Janus

Fig. 168: Janus
Fig. 168: Janus

[266] Janus. (Röm. M.), ein Gott, über dessen ursprüngliche Bedeutung, so wie über die Herkunft seines Dienstes, schon im Alterthum die verschiedensten Ueberlieferungen herrschten. Nach Einigen sollte er der ächte altitalische Sonnen-Gott sein, mit einer Gemahlin Jana (woraus Diana), als Monds-Göttin, nach Andern der etruskische Gott des Himmels, dessen Name bei den Etruskern eigentlich Than geheissen habe; Andere betrachteten ihn bloss als Schutzgott der Thüren und Thore, wegen der Uebereinstimmung seines Namens mit dem Worte janua, Thüre; Andere sahen ihn für den ursprünglichen römischen Gott des Krieges an, der später durch den sabinischen Mars verdunkelt worden sei; Ovid erklärte ihn für gleichbedeutend mit dem Chaos; die gewöhnlichste Meinung wurde endlich die, dass man ihn für einen vergötterten König des alten Italiens hielt, und in diesem Sinne in die engste Verbindung mit Saturnus setzte. Man erzählte, er sei vor Saturn in Italien gewesen, habe diesen bei sich aufgenommen, sämmtlichen Göttern ihre Tempel geweiht und die Opfergebräuche eingeführt, sei aber selbst auch aus Perrhäbien in Griechenland eingewandert, habe sich auf dem von ihm benannten Berge Janiculum niedergelassen, und von da griechische Bildung verbreitet. Man nannte ihn einen Sohn des Uranus und der Hecate, oder des Apollo und der Creusa, Tochter des Erechtheus, oder (im Widerspruch mit dem so eben angedeuteten Verhältniss zwischen ihm und Saturn) des Saturn und der Entoria. Man sagte, mit Venilia habe er die Canens, mit seiner Schwester und Gattin Camese oder Camise den Aether und die Olistene, mit Juturna den Fontus gezeugt. Auch mit Carna, der Thürangel-Göttin, setzte ihn Ovid in ein Liebes-Verhältniss. - Dass die Kunde von dem ursprünglichen Wesen des J. sich so sehr verflüchtigt hat, daran ist der Umstand Schuld, dass die Römer von dem Entstehen ihrer Literatur an, erfüllt von Wetteifer gegen die in Kunst und Wissenschaft so weit vorausgeeilten Griechen, ihr eigenes Alterthum durchaus vernachlässigten und sich geflissentlich einzureden suchten, dass die griechische Götter- und Helden-Lehre bei ihnen eben so national sei, wie in Griechenland selbst. - Was die Verehrung des J. in Rom betrifft, so sind die wichtigsten Bestandtheile derselben folgende: Numa hatte ihm ein Heiligthum geweiht, das geschlossen wurde, wenn Friede, und geöffnet, wenn Krieg war, und somit ein Anzeiger des Kriegs und Friedens sein sollte. Man weiss, dass die Thüren dieses J., der den Beinamen »Quirinus« führte, was ohne Zweifel einen Kriegsgott bedeutet, in der Zeit zwischen Numa und Augustus nur einmal geschlossen wurden, ein Beweis von der furchtbaren Kriegslust der Römer. Man ehrte ferner den J. als Gott alles Anfangs und rief ihn zu jeder Unternehmung um seinen Segen an; daher war der erste Monat des Jahres, der Januar, nach ihm benannt, und der erste Januar sein Hauptfest, an welchem die Obrigkeiten den Purpur ihrer Amtskleidung anlegten; ebenso war ihm der Beginn des Tages geheiligt, wesswegen man ihn als pater matutinus begrüsste; ferner der erste Tag jedes Monats, die Calenden, wesswegen er Junonius hiess, da die Calenden zugleich auch der Juno heilig waren; er schützt die Thüren und den Ein- und Ausgang des Menschen gegen feindselige Dämonen. - Man bildete ihn ab mit einem Doppelgesicht, zuweilen auch mit vier Köpfen, was darauf bezogen wird, dass er hiedurch als ein den Augurien vorstehender Himmelsgott bezeichnet werden soll. Der Augur zog nämlich mit seinem Stabe zuerst den cardo, die Mittagslinie, von Nord nach Süd, hierauf den diese Linie senkrecht schneidenden limes decumanus von Ost nach West, und das nothwendige Hinblicken des Augurs nach diesen Enden des Himmels scheinen also die vier Gesichter des J. anzudeuten. In der Rechten trug er einen Stab (den Augurstab oder einen Lanzenschaft), in der Linken einen Schlüssel (als Thüren- oder als Himmelsgott, der das Jahr und den Tag erschliesst), auf seinen Fingern wurde oft an der einen Hand die Zahl 300, an der andern 65 angebracht, um ihn als Jahresgott zu bezeichnen. - Unser Bild stellt einen Januskopf nach einer römischen Münze dar.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 266.
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