ihre köstlichen Früchte mit, um sie zu vergleichen, da erschien der Adler und raubte I. Die Asen wurden alt, grau, matt und schwerfällig, keiner wusste sich diess zu enträthseln, bis ihnen beifiel, dass sie schon seit lange nicht mehr von den Aepfeln der Verjüngung gegessen; I. ward gesucht, doch nirgends gefunden; man forschte nun nach, wer die Göttin zuletzt gesehen; da ergab sich, dass man Loke bemerkt, wie er mit ihr nach einem ausserhalb des Göttersitzes gelegenen Wäldchen gegangen, und I. von dort nicht zurückgekehrt sei. Auf sein beharrliches Läugnen drohete man ihm mit harter Strafe, und nun gestand er seine That, versprach jedoch auch, die Aepfel zurückzuschaffen, wenn die Götter ihm behülflich sein wollten. Hiezu verlangte er von Frigga die Kunst, sich und Andere beliebig verwandeln zu können, welche er erhielt, worauf er als Falke nach der Burg des Riesen flog. I.s Gemach war durch sieben eiserne Thüren verwahrt, allein durch ein kleines Fenster drang Loke zu der lange Vermissten ein, verwandelte sie in eine Schwalbe und eilte, sie in seinen Fängen haltend, auf Asgard zu. Der Riese kam in demselben Augenblick, als sie wegflogen, nach Hause, erkannte den listigen Betrüger in seiner Verkleidung, warf seine Gewänder von sich und stürmte ihm in Adlergestalt mit der grössten Wuth nach. Die Götter sahen die Jagd auf ihre Hofburg zukommen; trugen einen grossen Haufen dürres Reisig, leicht geschürt, hinzu, und als Loke mit I. darüber weg war, zündeten sie das Reisig an. Der Riese Thiassi war in einem so reissenden Fluge begriffen, dass er sich nicht schnell genug aufhalten konnte; er stürzte in das Feuer, verbrannte sich die Schwungfedern, und ward von der [270] Asen gefangen uod getödtet. I. aber beglückte die frohen Götter wieder mit ihren Früchten, worauf sie bald von Neuem in glänzender Jugend und Schönheit strahlten.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 270-271.
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