Leander

[311] Leander (Gr. M.), ein junger Dardaner aus Abydus, berühmt durch die Kühnheit, die ihm seine Liebe zu Hero, einer schönen Priesterin der Venus, am europäischen Ufer des Hellespont wohnend, eingab. Bei einem Fest der Göttin hatten sie einander gesehen, und seit dieser Zeit war L. allnächtlich zu der Geliebten nach Sestus über das Meer geschwommen; eine Fackel, auf dem Thurme ausgesteckt, war sein Leitstern, und in den Armen der schönen Hero ruhete er von den überstandenen Mühen, bis Aurora ihn verscheuchte, und er wieder zurückschwamm. Einst hatte, da er schon auf der so oft zurückgelegten Bahn war, der Sturm die Fackel verlöscht, und am Morgen spülten die Wellen den Leichnam des Jünglings, der auch im Tode seinen Schwur hielt, an den Fuss des Thurmes. Verzweifelnd schwang sich Hero von dem Thurme herab, und fiel entseelt auf den Geliebten nieder. Von dem griechischen Dichter Musäus, der im sechsten Jahrhundert n. Chr. lebte, und von Schiller ist dieser Stoff zu den rührendsten Gedichten benutzt worden.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 311.
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