[315] Lotos, eine heilige Blume in Indien. Sie gehört zu den Wasserlilien, und es sind besonders zwei Arten davon bemerkenswerth: Nymphea L. und Nymphea Nelumbo. In Aegypten war die erstere die heilige Blume, die zweite ist es in Indien; die Blume der Nelumbo ist grösser, prachtvoller, überaus schön, die Blumenkrone glüht im feurigsten bläulichen Purpur, der Staub, wie klarer Goldsand glänzend, färbt alle Bäche; zu den zartesten Vergleichen und Bildern gibt sie der sinnigen Poesie des Indiers Anlass; ihr Kelch ist der Kerker einer Biene, die weichen blauen und purpurnen Blätter werden Fächer, aus den Fasern des Stengels flicht man die zierlichsten Armspangen; trockene Büschel dieser Fasern nehmen den Duft köstlicher Oele auf und ruhen an dem Busen schöner Mädchen. Auf einem L.blatt schwimmt der neugeborne Brama über den Abgrund; die Tochter des Oceans und der Nacht, Lakschmi, Göttin des Ueberflusses, segelt in einer L.blume daher. Das Saamenkorn der Pflanze enthält im Innern die Pflanze selbst ganz deutlich abgebildet, lauter Gründe zu ihrer Verehrung, welche so weit geht, dass gläubige Indier sich vor ihr niederwerfen und sie anbeten. Sie ist die Blume der Nacht, welche sich ängstet, wenn der Tag anbricht, die sich nur dem Monde öffnet, nur ihm duftet und ihr Haupt vor den Strahlen der Sonne senkt. Eben so verehrten die Aegypter diese Pflanze, in welcher sie den Phallus des Osiris wieder zu finden glaubten, als Symbol der zeugenden und empfangenden Naturkräfte, und noch jetzt ist den Bewohnern des Nilthales die L.blume ein Zeichen des Segens.